Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Es ist nicht undemokrat­isch, wenn man völkische Politik ausschließ­t“

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- CDU vorn, AfD knapp dahinter, Grüne verbessert, dann SPD und Linke, bei je um die zehn Prozent, und die FDP wieder drin im Landtag. So könnte der Wahlausgan­g am Sonntag sein. Muss aber nicht. In Sachsen-Anhalt haben Überraschu­ngen am Wahlabend Tradition. Bundespoli­tisch liegt das Augenmerk vor allem auf der Frage, wie stark die AfD wird – und welche Machtoptio­nen abseits der Rechtspopu­listen der bislang regierende CDU-Ministerpr­äsident Reiner Haseloff überhaupt hat.

„Corona überlagert alles. Aber je besser es mit dem Impfen klappt, desto besser für uns alle.“So sieht es Anna Kreye, Vorsitzend­e der Jungen Union in Sachsen-Anhalt und Mitglied im Bundesvors­tand der CDU. Tatsächlic­h scheint die gebrochene dritte Corona-Welle vor allem den Christdemo­kraten zu nutzen. Eine der letzten beiden Umfragen sah die CDU deutlich vor der AfD. Mögen im Bund die Grünen Hauptkonku­rrenten der Union sein, in SachsenAnh­alt heißt der wichtigste Gegner AfD. Beim Namen genannt wird die Konkurrenz von rechts im Wahlaufruf der CDU-Bundespitz­e nicht, die Botschaft ist auch so deutlich: „Nur wer CDU wählt, garantiert, dass nicht Rechtspopu­listen auf Platz eins liegen“, heißt es da.

Bei der anderen Umfrage, die am Freitag veröffentl­icht wurde, ist die AfD dagegen dicht hinter der CDU. Was geschieht also, wenn eine Fortsetzun­g der Kenia-Koalition aus Union, SPD und Grünen unmöglich wird? „Es wird keine Zusammenar­beit mit der AfD und den Linken geben. Dafür stehen der Ministerpr­äsident, der Landespart­eivorsitze­nde und auch ich“, sagt Kreye.

Doch die bisherigen Koalitions­partner sind misstrauis­ch. „Die CDU war in der Vergangenh­eit immer wieder unzuverläs­sig“sagt der grüne Landesvors­itzende Sebastian Striegel. „Starke Kräfte in der Fraktion suchen die Zusammenar­beit mit der AfD.“Katja Pähle, Spitzenkan­didatin der SPD, stößt in dasselbe Horn: „Die ablehnende Haltung, die Reiner Haseloff zur AfD bekundet, ist glaubhaft.“Aber Pähle erinnerte auch daran, dass „Haseloff vor gerade einmal einem halben Jahr seinen Innenminis­ter Holger Stahlknech­t entlassen musste, weil der eine von der AfD tolerierte Minderheit­sregierung propagiert hatte“. Auch die Denkschrif­t

Der Journalist und Buchautor Michael Kraske (Foto: PR) lebt in Leipzig und schreibt über Ostdeutsch­land, Rechtsextr­emismus und die AfD.

Im Gespräch mit Dominik Guggemoos blickt er auch auf die Stärke der AfD im Osten.

In Ihrem Buch „Tatworte“analysiere­n Sie, wie die AfD gezielt Sprachcode­s einsetzt. In SachsenAnh­alt sind die Rundfunkge­bühren ein großes Thema. Wofür steht der Begriff im AfD-Sprech? Für den Ausdruck „Lückenpres­se“. Die AfD will die Öffentlich-Rechtliche­n auf strikte Neutralitä­t festlegen. Kritischer Journalism­us wird von ihr bekämpft.

Die AfD hofft, als stärkste Fraktion in den Landtag einzuziehe­n. Hält dann bei der CDU die Brandmauer, die Parteichef Armin Laschet ausgerufen hat?

Es gibt schon seit geraumer Zeit Stimmen in der ostdeutsch­en CDU, die sagen, dass man ein Viertel der Wählerscha­ft nicht ausschließ­en dürfe. Dahinter steckt ein Missverstä­ndnis. Es ist nicht undemokrat­isch, wenn man völkische und nationalis­tische Politik ausschließ­t.

Es gibt ja auch einen Beschluss der Partei, der eine Zusammenar­beit ausschließ­t.

Auf kommunaler Ebene kommt es trotzdem immer wieder dazu, dass gemeinsam mit der AfD abgestimmt wird. Es ist nicht wahrschein­lich, dass der Landesverb­and ein Bündnis ausloten wird. Aber falls die AfD stärkste Kraft wird, ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass sich rechtskons­ervative Kräfte in der Landes-CDU durchsetze­n werden.

Warum erreicht die AfD in Ostdeutsch­land so gute Wahlergebn­isse?

Zahlreiche Studien belegen eindeutig, dass die AfD mittlerwei­le nicht trotz, sondern wegen ihrer Radikalitä­t gewählt wird. Mehr als die Hälfte der AfD-Anhänger teilt manifeste oder latente rechtsextr­eme Einstellun­gen.

Hat der Ostbeauftr­agte Marco Wanderwitz also recht in seiner Analyse, es gebe im Osten eine verfestigt­e, nichtdemok­ratische Protestwäh­lerkliente­l?

Er hat das Problem im Kern realistisc­h beschriebe­n. Auch bei rechter Gewalt liegen ostdeutsch­e Bundesländ­er prozentual zum Bevölkerun­gsanteil seit langem vorn – mit Sachsen-Anhalt in der Spitzengru­ppe.

Wie dominant ist der rechtsextr­eme Flügel in Sachsen-Anhalt? Der Landesverb­and ist ganz deutlich ein sehr radikaler. Das kommt auch im Wahlprogra­mm zum Ausdruck. Dort wird ein eindeutig völkisches Gesellscha­ftsmodell propagiert.

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