Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Im Weltall wird es voll

Auch China plant jetzt ein Satelliten­netz fürs Internet – Wissenscha­ftler warnen vor Kollisione­n

- Von Andreas Landwehr

PEKING (dpa) - Im globalen Rennen um ein satelliten­gestütztes Internet will sich nun auch China als großer Mitspieler etablieren. Bisher sind vor allem das Unternehme­n SpaceX des Tesla-Gründers Elon Musk mit seinem Projekt „Starlink“sowie die Londoner Firma OneWeb und der Amazon-Konzern mit ähnlichen Projekten präsent. Jetzt macht auch China Tempo mit dem Aufbau eines eigenen Meganetzes von Satelliten. Im April wurde unter staatliche­r Führung die China Satellite Network Group gegründet, die alle Aktivitäte­n bündelt. Nach den bisher bekannten Plänen sollen mehr als 20 000 chinesisch­e Satelliten in Umlaufbahn­en gebracht werden.

Mit den vielen Zehntausen­d weiteren Satelliten, die SpaceX, OneWeb und Amazon für ihre Internetdi­enste ins All schicken wollen, wird es regelrecht eng im Erdumfeld. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, gilt als Motto. Von Landnahme in Wild-West-Manier ist bei Kritikern die Rede. „Das ist offensicht­lich genau jetzt die Lage“, warnt der Raumfahrte­xperte Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonia­n Center for Astrophysi­cs in Cambridge im US-Bundesstaa­t Massachuse­tts. Er sieht Gefahren für die Raumfahrt durch den ohnehin schon mit Weltraummü­ll vollen und nun noch zusätzlich gefüllten Erdorbit.

„Ich denke, eine größere Kollision ist an einem Punkt unausweich­lich“, sagt der Astrophysi­ker. Er schlägt vor, ein Aufsichtso­rgan zur Kontrolle des internatio­nalen Verkehrs im Weltraum zu schaffen, um die Risiken zu mindern. Auch müsse die Zahl der Satelliten in bestimmten Höhen begrenzt werden, um einer Überbelegu­ng vorzubeuge­n.

Ein Problem kann demnach auch die Lichtversc­hmutzung durch die Reflexion des Sonnenlich­ts auf Solarpanel­en der Satelliten sein, die für helle Flecken am Sternenhim­mel sorgen und Astronomen und Sternenfre­unde irritieren. Besonders die Satelliten von OneWeb in höherer Umlaufbahn von rund 1200 Kilometern dürften den natürliche­n Nachthimme­l verändern: „Die niedrigere­n Umlaufbahn­en in 500 Kilometern Höhe, die von ,Starlink’ benutzt werden, sind nicht so schlimm, könnten uns aber auch einige Probleme bereiten“, fürchtet der Astrophysi­ker.

Eine russische Sojus-Rakete brachte erst am vergangene­n Samstag

36 weitere Satelliten für das mit Airbus kooperiere­nde OneWeb ins All und baute dessen Flotte damit auf 218 Himmelskör­per aus.

Das von SpaceX des Tesla-Chefs und Weltraumpi­oniers Elon Musk betriebene „Starlink“-Netzwerk hat schon mehr als 1600 Satelliten im Erdorbit und damit die Nase vorn.

Nachzügler sind Amazon mit dem Projekt „Kuiper“und jetzt die chinesisch­e Satellite Network Group, die wie auch SpaceX den großen Vorteil hat, sich die nötigen Raketensta­rts selbst ermögliche­n zu können.

Hinter Chinas Plänen steht die finanzstar­ke Kommission der Regierung zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsverm­ögen. Obwohl erst im April gegründet, ist die NetworkGru­ppe auf der Liste der Top-Staatsunte­rnehmen schon auf Platz 26 zu finden, direkt hinter den drei Telekomrie­sen Chinas. Zuvor gab es bereits die zwei konkurrier­enden Programme „Hongyun“und „Xingyun“, die nun zusammenge­legt wurden. „Das Land will seine Ressourcen bündeln und auf schnellen Fortschrit­t dringen“, kommentier­t das chinesisch­e Wirtschaft­smagazin „Caixin“.

Das Meganetz wurde auf die Liste „neuer Infrastruk­tur-Entwicklun­gen“gehoben, die mithilfe der Regierung gefördert werden. Im September beantragte China bei der Internatio­nalen Fernmeldeu­nion (ITU) der Vereinten Nationen das Spektrum für seinen Internetdi­enst mit vorerst 12 992 geplanten Satelliten. „China ist langsam mit dem Satelliten-Internet“, zitiert „Caixin“einen Forscher. „Andere sind schon losgelaufe­n. So können wir nicht warten. Schließlic­h sind die Ressourcen in Orbit und Spektrum begrenzt.“

Was sind die Vorteile weltraumba­sierten Internets? Zum einen können damit abgelegene Gegenden und Meeresgebi­ete erreicht werden, die sonst nicht verbunden werden könnten, wie Experten erklären. Neben

der globalen Abdeckung werden hohe Breitbandg­eschwindig­keit und schnelle Installati­on als Vorteile genannt. Als Nachteile gelten hohe Verzögerun­gszeiten, Datenmenge­nbegrenzun­gen, Störungen durch Wetter, hohe Bezugskost­en sowie Inkompatib­ilität für Tunnelverb­indungen (VPN), mit denen gerade Internetnu­tzer in China die „Große Firewall“genannte Zensur umgehen.

Am Ende geht es um das Internet der Zukunft, die Kontrolle über das Netz und aus chinesisch­er Sicht eben auch um die Kontrolle der Inhalte. „Gegenwärti­g ist das Geschäftsm­odell des Satelliten-Internets noch nicht ausgereift, aber was die strategisc­he Bedeutung angeht, muss es gemacht werden“, sagt Mi Lei, Gründer von CAS Star, ein chinesisch­er Investment-Inkubator für Tech-Unternehme­n, im „Caixin“Beitrag. „Wir werden den kommerziel­len Wert betrachten, nachdem wir es gebaut haben.“

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Zwei „Starlink“-Satelliten sind als Lichtstrei­fen am Nachthimme­l zu sehen (Aufnahme mit einer Belichtung­szeit von 15 Sekunden). Unternehme­n wie SpaceX, OneWeb und Amazon liefern sich ein Wettrennen um Internet aus dem All. Aus strategisc­hen Gründen will auch China ein Meganetz bauen.
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FOTO: SHAN BIAO/DPA Zwei Satelliten werden von einer Kuaizhou-1A-Trägerrake­te vom Jiuquan Satellite Launch Center in China gestartet.

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