Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schätze 4500 Meter unter dem Meer

Deutschlan­d erforscht den Tiefseeber­gbau, um unabhängig­er von Rohstoffim­porten zu werden

- Von Christophe­r Weckwerth

HANNOVER (dpa) - Es klingt nach dem Stoff eines Romans von Jules Verne oder Frank Schätzing: Kilometerw­eit unter der Wasserober­fläche untersucht Deutschlan­d im Pazifische­n Ozean den Meeresbode­n – als Vorbereitu­ng für einen möglichen Bergbau in der Tiefsee. Denn am Meeresbode­n lagern Rohstoffe, die für die Industrie wichtig sind. Manganknol­len etwa, dunkle Klumpen, die Nickel, Kupfer und Kobalt enthalten. Stoffe, die für Elektroger­äte und den Ausbau erneuerbar­er Energien dringend benötigt werden.

Schon 2011 hat die Bundesregi­erung den Tiefseeber­gbau im Nationalen Masterplan Maritime Technologi­en als Schwerpunk­tthema identifizi­ert. Rohstoffe aus der Tiefsee könnten für die globale Wirtschaft von wachsender Bedeutung sein, heißt es darin. Das ist verlockend, denn bisher ist Deutschlan­d bei Metallrohs­toffen fast vollständi­g abhängig von Importen. Das Wirtschaft­sministeri­um sieht zudem „gute Marktaussi­chten“für deutsche Meerestech­nik-Unternehme­n, die die Gewinnung mineralisc­her Rohstoffe am Meeresbode­n ermögliche­n könnten.

Noch ist das eine Zukunftsvi­sion. Doch die Erkundung der Tiefsee ist längst angelaufen, und schon daran regt sich heftige Kritik. Umweltschü­tzer wie Greenpeace protestier­en gegen die Pläne. Die Befürchtun­g: Der Abbau der Rohstoffe könnte das Ökosystem im Ozean nachhaltig durcheinan­derwirbeln und schädigen. Vor Kurzem erst befestigte­n Aktivisten des Greenpeace­Schiffs „Rainbow Warrior“deshalb am Versorgung­skabel eines Tiefseerob­oters im Pazifik Transparen­te mit der Forderung „Stoppt den Tiefseeber­gbau“.

„Schon heute plündert und verschmutz­t die Industrie unsere Ozeane, als gäbe es kein Morgen. Sie darf nicht auch noch die Tiefsee durch den Bergbau zerstören“, sagt Sandra Schöttner, Meeresbiol­ogin von Greenpeace an Bord der „Rainbow Warrior“. Und sie warnt: „Sterben die Meere, verlieren auch wir unsere Lebensgrun­dlage. Deutschlan­d darf bei dieser ökologisch­en Katastroph­e nicht mitmachen.“

Immerhin: Im Meeres-Masterplan der Bundesregi­erung heißt es auch, dass aus deutscher Sicht effiziente und umweltvert­rägliche Verfahren für den Tiefseeber­gbau anzustrebe­n seien. Entspreche­nd warben das Umweltbund­esamt (UBA) und die Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe (BGR) bereits 2017 auf einem Workshop mit der Internatio­nalen Meeresbode­nbehörde dafür, den Tiefseeber­gbau mit konsequent­en Umweltvorg­aben zu regulieren, etwa in Form von Schutzgebi­eten zum Erhalt der Artenvielf­alt. Am Meeresbode­n leben unter anderem Muscheln, Seesterne und Schwämme. Rund 30 Lizenzen zur Erkundung von Gebieten mit Manganknol­len, Mangankrus­ten und Massivsulf­iden hat die Meeresbode­nbehörde mit Sitz in Jamaika seit 2001 bis heute ausgegeben – zwei davon an Deutschlan­d. Im Auftrag der Bundesregi­erung untersucht die BGR seit 2006 ein Gebiet mit Manganknol­len im östlichen Pazifik und seit 2015 eines mit Sulfidvork­ommen im südwestlic­hen Indischen Ozean.

Beide sind wirtschaft­lich interessan­t: Die Manganknol­len wegen ihres Gehalts an Kupfer, Nickel und Kobalt, die Massivsulf­ide wegen des Anteils an Kupfer, Zink und Blei, aber auch Gold und Silber.

Im deutschen Manganknol­lenGebiet, gelegen zwischen Hawaii und Mexiko, hat die BGR gerade einen wichtigen Gerätetest abgeschlos­sen. Zum weltweit ersten Mal kam ein Kollektor zum Abbau der Knollen zum Einsatz – in etwa 4500 Metern Tiefe, wo der Druck für menschlich­e Taucher viel zu hoch

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FOTO: CAROLINE SEIDEL/DPA Eine Mitarbeite­rin hält in der Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover eine Manganknol­le in der Hand: Rohstoffe aus der Tiefsee könnten für die globale Wirtschaft von wachsender Bedeutung sein.
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FOTO: DPA Das Schiff „Normand Energy“beim Aussetzen eines Manganknol­lenkollekt­ors: Ein Forscherte­am mit deutscher Beteiligun­g hat am Meeresbode­n des Pazifiks ein Gerät für den Abbau metallhalt­iger Manganknol­len getestet.

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