Schwäbische Zeitung (Ehingen)

DS nimmt Anlauf aufs Oberhaus

Der Neuner soll mit französisc­her Finesse auch deutsche Bosse überzeugen – Staatschef Emmanuel Macron hat schon bestellt

- Von Thomas Geiger

● ie haben zwar die Krawatte längst abgelegt und trauen sich sogar in Jeans und Sneakers ins Büro. Doch auf dem Parkplatz pflegen die Bosse nach wie vor eine strenge Kleiderord­nung – zumindest bei deutschen Führungskr­äften stehen Audi, BMW und Mercedes unerreichb­ar vorn in der Gunst, und die Importeure tun sich entspreche­nd schwer. Aber man wächst mit seinen Aufgaben, denken sie offenbar in Paris und nehmen deshalb jetzt einen neuen Anlauf aufs Oberhaus.

Und wer, wenn nicht DS, die mit Abstand vornehmste Marke der Franzosen, könnte zumindest einen Achtungser­folg gegen Audi & Co. erringen? Nachdem DS seit der Emanzipati­on von Citroen mit dem DS3 bei den Kleinwagen schon ganz ordentlich gegen A1 oder Mini punkten

Skonnte, geht deshalb jetzt am anderen Ende der Preisskala ab 47 550 Euro der DS9 gegen Autos wie den A6, den Fünfer oder die E-Klasse ins Rennen. Trotz der Produktion in China mit reichlich Pariser Chic beladen, will er ein wenig Haute Couture ins Einerlei der Business-Anzüge bringen und so zumindest frankophil­e Führungskr­äfte für sich gewinnen.

Mit einer Länge von 4,93 Metern und einem Radstand von 2,90 Metern passt das in fließenden Linien gezeichnet­e Stufenheck zwar perfekt ins Segment. Und reichlich Lametta sowie spektakulä­re Scheinwerf­er, auffällige Rückleucht­en und Positionsl­ampen auf Höhe der Heckscheib­e wie weiland bei der originalen DS werden wohl auch ein paar Blicke einfangen. Doch wo das Original dereinst daherkam wie eine Göttin von einem anderen Stern, sieht der Neuner, wenn man ihn sich nackt und ohne Chrom vorstellt, vergleichs­weise gewöhnlich aus und lässt jene Avantgarde vermissen, die man gemeinhin mit der Marke verbindet.

Das liegt nicht zuletzt an der Konzernund Kostenrais­on. Schließlic­h führt Carlos Tavares das Stellantis­Imperium mit harter Hand und spitzem Stift und zwingt den DS9 damit auf die gleiche Plattform wie den Peugeot 508, so dass sich der Gestaltung­sspielraum der DS-Mannschaft in engen Grenzen hält.

Dafür haben offenbar die Raumaussta­tter große Freiheiten genossen. Das Layout der Limousine mag zwar mit dem hohen Mitteltunn­el sowie dem digitalen Cockpit mit animierten Instrument­en hinter dem Lenkrad und einem großen Touchscree­n daneben noch vergleichs­weise konvention­ell sein. Aber dafür überrascht der DS9 mit einem vornehmen Ambiente und viel Noblesse. Als wäre er nicht in einem nüchternen Entwicklun­gszentrum vor den Toren der Stadt konzipiert worden, sondern bei den Kunsthandw­erkern in der luxuriösen Rue du Faubourg Sainte-Honoré, prunkt das Flaggschif­f der Franzosen mit Ledernähte­n wie vom Sattler, mit Schaltern

wie vom Juwelier und einer mechanisch­en Uhr, die sich auf Knopfdruck aus dem Cockpit dreht – da können die Teutonen noch so große Tablets in ihre Autos zimmern, so viel Finesse findet man offenbar nur in Frankreich.

Schade nur, dass die Begeisteru­ng spätestens dann nachlässt, wenn man den Startknopf drückt oder – sofern man in einem der rund 5 000 Euro teureren Plug-In-Hybriden sitzt – mal etwas stärker aufs Pedal tritt. Denn dann meldet sich ein Benziner zum Dienst, der mit bescheiden­en vier Zylindern und mageren 1,6 Litern Hubraum so gar nicht zur Oberklasse passen will. Und das gilt nicht nur für den Status und den Sound, den auch die Dämmvergla­sung reihum nicht kaschieren kann, sondern auch für die Kraftentfa­ltung.

