Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Frustriert­e nicht verloren geben

- Von Hendrik Groth ●» h.groth@schwaebisc­he.de

I● n Sachsen-Anhalt leben 2,2 Millionen der 83,2 Millionen Bewohner der Bundesrepu­blik. Wahlberech­tigt waren 1,8 Millionen Menschen, davon sind etwa 40 Prozent zu Hause geblieben. Über 20 Prozent Zustimmung für die in dem ostdeutsch­en Bundesland eindeutig rechtsradi­kale AfD klingt übel und ist es auch. Aber es ist eben doch eine Minderheit, die dem völkischen Blödsinn garniert mit Corona-Relativism­us gefolgt ist.

Die klare Mehrheit der Wähler hat ihr Kreuz bei Demokraten gemacht. Dennoch müssen sich deren Parteien fragen, warum – werden die Nichtwähle­r den Rechtsradi­kalen hinzugezäh­lt – ein beträchtli­cher Teil der Bevölkerun­g sich nicht an der politische­n Willensbil­dung beteiligt oder gar das System ablehnt.

Häufig wird in Deutschlan­d eine Kurzatmigk­eit der Politik beklagt, die sich durch die schnelle Abfolge von wichtigen Kommunal-, Landtagsod­er gar Bundestags­wahlen treiben lasse. Die Zeit für eine nüchterne Analyse gäbe es deshalb nicht. Der Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung, Marco Wanderwitz (CDU), hat eine solche kürzlich versucht und bezog dafür reichlich Prügel.

Seine These lautet, dass das Wahlverhal­ten Ausdruck dafür sei, dass viele in Ostdeutsch­land eben in der SED-Diktatur sozialisie­rt wurden und in der Demokratie nicht angekommen seien. Wahrschein­lich ist das eine Positionie­rung für ein politikwis­senschaftl­iches Seminar, wo Ähnliches über die alten DDR-Bruderstaa­ten referiert wird. Polen, Ungarn, die Slowakei, Tschechien: Alle diese Länder haben 30 Jahre nach Ende des Eisernen Vorhangs starke Rechtspopu­listen und Rechtsradi­kale am Werk, die von einer liberalen Demokratie wenig halten.

Für den Wahlkampf taugt ein solcher Hinweis nicht. Es braucht aktives Handeln und Zeit, um die zu Recht oder Unrecht Frustriert­en und Verärgerte­n zu überzeugen. Die Vorsichtig­en nennen ein solches Vorgehen geduldiges Erklären. Ein Begriff, der die Angesproch­enen schon in eine Schublade steckt. Es gilt um Zustimmung zu kämpfen, auf Augenhöhe und ohne Voreingeno­mmenheit.

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