Blau auf jedem Dach
SPD sorgt mit Solarpflicht-Vorschlag für Unruhe
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BERLIN - Dass Deutschland seine Klimaziele verschärfen wird, ist beschlossene Sache. Mit welchen Maßnahmen die Anstrengungen gegen den Klimawandel aber erhöht werden sollen, darüber herrscht in Berlin nach wie vor Uneinigkeit. Während die SPD den Ausbau der erneuerbaren Energien stärker vorantreiben möchte, setzt die Union auf den CO2-Preis, der schneller erhöht werden müsse.
Wenig ist bisher allerdings von dem einzigen Bereich die Rede, der seine Klimavorgaben 2020 gerissen hat: dem Gebäudesektor. Dieser verfehlte sein Einsparziel um knapp zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid. Auch deswegen, weil viele Menschen pandemiebedingt im vergangenen Jahr öfter zu Hause waren als zuvor.
Bis Mitte des Monats muss Bauminister Horst Seehofer (CSU) deswegen gemeinsam mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein Sofortprogramm darüber vorlegen, wie die Emissionsziele in Zukunft eingehalten werden sollen.
Für Aufregung sorgt diesbezüglich nun der Entwurf eines Klima-Sofortprogramms, der momentan in Berlin kursiert und auch der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. In diesem ist zu lesen, dass „eine PV- bzw. Solarthermie-Installationspflicht für alle Neubauten und bei größeren Dachsanierungen eingeführt“werden soll – und zwar bundesweit. In manchen Ländern gibt es solche Pläne bereits, darunter Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg und
Schleswig-Holstein. In der Immobilienwirtschaft ist man dementsprechend in Alarmstimmung.
„Eine allgemeine Solarpflicht für alle Wohngebäude ist irrsinnig“, sagte Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands „Haus & Grund“, der „Schwäbischen Zeitung“. Ein Solardach sei nicht auf jedem Dach technisch sinnvoll. Bei vermieteten Mehrfamilienhäusern müsse zudem erst die Voraussetzung geschaffen werden, dass Vermieter den produzierten Strom auch unbürokratisch an ihre Mieter verkaufen könnten. Sein Fazit: Das Klimaschutzprogramm gehe an der Realität vorbei und „ist offensichtlich mit sehr heißer Nadel gestrickt worden“.
Tatsächlich scheint der Vorstoß auch nicht endgültig abgestimmt. So kommt das Papier offenbar nicht aus dem Bau-, sondern aus dem Finanzministerium von Olaf Scholz (SPD), das mit der Erstellung des Sofortprogramms beauftragt ist. Dementieren wollte das Vorhaben zwar niemand. Angesprochen auf den Vorschlag verströmte das Bauministerium am Freitag jedoch auch nicht gerade Begeisterung. Wohnen müsse bezahlbar bleiben, sagte ein Sprecher. „Das heißt, es darf jetzt keine Entscheidungen geben, die letztlich zulasten des Wohnungsbaus gehen.“Regierungssprecher Steffen Seibert räumte zwar ein, dass „alle wissen“, dass der Wärmebereich mehr zum Klimaschutz beitragen muss, weswegen das Sofortprogramm der Regierung auch Maßnahmen für den Gebäudebereich enthalten werde. Wie diese genau aussehen, könne man heute aber noch nicht sagen.