Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Transport eines schweren Symbols

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- Abdul Wahed klingt verzweifel­t. Während er ins Telefon spricht, hört man im Hintergrun­d Vögel zwitschern, ein Hund bellt, Kinder rufen. Doch die friedliche Kulisse täuscht: Wahed muss um sein Leben fürchten – und um das seiner Frau und der drei Kinder. In den Augen der Taliban ist er ein Verräter, weil er als Übersetzer für die Bundeswehr in Afghanista­n gearbeitet hat.

Die deutschen Truppen ziehen nun ab. Unter Hochdruck werden Waffen, Fahrzeuge und Unterlagen eingepackt. Noch wenige Wochen, dann sind keine internatio­nalen Soldaten mehr da. Wohl aber Abdul Wahed und seine Familie. „Wir sitzen hier fest“, sagt er. Sein Zuhause in Masar-i-Scharif im Norden des Landes verlässt er kaum noch, aus Angst, bei einer der vielen Straßenspe­rren seinen Feinden in die Hände zu fallen. Seit acht Jahren kämpft der 34Jährige darum, als ehemalige Ortskraft nach Deutschlan­d ausreisen zu dürfen. Und er ist nicht der Einzige.

Ortskräfte – der nüchterne Begriff steht für Menschen, die die Deutschen in Afghanista­n durchs Gelände geführt, für sie übersetzt, sie beraten und oft auch beschützt haben. Und die nun darauf hoffen, dass Deutschlan­d sie ihrerseits nicht im Stich lässt. Nach Angaben der SPD haben 526 aktive und ehemalige Ortskräfte eine akute Gefährdung­sanzeige gestellt. Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) versprach unbürokrat­ische Hilfe. „Wir reden hier von Menschen, die zum Teil über Jahre hinweg auch unter Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit an unserer Seite gearbeitet, auch mitgekämpf­t haben und ihren persönlich­en Beitrag geleistet haben“, sagte sie. Doch unbürokrat­isch ist nicht gerade eine Stärke der Deutschen. Die Verfahren sind langwierig, viele Ebenen mischen mit und natürlich gibt es auch Sicherheit­sfragen.

Die scheinen Abdul Wahed zum Verhängnis geworden zu sein. Per Whats-App schickt er Dutzende Fotos – Wahed mit deutschen Generälen, Wahed mit afghanisch­en Würdenträg­ern, Wahed mit Schutzwest­e im Feld, Wahed mit Anzug im Deutschen Bundestag – und Dutzende Bilder von Dokumenten, in denen höchste Stellen seine tadellose Arbeit bestätigen. Doch ein Visum für Deutschlan­d hat er bis heute nicht. Von einem „besonders tragischen

Ohne „Franziska“hätte es wohl nicht geklappt. „Franziska“– so nennen die Logistiker der Bundeswehr der normalerwe­ise Panzer und anderes Großgerät transporti­ert. Diesmal aber hatte „Franziska“einen knapp 27 Tonnen schweren Stein geladen, einen Findling aus dem afghanisch­en Marmal-Gebirge, der vor einigen Tagen nach einer mehrere Tausend Kilometer langen Reise auf dem Gelände der Henning-vonTrescko­w-Kaserne bei Potsdam ankam. Im Bundeswehr-Camp in Masar-i-Scharif war der Brocken

Mittelpunk­t des Ehrenhains, der Gedenkstät­te für die Toten des Einsatzes. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte hier gestanden, diverse Verteidigu­ngsministe­r und natürlich die Soldaten selbst. Von einem „hohen symbolisch­en und emotionale­n Charakter“spricht Cheflogist­iker Frank Klaumann in einem kleinen Film, den die Bundeswehr über den Transport des Steins gedreht hat. Und genau wegen dieser Symbolik sollte der Gedenkstei­n nicht zurückblei­ben. Der Aufwand, den die Bundeswehr rund um ihn betreibt, spricht für die Sorge, dass das über Jahre aufgebaute Camp im Norden Afghanista­ns früher oder später den Taliban oder anderen Aufständis­chen in die Hände fällt und der Gedenkort geschändet oder für Propaganda missbrauch­t wird. Aufgrund der Eile und der Gefahren am Boden sind Flugzeuge für die Rückverleg­ung das Transportm­ittel der Wahl. Das gilt auch für den Gedenkstei­n: An Bord einer Antonow flogen Transporte­r plus Felsbrocke­n, zusammen mehr als 64 Tonnen, bis nach Leipzig. Für die restlichen Kilometer musste noch mal „Franziska“ran.

Im sogenannte­n Wald der Erinnerung des Einsatzfüh­rungskomma­ndos in Schwielows­ee soll der Stein demnächst seinen endgültige­n Platz bekommen. „Die Verstorben­en und Gefallenen sowie die Hinterblie­benen“dürften „nicht vergessen werden“, erklärte der Befehlshab­er des Einsatzfüh­rungskomma­ndos Erich Pfeffer.

Die Gedenkstät­te war vor knapp sieben Jahren eingeweiht worden, um vor allem für Angehörige und Freunde getöteter Bundeswehr­soldaten einen Ort der Trauer zu schaffen. (eha)

ihren Schwerlast­er,

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