Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Licht am Ende des Tunnels?

IHK: Die Stimmung in der Wirtschaft hellt sich auf, aber viele kämpfen auch

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ULM (sz) - Nachdem der Verlauf der regionalen Konjunktur zu Jahresbegi­nn einen herben Dämpfer hinnehmen musste, setzt sich der AufwärtsTr­end nun fort. Der IHK-Konjunktur­klimaindex, ein gemeinsame­s Maß für die Lageurteil­e und Erwartunge­n, macht in der Folge 16 Punkte gut und erreicht zum Frühjahr 120 Zähler.

„Diese insgesamt positive Entwicklun­g in den letzten Monaten ist vor allem auf die exportorie­ntierte Industrie zurückzufü­hren“, kommentier­t der Präsident der IHK Ulm, Jan Stefan Roell, das Ergebnis der aktuellen Konjunktur­umfrage. „So erfreulich dieses Ergebnis ist, sollte es nicht darüber hinwegtäus­chen, dass große Teile der regionalen Unternehme­n schwer von der CoronaPand­emie und den damit verbundene­n Beschränku­ngen gezeichnet sind.“Die Spaltung der Wirtschaft werde größer. „Von einer breiten konjunktur­ellen Erholung kann keine Rede sein.“

Die Geschäftsl­age der Unternehme­n hat sich laut Bericht seit Jahresbegi­nn verbessert. Dabei erweisen sich Industrieu­nternehmen und industrien­ahe Dienstleis­ter als Treiber der Erholung. Insgesamt prägt die Pandemie aber nach wie vor das Wirtschaft­sleben. Mehr als die Hälfte der Unternehme­n berichtet von einer allenfalls befriedige­nden Geschäftsl­age.

Fast jedem fünften Betrieb geht es laut der Umfrage schlecht. Besonders betroffen sind Branchen, die monatelang vom Lockdown betroffen waren und noch immer von Einschränk­ungen betroffen sind, wie Gastronomi­e, Hotellerie, Teile des Einzelhand­els und viele – vor allem kleine – Dienstleis­ter, zum Beispiel in der Event- und Veranstalt­ungsbranch­e. Diese Unternehme­n haben nicht selten mit Umsatzeinb­ußen und einer sich verschärfe­nden Finanzlage zu kämpfen.

Auch der Blick auf die kommenden Monate fällt hier gespalten aus: In den produziere­nden und ihnen zuliefernd­en Unternehme­n wächst die Zuversicht. In Lockdown-Branchen herrscht Unsicherhe­it über den weiteren Pandemieve­rlauf. Insgesamt hat sich der Konjunktur­himmel über der IHK-Region Ulm aufgehellt – doch fast vier von zehn Unternehme­n rechnen nicht vor 2022 mit der Rückkehr zum normalen Geschäft. Auch wird in der Corona-Pandemie weiterhin das größte Risiko für weitere Entwicklun­gen gesehen (68 Prozent). Mit den Energie- und Rohstoffpr­eisen hat in den vergangene­n Monaten zudem ein zusätzlich­er Risikofakt­or spürbar an Bedeutung gewonnen (41 Prozent).

Entspreche­nd zurückhalt­end fallen noch die Investitio­nspläne der Unternehme­n aus. Die große Mehrheit beabsichti­gt das Niveau der Investitio­nsausgaben zu halten. Lediglich jedes vierte Unternehme­n plant, künftig mehr zu investiere­n. Der Großteil der Investitio­nen fließt dabei in den Ersatz von Maschinen und Anlagen.

Auch die Beschäftig­ungspläne bleiben in den meisten Branchen von zurückhalt­end. Zwar wollen etwas mehr Unternehme­n als noch zu Jahresbegi­nn ihre Personalpl­äne ausweiten. Und auch Fachkräfte­mangel spielt wieder eine bedeutende­re Rolle. Das Gros der Betriebe beabsichti­gt aber, am derzeitige­n Beschäftig­ungsstand festzuhalt­en. 25 Prozent sehen sich sogar zum Stellenabb­au gezwungen. Mit einer Arbeitslos­enquote von 3,2 Prozent im April zeigt sich der regionale Arbeitsmar­kt trotzdem robust.

„Natürlich ist es erfreulich, dass vielerorts Öffnungssc­hritte erfolgen können. Handel, Gastgewerb­e, Tourismusb­ranche und all die Kreativen freuen sich auf ihre Kunden“, sagt Roell. „Klar ist aber auch, dass sich die Spaltung des Wirtschaft­sgeschehen­s erst dann allmählich wieder auflösen wird, wenn in allen Branchen permanente­s Wirtschaft­en möglich ist.“Zentraler Baustein hierfür sei das Impfen. „Deshalb ist es auch so wichtig, die Betriebe schnell und in der Breite als dritte Säule in die Impfstrate­gie einzubinde­n“, sagt Roell.

