Der unheilige Krieg
Joseph Croitoru über den Kampf um Jerusalems heilige Stätten
● ört es denn nie auf? Nachrichten über Raketenangriffe der Hamas auf Israel und Bombardierungen der Palästinensergebiete durch die israelische Armee dominieren zurzeit die Nachrichten. Man nennt es euphemistisch den „Nahost-Konflikt“, der wieder einmal „aufgeflammt“sei. In Wirklichkeit aber ist es ein Krieg. Den heiligen Stätten in Jerusalem kommt in der ideologischen Begründung eine zentrale Rolle zu. Sie werden von allen Seiten propagandistisch instrumentalisiert.
Gemeint ist ein Bezirk in Ostjerusalem, den die Juden Tempelberg und die Muslime Al-Aqsa, (Die ferne Kultstätte) nennen. Der Historiker und Journalist Joseph Croitoru, der auch Mitarbeiter der „Schwäbischen Zeitung“ist, hat sich in seinem neuen Buch diesem ideologisch kontaminierten Gelände gewidmet. In „AlAqsa oder Tempelberg“stellt er auf über 300 Seiten dar, wie religiöse und politische Gruppierungen auf israelischer wie palästinensischer Seite den Streit über den Zugang zu den von ihnen als heilig angesehenen Stätten immer wieder zum Anlass für blutige Auseinandersetzungen nehmen.
Sehr detailliert schildert Croitoru, der in Haifa geboren ist und heute in Freiburg lebt, wie nationalreligiöse
HJuden um das Recht streiten, nicht nur an der Klagemauer, sondern direkt im Areal von Felsendom und AlAqsa-Moschee beten zu dürfen und wie die Vertreter der Muslime genau dies unterbinden wollen.
Der Ort ist ein Symbol. Im Sechstagekrieg von 1967 fand Verteidigungsminister
Moshe Dayan die Jerusalemer Altstadt zunächst strategisch nicht besonders wichtig. „Wozu brauchen wir diesen ganzen Vatikan?“, soll er den Oberkommandierenden gefragt haben. Doch Dayan gab nach und ließ den Tempelberg erobern. Croitoru beschreibt, welch ungeheure Wirkung der Funkspruch über die Einnahme dieses Gebietes am 7. Juni 1967 in Israel hatte. Und dass die Israelis den Sieg nicht nur durch einen Schofar-blasenden Rabbi feierten, sondern auch gleich noch das an die Klagemauer angrenzende Maghrebiner-Viertel abreißen ließen. „Ein großes stinkendes Armenviertel“nannte es der damalige Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek.
Besonnenheit gab und gibt es auf beiden Seiten nicht. Der palästinensische Aufstand von 1987, die erste Intifada, war begleitet von Demonstrationen auf dem Moscheenareal. Die Friedensgespräche in Camp David im Jahr 2000 scheiterten auch an der Tempelberg-Frage, schreibt Croitoru. Und dann besucht Israels Ministerpräsident Ariel Scharon am 28. September 2000 in Begleitung von 1000 (!) Leuten den Tempelberg. Eine Provokation mit Ansage. Die bereits angekündigte zweite Intifada sollte als Al-Aqsa-Intifada in die Geschichte eingehen. Wer darf die Kultstätte betreten? Und wer dort beten? Das sind bis heute Streitpunkte in diesem unendlichen Konflikt.