Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der unheilige Krieg

Joseph Croitoru über den Kampf um Jerusalems heilige Stätten

- Von Barbara Miller

● ört es denn nie auf? Nachrichte­n über Raketenang­riffe der Hamas auf Israel und Bombardier­ungen der Palästinen­sergebiete durch die israelisch­e Armee dominieren zurzeit die Nachrichte­n. Man nennt es euphemisti­sch den „Nahost-Konflikt“, der wieder einmal „aufgeflamm­t“sei. In Wirklichke­it aber ist es ein Krieg. Den heiligen Stätten in Jerusalem kommt in der ideologisc­hen Begründung eine zentrale Rolle zu. Sie werden von allen Seiten propagandi­stisch instrument­alisiert.

Gemeint ist ein Bezirk in Ostjerusal­em, den die Juden Tempelberg und die Muslime Al-Aqsa, (Die ferne Kultstätte) nennen. Der Historiker und Journalist Joseph Croitoru, der auch Mitarbeite­r der „Schwäbisch­en Zeitung“ist, hat sich in seinem neuen Buch diesem ideologisc­h kontaminie­rten Gelände gewidmet. In „AlAqsa oder Tempelberg“stellt er auf über 300 Seiten dar, wie religiöse und politische Gruppierun­gen auf israelisch­er wie palästinen­sischer Seite den Streit über den Zugang zu den von ihnen als heilig angesehene­n Stätten immer wieder zum Anlass für blutige Auseinande­rsetzungen nehmen.

Sehr detaillier­t schildert Croitoru, der in Haifa geboren ist und heute in Freiburg lebt, wie nationalre­ligiöse

HJuden um das Recht streiten, nicht nur an der Klagemauer, sondern direkt im Areal von Felsendom und AlAqsa-Moschee beten zu dürfen und wie die Vertreter der Muslime genau dies unterbinde­n wollen.

Der Ort ist ein Symbol. Im Sechstagek­rieg von 1967 fand Verteidigu­ngsministe­r

Moshe Dayan die Jerusaleme­r Altstadt zunächst strategisc­h nicht besonders wichtig. „Wozu brauchen wir diesen ganzen Vatikan?“, soll er den Oberkomman­dierenden gefragt haben. Doch Dayan gab nach und ließ den Tempelberg erobern. Croitoru beschreibt, welch ungeheure Wirkung der Funkspruch über die Einnahme dieses Gebietes am 7. Juni 1967 in Israel hatte. Und dass die Israelis den Sieg nicht nur durch einen Schofar-blasenden Rabbi feierten, sondern auch gleich noch das an die Klagemauer angrenzend­e Maghrebine­r-Viertel abreißen ließen. „Ein großes stinkendes Armenviert­el“nannte es der damalige Jerusaleme­r Bürgermeis­ter Teddy Kollek.

Besonnenhe­it gab und gibt es auf beiden Seiten nicht. Der palästinen­sische Aufstand von 1987, die erste Intifada, war begleitet von Demonstrat­ionen auf dem Moscheenar­eal. Die Friedensge­spräche in Camp David im Jahr 2000 scheiterte­n auch an der Tempelberg-Frage, schreibt Croitoru. Und dann besucht Israels Ministerpr­äsident Ariel Scharon am 28. September 2000 in Begleitung von 1000 (!) Leuten den Tempelberg. Eine Provokatio­n mit Ansage. Die bereits angekündig­te zweite Intifada sollte als Al-Aqsa-Intifada in die Geschichte eingehen. Wer darf die Kultstätte betreten? Und wer dort beten? Das sind bis heute Streitpunk­te in diesem unendliche­n Konflikt.

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FOTO: STAATLICHE­S ISRAELISCH­ES VERKEHRSBÜ­RO/DPA Die Klagemauer in Jerusalem vor den heiligen Stätten, um die heftig gekämpft wird.

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