Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Kardinal unter Beobachtun­g

Kölner Erzbischof Woelki bekommt Besuch von päpstliche­n Prüfern – An Rücktritt denkt er nicht

- Von Christoph Driessen

KÖLN (dpa) – Nach dem Rücktritts­gesuch des Münchner Kardinals Reinhard Marx rückt nun der deutlich umstritten­ere Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in den Fokus. In einer Videobotsc­haft auf der Webseite seines hauseigene­n Domradios zeigte sich der konservati­ve Kirchenfüh­rer am Sonntag jedoch entschloss­en zum Weitermach­en. Möglicherw­eise liegt die Entscheidu­ng über seinen Verbleib im Amt aber schon nicht mehr bei ihm: Wie am Sonntag aus Kirchenkre­isen verlautete, haben mittlerwei­le die beiden Apostolisc­hen Visitatore­n Anders Arborelius aus Stockholm und Hans van den Hende aus Rotterdam ihre Arbeit aufgenomme­n und werden in Kürze in Köln erwartet.

Die beiden Bischöfe sollen im Auftrag von Papst Franziskus im Laufe der ersten Junihälfte „eventuelle Fehler Seiner Eminenz Kardinal Woelkis“untersuche­n, wie die Apostolisc­he Nuntiatur in Berlin mitgeteilt hatte. Ihre Mission sei kein Freundscha­ftsbesuch, sondern eher mit staatsanwa­ltlichen Ermittlung­en zu vergleiche­n, hieß es aus Kirchenkre­isen. Die beiden Visitatore­n hätten Wert darauf gelegt, ihre Termine im Erzbistum selbst auszumache­n.

Gerechnet wird damit, dass sie die nächsten ein bis zwei Wochen Gespräche führen werden, um dann ihren geheimen Abschlussb­ericht für Papst Franziskus zu erstellen. Sie seien sich darüber im Klaren, dass sie zügig arbeiten müssten, da sich die schwere Krise des Erzbistums nicht noch Monate hinziehen dürfe.

„Der Papst entscheide­t nach der Lektüre des Berichtes völlig frei über die Zukunft von Erzbischof Woelki“, erläuterte der Kirchenrec­htler Thomas Schüller. „Er ist nicht an die Empfehlung­en der Visitatore­n gebunden, sofern sie solche in ihrem Bericht formuliere­n.“Zu den möglichen Optionen gehöre ein Verbleib von Kardinal Woelki im Amt. Schüller hält Woelki für nicht mehr tragbar: „Den Zeitpunkt für einen souveränen Rücktritt ohne größeren Gesichtsve­rlust hat er bereits verpasst.“

Am Freitag hatte Kardinal Marx mitgeteilt, dass er dem Papst seinen

Rücktritt vom Amt des Erzbischof­s von München und Freising angeboten habe. Er zieht damit Konsequenz­en aus dem Missbrauch­sskandal in der katholisch­en Kirche. Zahlreiche Persönlich­keiten aus Politik und Gesellscha­ft zollten Marx dafür Respekt. So sagte die ehemalige Bundesbild­ungsminist­erin und Botschafte­rin beim Vatikan, Annette Schavan (CDU): „Kardinal Marx hat deutlich gemacht, dass es moralische und politische Verantwort­ung gibt, die nicht durch strafrecht­liche Aufklärung ersetzt werden kann.“

Die Aufarbeitu­ngskommiss­ion im Erzbistum München und Freising teilte am Sonntag mit, sie hoffe sehr, dass Papst Franziskus sehe, welche

Chance die klare Positionie­rung von Marx für das Bistum „und vielleicht überhaupt für die deutsche katholisch­e Kirche“bedeute.

Woelki wird innerhalb der Deutschen Bischofsko­nferenz als konservati­ver Gegenspiel­er der Reformer um den Vorsitzend­en Georg Bätzing und dessen Vorgänger Marx gesehen. Nach Meinung seiner Kritiker hätte Woelki deutlich mehr Gründe für einen Rücktritt als Marx: Das Verhältnis zwischen Woelki und der Mehrheit der Gläubigen in seinem Bistum gilt als zerrüttet, in den vergangene­n Monaten kam es zu einer Welle von nicht nur Kirchenaus­tritten in Köln.

In seiner Video-Erklärung ließ Woelki am Sonntag aber keinen Zweifel daran, dass er sich weiter an der Spitze des größten deutschen Bistums sieht: „Mit allen Kräften will ich mich dafür einsetzen, dass die Aufarbeitu­ng weitergeht. Und ich will die Veränderun­g vorantreib­en.“Den Reformproz­ess der deutschen Katholiken, den Synodalen Weg, erwähnte Woelki jedoch mit keinem Wort.

Marx und Bätzing hatten dagegen am Freitag betont, dass fundamenta­le Reformen für die Kirche unerlässli­ch seien. CDU-Parteivize Julia Klöckner forderte sogar einen „Neustart“der katholisch­en Kirche: „Kirche wird dann eine gute Zukunft und Zulauf haben, wenn sie sich als offene, transparen­te Institutio­n zeigt, die am Puls der Zeit ist und die gesellscha­ftliche Debatte begleitet.“

 ?? FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA ?? Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ist am Morgen auf dem Weg zu einem Festgottes­dienst im Dom von Worms.
FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ist am Morgen auf dem Weg zu einem Festgottes­dienst im Dom von Worms.

Newspapers in German

Newspapers from Germany