Der Preis des Klimaschutzes wird zum Wahlkampf-Thema
Parteien debattieren heftig über steigende Heizkosten und höhere Benzinpreise – Was auf die Verbraucher zukommen könnte
BERLIN (dpa) - Wenige Monate vor den Bundestagswahlen ist eine Debatte über die künftige Energiepolitik entbrannt. Über Fronleichnam standen zwei Themen im Fokus: die Benzinpreise und die Heizkosten. Im Kern geht es um die Frage, wer für mehr Klimaschutz zahlen soll. Diesen hat die Bundesregierung zwar beschlossen, doch Weg und Kosten sind noch umstritten. Ein Überblick.
Heizkosten-Debatte
Auf Mieterinnen und Mieter könnten deutliche Mehrkosten zukommen. Grund ist ein Streit in der schwarz-roten Koalition um den Heizkostenaufschlag durch den neuen CO2-Preis. In der Unionsfraktion gibt es Widerstand gegen einen in der Regierung erzielten Kompromiss einer hälftigen Aufteilung zwischen Mietern und Vermietern. Der Koalitionspartner SPD wütet und spricht von einer Blockade.
Die Bundesregierung hatte sich eigentlich nach langem Ringen in ihrem „Klimapakt“Mitte Mai auf den Kompromiss geeinigt, dass die Kosten des CO2-Preises zu 50 Prozent von Mietern und Vermietern getragen werden. Der CO2-Preis in Höhe von aktuell 25 Euro pro Tonne CO2 verteuert seit Jahresbeginn fossile Energieträger, der Preis steigt in den kommenden Jahren schrittweise. Nach der bisher geltenden Regelung können Vermieter die Zusatzkosten gänzlich auf Mieter umlegen.
Doch CDU und CSU wehren sich dagegen. „Die hälftige Umwälzung der CO2-Verbrauchskosten auf die Vermieter stellt einen fundamentalen Bruch des Verursacherprinzips dar“, sagte etwa der Sprecher der Unionsfraktion für Recht und Verbraucherschutz, Jan-Marco Luczak. „Vermieter haben auf das Verbrauchsverhalten von Mietern keinerlei Einfluss, sie sollen aber dennoch dafür zahlen.“
Die Aussagen verhinderten, dass die hälftige Aufteilung am Mittwoch im Kabinett beschlossen wurde. Ein Entwurf sah vor, dass die Regelungen ab Anfang 2022 und bis 2025 gelten sollten. Nun ist offen, ob es vor den Wahlen im Herbst noch zu einer Lösung kommt.
Der Deutsche Mieterbund warf der Unionsfraktion eine „Klientelpolitik zulasten von Mieter- und Klimaschutz“vor. Nur wenn Vermieter die Kosten für klimaschädliches CO2 tragen müssten, würden sie angehalten, in klimafreundliche Heizungsanlagen zu investieren, kommentierte Bundesdirektorin Melanie WeberMoritz. Ganz anders sieht das der Eigentümerverband Haus & Grund. Die SPD habe mit der Union die CO2Bepreisung in Gebäuden beschlossen. „Es ist billigster Wahlkampf, wenn die SPD jetzt die eigene Klientel auf Kosten der Vermieter von dieser Belastung teilweise ausnehmen will“, sagte Präsident Kai Warnecke.
Doch welche Kosten kämen auf Mieter zu? Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge müsste eine Familie mit einem Kind im Jahr 86,60 Euro mehr für Heizkosten ausgeben. Alleinstehende würden demnach mit 48,10 Euro jährlich belastet. Ähnlich sieht es das Vergleichsportal Check24, hier wird für das Jahr 2021 mit Mehrkosten von 87,83 Euro bei Familien in einer Mietwohnung gerechnet und mit 39,41 Euro für Singles. Laut dem vom Bundesumweltministerium geförderten Onlineportal „Heizspiegel“liegen die mittleren Heizkosten einer mit Öl geheizten, 70 Quadratmeter großen Wohnung bei 855 Euro im Jahr. Dies entspräche 3,46 Tonnen CO2 und damit ebenfalls rund 87 Euro an Mehrkosten. Wie Steffen Suttner von Check24 erläutert, liegen die Mehrkosten einer Gasheizung leicht niedriger.
