Tag der Teignuss
Schon im Elternhaus hing ein Unser-täglich-Brot-Abreißkalender an der Wand, und dieser guten Tradition blieben wir einfach treu. Bibelworte sowie Impulse großer Denker aus Kirche, Philosophie, Wissenschaft und Politik – ein kurzer geistiger Kick am Morgen kann nie schaden. Namenstage sind ebenfalls vermerkt. Am heutigen 4. Juni stehen da Klothilde, Christa, Quirin sowie Werner. Nebenbei bemerkt, weil es für Oberschwaben nicht ohne Bedeutung ist: Jener Werner war ein Benediktinermönch aus dem Schwarzwaldkloster St. Blasien, der dann der erste Abt des 1093 von dort aus gegründeten Kloster Wiblingen bei Ulm wurde.
Da es in der Kirche aber an Heiligen und Seligen nicht mangelt, finden sich auf den verschiedenen Listen von Gedenktagen noch etliche andere Namen, die man mit dem 4. Juni in Verbindung bringt: Petroc, Vedastus, Pacificus, Prokopius, Ositha, Elfgiva, Triphonia, Vincenza … Dabei fällt eines sofort auf: Für die heutige Namensgebung spielen solche Namen keine Rolle mehr, was einen auch nicht wundernimmt. Allenfalls Werner und Christa werden hin und wieder noch gewählt, aber rangieren doch auf Plätzen jenseits der 100 gegenüber den Topstars auf dem Standesamt wie Noah, Leon, Paul, Matteo und Ben oder Emilia, Hannah, Emma, Sophia und Mia.
Mit irgendeinem Datum werden solche Modenamen logischerweise nicht mehr in Verbindung gebracht. Heilige dienen nur noch sehr selten als Patrone, und Namenstage werden immer weniger gefeiert. Dafür gibt es andere Präferenzen. Der moderne Abreißkalender ist das Internet, und da steht dann zu lesen, was der Mensch von Welt an einem bestimmten Tag feiert. Schauen wir uns das Angebot für den heutigen 4. Juni an: Durchaus seriös ist seine Ernennung zum Tag der Nachhaltigkeit, denn da geht es immerhin um die sinnvolle Nutzung unserer Ressourcen. Verirrt man sich allerdings auf die Homepage www.kuriose-feiertage.de, so sträuben sich einem die Haare: Tag des Cognacs (National Cognac Day), Tag des Einkaufswagens (Shopping Cart Day), Tag des Käses (National Cheese Day), Tag der Schneider (National Tailors
Day), Tag des Donut (National Donut Day) und schließlich UmarmeDeine-Katze-Tag (Hug Your Cat Day). Zwar sind diese US-Gedenktage hierzulande noch nicht eingeführt, aber bei der wachsenden Vorliebe für den American way of life dürfte das nur eine Frage der Zeit sein.
Donut ist übrigens ein recht interessantes Wort. Donut schreiben die Amerikaner, in England aber hat dieses Wort für einen pappsüßen Berliner oder klebrig-glasierten Kringel seine ursprüngliche Form doughnut bewahrt, wörtlich übersetzt Teignuss.
Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Dieses gh steht dabei für einen schon seit Jahrhunderten im Englischen nicht mehr gesprochenen /ch/-Laut,
der bei uns noch anklingt, wenn Norddeutsche das Wort /Teig/ wie /Teich/ aussprechen. Und wenn wir schon bei der Buchstabenfolge ough
sind: Ob dough (Teig), cough (husten), hiccough (Schluckauf), brought (brachte), plough (Pflug), thorough (gründlich) oder through (durch), überall findet sich dieses ough – und jedes Mal wird es anders ausgesprochen.
Bis 1990 bei uns noch eher unbekannt, gilt der Doughnut/Donut mittlerweile als gängige Backware. Als Vorname ist er allerdings bislang noch nicht aufgetaucht – im Gegensatz zu Döner, so heißen manche Jungen schon. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.