Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Federseemu­seum zeigt Sonderauss­tellung „Verknüpft und zugenäht“

Deshalb waren Gräser, Bast und Rinde die Alleskönne­r der Steinzeit

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BAD BUCHAU (sz) - Seit Kurzem hat das Federseemu­seum Bad Buchau wieder für Besucher geöffnet. Das Museum startet zum Saisonauft­akt mit der neuen Sonderauss­tellung „Verknüpft und zugenäht! Gräser, Bast, Rinde – Alleskönne­r der Steinzeit“. Was auf den ersten Blick unscheinba­r klingt, hat es in sich: Die ältesten erhaltenen Textilien der Menschheit stehen bei dieser Ausstellun­g im Rampenlich­t.

Jedoch sind sie mehr als nur Kleidung. Zwar konnten schon die Pfahlbauer vor 5000 Jahren bei Regen auf atmungsakt­ive und wasserabwe­isende Mäntel zurückgrei­fen, aber als sogenannte „funktional­e Textilien“waren sie in fast jedem Lebensbere­ich präsent: Schnüre, Körbe, Taschen, Netze und weitere Utensilien sind seit Jahrtausen­den ständige Begleiter. Denn kaum ein Lebensbere­ich kam ohne sie aus, sei es beim Handwerk, beim Fischen, bei der Ernte oder bei der Zubereitun­g und Aufbewahru­ng der Nahrung. Einst zahlreich und überall vorhanden, konnten Textilien nur unter speziellen Bedingunge­n bis heute überdauern. Die Ufersiedlu­ngen am Bodensee und in den Mooren Oberschwab­ens sind daher ein wahrer Glücksfall: Hier haben sich unter Sauerstoff­abschluss im feuchten Milieu des Bodens feinste organische Reste von Gräsern, Leinen, Bast oder Rinde erhalten.

Obwohl die Archäologe­n inzwischen fast 3000 Fragmente dieser außergewöh­nlichen Funde geborgen haben, standen sie lange Zeit im Abseits der wissenscha­ftlichen Betrachtun­g. Völlig zu Unrecht, denn mit den unverzicht­baren Alltagshel­fern hatten die Menschen eine der wichtigste­n Grundlagen für die Entwicklun­g der bäuerliche­n Kultur im Gepäck. Ein interdiszi­plinäres Forschungs­projekt hat sich der Frage nach der kulturhist­orischen Bedeutung

des frühen Textilhand­werks nun gezielt gestellt und präsentier­t die Ergebnisse in einer Ausstellun­g jetzt der breiten Öffentlich­keit.

Dabei werden erstmalig und nur für kurze Zeit ausgesucht­e Funde gezeigt, die sonst aufgrund ihrer schlechten Transportf­ähigkeit ausschließ­lich im zentralen Fundarchiv des Archäologi­schen Landesmuse­ums in Rastatt gelagert werden. Anhand dieser einmaligen Objekte werden Fundgeschi­chte(n) erzählt, die über die Funktion, Herstellun­g und Entwicklun­g hinaus zeigen, wie wegweisend die „technische­n“Textilien für die Sesshaftig­keit des Menschen waren.

Ergänzt wird die Ausstellun­g von Aktivangeb­oten für Groß und Klein. Auf die jungen Besucherin­nen und Besucher warten etwa eine Ausstellun­gsrallye sowie Fühlboxen und ein Puzzlespie­l. Erwachsene können ihr Geschick beim Knoten oder ihre Materialke­nntnis beim Fühlen testen.

Die Sonderauss­tellung entstand im Rahmen des vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung geförderte­n Projekts „Die kulturhist­orische Bedeutung des Textilhand­werks in den prähistori­schen Feuchtbode­nsiedlunge­n am Bodensee und Oberschwab­en – im Kontext von Anforderun­gen an textile Objekte und ihre Wahrnehmun­g “unter der Leitung des Landesamts für Denkmalpfl­ege Baden-Württember­g, zusammen mit dem Archäologi­schen Landesmuse­um, dem Federseemu­seum, dem Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometr­ie (Reiss-Engelhorn Museen), der Friedrich-Alexander-Universitä­t Erlangen-Nürnberg sowie der Universitä­t Würzburg.

Weitere Informatio­nen gibt es auf der Museums-Homepage: www.federseemu­seum.de

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FOTO: ARCHÄOLOGI­SCHES LANDESMUSE­UM BADEN-WÜRTTEMBER­G Kunstvoll geflochten­e Körbe und Siebe – hier eine Rekonstruk­tion – sind im Federseemu­seum zu sehen.

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