Benzinpreis-Streit
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock tritt für eine Benzinpreis-Erhöhung von 16 Cent ein – gemäß dem Programmentwurf ihrer Partei. Ein Teil davon sei schon erfolgt: „Sechs Cent Preiserhöhung gab es jetzt zum Jahresbeginn, weil erstmalig auch ein CO2-Preis auf Benzin eingeführt worden ist. Wir sagen, dass das schrittweise weiter angehoben werden muss auf die 16 Cent, die (ihr Co-Vorsitzender, Anm. d. Red.) Robert Habeck erwähnt hat“, so Baerbock. Dafür wurde sie bereits von mehreren Seiten kritisiert, unter anderem von den Linken, der SPD und der CSU. Baerbock konterte: „Naja, das zeugt schon von einer besonderen Form der Selbstvergessenheit in der Regierungskoalition.“Diese habe einen CO2-Preis selbst eingeführt und gerade die Klimaziele geschärft – „beides zu recht“. Dann müsse man aber auch zu den eigenen Beschlüssen stehen und sie umsetzen. „Wir sagen, der CO2-Preis muss weiter steigen, um Klimaschutzinnovationen weiter anzureizen – das macht beim Benzin bei 60 Euro dann noch mal zehn Cent aus.“
Hintergrund: Die schwarz-rote Bundesregierung mit den Ministern Olaf Scholz (SPD) und Andreas Scheuer (CSU) hatte als zentrale Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel eine CO2-Bepreisung auch im Verkehr und bei Gebäuden eingeführt. Zu Jahresbeginn startete ein fixer CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne.
Das Ziel ist es, fossile Brenn- und Kraftstoffe weniger attraktiv zu machen und zum Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen anzuregen. Der CO2-Preis bedeutet: Sprit, Heizöl und Erdgas werden teurer.
Die Bundesregierung hat den Aufschlag auch konkret benannt. Wie es etwa in der Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage heißt, bedeutet ein CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne einen Aufschlag von 7 Cent pro Liter Benzin und von 7,9 Cent pro Liter Diesel. Wie viel Diesel und Benzin an den Tankstellen kosten, hängt neben staatlich verordneten Zuschlägen stark von den Rohölpreisen ab. Nach den bisherigen Planungen soll der CO2-Preis bis zum Jahr 2025 auf 55 Euro steigen. Laut den Berechnungen würde das einen Aufschlag bedeuten beim Liter Benzin von mindestens 15,5 Cent und beim Liter Diesel von mindestens 17,4 Cent.
Hier setzt die aktuelle Debatte an. Als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, einschneidende Schritte zur Senkung des CO2Ausstoßes nicht zulasten der jungen Generation auf die lange Bank zu schieben, will die Bundesregierung die Klimaziele anheben. Nur: Wie soll das erreicht werden? Soll der CO2-Preise schneller stärker steigen?
Die Grünen haben ihre Karten auf den Tisch gelegt: Der CO2-Preis soll schneller steigen – und damit der Sprit schneller teurer werden. Damit Klimaschutz sozial gerecht sei, sollten die staatlichen Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger zurückgegeben werden. Dazu streben die Grünen ein „Energiegeld“an, das jeder Bürger erhalten soll. Auch die Bundesregierung hatte im Zuge der CO2-Bepreisung Entlastungen beschlossen: Die EEG-Umlage sank mit Milliardenmitteln aus dem Bundesetat, außerdem gibt es Entlastungen bei der Pendlerpauschale für Arbeitnehmer mit längeren Fahrwegen.