Frustrierte nicht verloren geben
I● n Sachsen-Anhalt leben 2,2 Millionen der 83,2 Millionen Bewohner der Bundesrepublik. Wahlberechtigt waren 1,8 Millionen Menschen, davon sind etwa 40 Prozent zu Hause geblieben. Über 20 Prozent Zustimmung für die in dem ostdeutschen Bundesland eindeutig rechtsradikale AfD klingt übel und ist es auch. Aber es ist eben doch eine Minderheit, die dem völkischen Blödsinn garniert mit Corona-Relativismus gefolgt ist.
Die klare Mehrheit der Wähler hat ihr Kreuz bei Demokraten gemacht. Dennoch müssen sich deren Parteien fragen, warum – werden die Nichtwähler den Rechtsradikalen hinzugezählt – ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung sich nicht an der politischen Willensbildung beteiligt oder gar das System ablehnt.
Häufig wird in Deutschland eine Kurzatmigkeit der Politik beklagt, die sich durch die schnelle Abfolge von wichtigen Kommunal-, Landtagsoder gar Bundestagswahlen treiben lasse. Die Zeit für eine nüchterne Analyse gäbe es deshalb nicht. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), hat eine solche kürzlich versucht und bezog dafür reichlich Prügel.
Seine These lautet, dass das Wahlverhalten Ausdruck dafür sei, dass viele in Ostdeutschland eben in der SED-Diktatur sozialisiert wurden und in der Demokratie nicht angekommen seien. Wahrscheinlich ist das eine Positionierung für ein politikwissenschaftliches Seminar, wo Ähnliches über die alten DDR-Bruderstaaten referiert wird. Polen, Ungarn, die Slowakei, Tschechien: Alle diese Länder haben 30 Jahre nach Ende des Eisernen Vorhangs starke Rechtspopulisten und Rechtsradikale am Werk, die von einer liberalen Demokratie wenig halten.
Für den Wahlkampf taugt ein solcher Hinweis nicht. Es braucht aktives Handeln und Zeit, um die zu Recht oder Unrecht Frustrierten und Verärgerten zu überzeugen. Die Vorsichtigen nennen ein solches Vorgehen geduldiges Erklären. Ein Begriff, der die Angesprochenen schon in eine Schublade steckt. Es gilt um Zustimmung zu kämpfen, auf Augenhöhe und ohne Voreingenommenheit.