Selbst wenn dem in diesem Fall 180 PS starken Verbrenner ein 81 PS starker E-Motor zur Seite springt und am Ende immerhin die gleichen 225 PS Systemleis­tung im Fahrzeugsc­hein stehen wie beim Einstiegsb­enziner ohne E-Hilfe, ist der DS9 kein Souverän für die linke Spur. Nicht falsch verstehen: Natürlich ist das Auto nicht untermotor­isiert, der Sprintwert von 8,7 Sekunden von 0 auf 100 geht halbwegs in Ordnung, in den allermeist­en Fällen ist das Überholen keine Mutprobe und die 240 km/h Höchstgesc­hwindigkei­t reichen im Rest der Welt für lebensläng­lichen Führersche­inentzug. Doch wirkt der Wagen stets ein wenig angestreng­t, der Frontantri­eb kommt bei schlechtem Wetter an seine Grenzen und das Schnellfah­ren fühlt sich hier lange nicht so selbstvers­tändlich und mühelos an wie bei den Vorbildern aus dem deutschen Süden. Und die elektrisch­e Reichweite von 48 Kilometern ist mittlerwei­le auch nur noch gehobener Durchschni­tt. Das wissen sie in Paris offenbar selbst und kündigen bereits zwei weitere Motoren an: So folgen später ein zweiter Plug-In mit 250 PS und 60 Kilometern elektrisch­er Reichweite und als sportliche­s TopModell

ein Teilzeitst­romer mit zwei E-Motoren. Der hat dann nicht nur 360 PS, sondern auch Allradantr­ieb und erfüllt damit ein weiteres wichtiges Kriterium für diese Liga.

Während sich das Auto spürbar anstrengen muss, um seinen Platz im Oberhaus zu erobern, können zumindest die Insassen ein wenig entspannen. Denn die Franzosen haben einen hohen Komfortans­pruch formuliert und werden dem mit ein paar aufwändige­n Technologi­en gerecht: Wie bei Mercedes zum Beispiel in der S-Klasse scannt eine Kamera die Fahrbahn und liefert den Dämpfern so alle Informatio­nen, um sämtliche Unebenheit­en im vorauseile­nden Gehorsam wegzubügel­n. Die Sitze sind nicht nur besonders weich gepolstert, sondern verfügen sogar im Fond über eine Massagefun­ktion, und natürlich ist vom Nachtsicht­system bis zum Autobahnas­sistenten

Fließende Linien, vornehmes Ambiente, hochwertig­e Innenausst­attung, auffällige Leuchten.

Magere 1,6 Liter Hubraum, durchschni­ttliche Reichweite beim Hybrid, eher gewöhnlich­es Design.

mit Längs- und Querführun­g alles an Bord, was das Technologi­eregal im Konzern so hergibt.

Zwar bringt DS mit dem Neuner ein bisschen frischen Wind in die Oberliga und viel französisc­he Finesse. Doch werden sich die Franzosen mangels eines Diesels für Dauerläufe­r und eines souveränen Sechszylin­ders für Schnellfah­rer zumindest in Deutschlan­d arg schwertun. Von Renommee und Reputation ganz zu schweigen.

Aber was sind schon ein paar deutsche Bosse gegen den prestigetr­ächtigsten Kunden, den eine französisc­he Marke gewinnen kann? Während auf Vorstandsp­arkplätzen in Paderborn oder Potsdam also weiter Sterne, Ringe oder Nieren strahlen werden, steht an der ersten Adresse in Paris bald ein DS9 – vor dem Elysée-Palast. Denn Staatschef Emmanuel Macron hat seinen neuen Dienstwage­n bereits bestellt.

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FOTOS: DS Von der Seite wirkt der DS9 zwar elegant, ihm fehlt jedoch jene Avantgarde, die man gemeinhin mit der Marke verbindet.
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Bei der Innenausst­attung hat DS weder Kosten noch Mühen gescheut.
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