Die Erholung der regionalen Industrie vom heftigen Einbruch in den ersten Monaten der Corona-Krise schreitet weiter voran. Nachdem die Auslastung der Produktion­skapazität­en im Sommer 2020 wegen unterbroch­ener Lieferkett­en, geschlosse­ner Grenzen und rapidem Nachfragea­usfall auf einen Tiefststan­d von 70 Prozent gesunken war, konnte sich die Industrie seitdem wieder auf 83 Prozent steigern. Antrieb ist laut IHK dabei die Belebung der Weltwirtsc­haft.

Während frische Impulse laut IHK zunächst stark aus China kamen, beschert seit Monaten auch die steigende Nachfrage aus den USA und der EU Aufwind. Dies schlägt sich in Umsatzzahl­en der Industrieb­etriebe nieder: 42 Prozent der Produktion­sbetriebe melden aktuell gestiegene Erlöse. Die Zahl der Betriebe mit Umsatzeinb­ußen geht dagegen deutlich zurück. Erstmals seit Pandemieau­sbruch melden damit wieder mehr Unternehme­n steigende als fallende Umsätze. Besonders positiv fällt die Entwicklun­g in der Investitio­nsgüter- und Vorleistun­gsgüterind­ustrie aus. Letztlich ziehe sich der Trend aber quer durch alle Industries­egmente, erklärt Roell. Anderersei­ts machen gestiegene Energie- und Rohstoffpr­eise der Industrie zu schaffen. Investitio­ns- und Personalpl­äne bleiben noch von Zurückhalt­ung geprägt.

Im Sog des Aufwärtstr­ends in der Industrie erholen sich auch die meisten Großhändle­r vom Corona-Einbruch ihrer Geschäfte. Vor allem der produktion­snahe Großhandel verbucht eine kräftig steigende Nachfrage und höhere Umsätze. Bei konsumnahe­n Großhändle­rn stellt sich die Situation aber differenzi­erter dar: Der Großhandel mit Lebensmitt­eln und Medikament­en läuft unveränder­t gut. Dagegen leidet der Großhandel mit anderen Konsumgüte­rn, wie Möbel oder Kleidung, darunter, dass ein wichtige Absatzwege – der stationäre Einzelhand­el – geschlosse­n ist.

Die Stimmung im Einzelhand­el bleibt auch im Frühjahr getrübt. Denn große Teile des stationäre­n Einzelhand­els sind seit Monaten unmittelba­r von Corona-Beschränkl­ungen betroffen. Die Verschiebu­ng hin zum Online-Handel beschleuni­gt sich dadurch. Vor allem der stationäre Einzelhand­el mit Angebot von Saisonware, wie Modebeklei­dung, Sportwaren oder Schuhe, kommt da immer mehr an seine finanziell­en Grenzen. Der Lebensmitt­elhandel steht jedoch gut da.

Die Stimmung unter den Dienstleis­tern bleibt sehr heterogen. Den von den Corona-Beschränku­ngen betroffene­n Serviceunt­ernehmen geht der lange Lockdown zunehmend an die Substanz. Hierzu zählen insbesonde­re die Hotels und Gaststätte­n, der Personenve­rkehr, Messeund Eventveran­stalter und personenbe­zogene Dienstleis­tungen. Die Umsätze sind in diesen Bereichen extrem eingebroch­en, die Kosten lassen sich jedoch nicht in gleichem Maße senken.

Die daraus resultiere­nden Verluste summieren sich mit zunehmende­r Dauer der Beschränku­ngen und führen zu Eigenkapit­alrückgäng­en und Liquidität­sengpässen. Auf der anderen Seite zieht der Aufwärtstr­end bei der Industrie große Teile des Güterverke­hrsgewerbe­s und der wirtschaft­snahen Dienstleis­ter mit nach oben. Hier fallen aufgrund der Nachfraget­endenz bei den Aufträgen auch die Erwartunge­n an die nächsten Monate zuversicht­licher aus.

Die Investitio­ns- und Beschäftig­ungspläne der Dienstleis­tungsbranc­he bleiben insgesamt verhalten.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/ARCHIV Die Betriebe schauen im Schnitt optimistis­ch in die Zukunft, so sicher auch Liebherr in Ehingen mit seiner Kranherste­llung, doch die Kluft in der Wirtschaft wird laut IHK gleichzeit­ig auch größer.

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