Bedrohte Insekten – auch in Oberschwaben
Neue Ausstellung „Bienen & Co.“im Museum widmet sich einer bedenklichen Entwicklung
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BIBERACH - Während alle Welt ihre Augen hauptsächlich auf die CoronaPandemie und deren Folgen blickt, ist ein anderes – möglicherweise noch größeres Problem – aus dem Fokus des öffentlichen Interesses verschwunden: das Insektensterben. „Bienen & Co.“, die neue Sonderausstellung des Museums Biberach, die bis zum Herbst zu sehen ist, lenkt den Blick auf einen Prozess, der sich vor unseren Augen und doch weitgehend unbemerkt vollzieht – und an dem die Landwirtschaft nicht unbeteiligt ist.
Museumsleiter Frank Brunecker drückt auf einen roten Knopf. Das Insektengesumme und Vogelzwitschern, das bis jetzt den Ausstellungsraum im Museum Biberach erfüllt hat, verstummt auf einen Schlag. „Jetzt hört man nur noch die Menschengeräusche“, sagt er. „So wird sich der stumme Frühling anhören, wenn das Insektensterben weitergeht.“Es ist eine von wenigen Stellen, in denen die Ausstellung „Bienen & Co.“so drastisch daherkommt. „Es ist in erster Linie eine familienfreundliche, farbenfrohe, informative Schau, die jedoch einen sehr ernsten Hintergrund hat“, sagt Brunecker, der die Ausstellung konzipiert hat.
Der Museumsleiter las 2018 die Studie von ehrenamtlichen Insektenkundlern des Entomologenvereins Krefeld. Diese sogenannte KrefeldStudie wies drastische Bestandseinbrüche bei Fluginsekten zwischen 1989 und 2016 in deutschen Schutzgebieten nach. „Ich habe verschiedene Experten gefragt, ob das auch für uns in Oberschwaben gilt und alle haben es bejaht“, so Brunecker. „Das Problem ist nur: Man sieht es nicht.“
Informationen in Blumenform Weil er aber keine Ausstellung mit dem Titel „Die Insekten sterben“machen wollte, sei es zu „Bienen & Co.“gekommen. „Insekten stellen den mit Abstand größten Anteil aller Tiere dieser Erde dar“, sagt Brunecker. „Sie sind systemrelevant, um diesen etwas abgedroschenen Begriff zu benutzen. Wenn die Insekten verschwinden, gerät etwas ins Wanken.“Auf einer bunten Wiese mit Informationen in Blumenform nähert sich der Besucher in der Ausstellung der Insektenwelt. „Insekten, die wir oft nur als Plagegeister wahrnehmen, vollbringen unglaubliche Leistungen“, erläutert der Museumsleiter. So erfährt man auf der Blumenwiese, ob Bienen Farben sehen, dass das gefährlichste Tier der Welt ein Insekt ist und auch, was Wespen mit der Art und Weise zu tun haben, wie Papier hergestellt wird.
Neben den Honigbienen kommen in Deutschland rund 560 Arten von Wildbienen vor, die wichtig für die Befruchtung unserer Nutzpflanzen sind. Ohne sie gäbe es viele der bekannten Obstsorten nicht mehr.
Rund 52 Prozent dieser Bienenarten sind allerdings gefährdet, genauso wie viele weitere Insektenarten auch.
„Hauptursache dafür ist die Verarmung unserer Landschaft“, sagt Brunecker. So seien viele der landwirtschaftlichen Flächen Monokulturen, außerdem habe die Flurbereinigung und damit das Zusammenlegen von Äckern und Feldern zu großen Flächen
zum Wegfall der Feldraine geführt, die Lebensraum für viele Insekten boten. Die Ausstellung zeigt dies anhand von Fotos auf, die Brunecker selbst gemacht hat, aber auch mit einem Gemälde des Biberacher Malers Jakob Bräckle aus den 60er-Jahren, der darauf klar gegliederte, aufgeräumte, großformatige Grünflächen darstellt.
Frank Brunecker legt allerdings
Wert darauf, dass die Ausstellung keine Schuldzuweisung an die Landwirtschaft ist. „Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hin zu immer größeren Betrieben und Flächen ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen, europaweiten Agrarpolitik. Wir sind dafür als Verbraucher alle mitverantwortlich.“Auf großen Schautafeln stellen sich sieben landwirtschaftliche Betriebe vor – vom Biohof bis zum konventionellen Großbetrieb. „Wir haben darüber im Vorfeld mit dem Bauernverband gesprochen, wer dafür in Frage käme“, sagt Frank Brunecker, „einige waren skeptisch, nicht alle wollten mitmachen.“Sobald im Museum wieder Veranstaltungen erlaubt sind, möchte der Museumsleiter Landwirte einladen, die Besuchern ihre Höfe vorstellen, „und auch erläutern, unter welchem Druck sie stehen“.
„Wenn die Insekten verschwinden, gerät etwas ins Wanken.“Frank Brunecker, Leiter des Museums Biberach
Bienenvolk bei der Arbeit
Einen ganz kleinen Anfang macht auch die Ausstellung selbst. Zusammen mit den Kreisimkern können die Besucher am Ende ein Bienenvolk bei der Arbeit beobachten. Ein Plexiglastunnel, der zu einem Fenster des Ausstellungsraums führt dient den Bienen dabei als Ein- und Ausflugschneise. Im Innenhof des Museums wurden von den Wilden Gärtnern des BUND in der Zwischenzeit einige Hochbeete aufgestellt, so dass die Bienen Pollen und Nektar quasi vor der Haustür sammeln können. „Das funktioniert richtig gut“, meint Brunecker, der hofft, dass die Besucher von den lebenden Exponaten genauso begeistert sind wie er selbst.
Besucht werden kann die Ausstellung derzeit nur nach Voranmeldung, Telefon 07351/51-331, E-Mail (museum@biberachriss.de) oder am Museumseingang. Nur Getestete, Geimpfte und Genesene dürfen eingelassen werden