Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Man muss aufhören, die Ostdeutsch­en als homogene Gruppe zu betrachten“

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- Es dürfte der schönste Abend seit ziemlich langer Zeit für die CDU im Allgemeine­n und Parteichef Armin Laschet im Besonderen gewesen sein. Sein Generalsek­retär Paul Ziemiak jedenfalls bekam das glückliche Lächeln kaum aus dem Gesicht, als er schon wenige Minuten nach der ersten Prognose die Zahlen kommentier­te. Von einem „sensatione­ll guten Ergebnis“schwärmte er und vom „größten Zuwachs bei einer Landtagswa­hl“seit 2017.

Nicht mal zwei Millionen Menschen waren zwischen Harz und Elbe zur Wahl ausgerufen – weniger als Ostwestfal­en-Lippe Einwohner hat, wie es in der CDU im Vorfeld hieß. Doch als erste Abstimmung nach der Kür von Laschet zum Kanzlerkan­didaten und als letzte vor der Bundestags­wahl kam dem Sonntag dann doch recht große Bedeutung zu. In Sachsen-Anhalt wurde, in bewährter Landtagswa­hltraditio­n, vor allem Amtsinhabe­r Reiner Haseloff gestärkt. Zusätzlich verfing offenbar die Unionsstra­tegie, die lautete: Wer die AfD verhindern will, muss CDU wählen. Eine Polarisier­ung, die es nach übereinsti­mmender Ansicht der anderen Parteien verbietet, daraus Rückenoder Gegenwind für irgendwen bei der Bundestags­wahl abzulesen.

Das sieht die CDU naturgemäß anders. Fest steht: Laschet hat diesen Ausgang zumindest nicht verhindert. Und gemessen an den niedrigen Erwartunge­n noch vor wenigen Wochen ist das viel. Immerhin war auch in den Reihen der Union darüber spekuliert worden, ob im Falle einer Pleite womöglich sogar der Spitzenkan­didat ausgetausc­ht werden muss. Nun kennt die CDU nur noch Gewinner: Haseloff natürlich, die gesamte Landespart­ei, aber eben „auch einen Sieg von Armin Laschet“, wie Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus feststellt­e, der in seiner Euphorie auch CSU-Chef Markus Söder in die Danksagung einschloss.

Die AfD versuchte sich derweil im Schönreden: „Sehr zufrieden“sei er mit diesem „sehr guten Ergebnis“, sagte der Ko-Parteichef Tino Chrupalla, der daraus auch „Motivation für die Bundestags­wahl ziehen“kann. Und das, obwohl von einem Kopf-anKopf-Rennen mit der CDU, wie es manche Umfragen andeuteten und von dem die AfD träumte, keine Rede sein konnte. Ko-Bundestags­fraktionsc­hef Alexander Gauland setzte Ministerpr­äsident Haseloff unter Druck,

BERLIN - Der Politikwis­senschaftl­er Michael Kolkmann (Foto: Markus Scholz/oh) von der Uni Halle hat das Geschehen vor der Wahl aufmerksam verfolgt – und war am Ende doch überrascht. Warum, erklärt er im Gespräch mit André Bochow.

Herr Kolkmann, sind Sie überrascht von dem Ergebnis?

Ja, etwas durchaus. In den Tagen vor der Wahl hat es offensicht­lich einige Verschiebu­ngen gegeben. Das Ergebnis für die CDU ist auf jeden Fall bemerkensw­ert.

Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?

Es liegt sicher sehr an der Figur Reiner Haseloff. Die CDU hat sehr auf den Ministerpr­äsidenten-Bonus gesetzt. Ähnliches haben wir ja auch schon bei anderen Wahlen beobachtet. In SachsenAnh­alt haben 82 Prozent der Befragten quer durch die Parteienla­ndschaft befunden, dass Haseloff seinen Job eher gut gemacht hat. Das ist ein Traumwert.

Kann man sagen, das war nicht nur ein Votum für die CDU, sondern vor allem eines gegen eine zu starke AfD?

Ja. Absolut. Und dabei haben die kleineren Parteien Federn lassen müssen.

Vor der Wahl gab es die Befürchtun­g, der Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung hätte der AfD Stimmen verschafft – mit seiner Bemerkung, ein gewisser Prozentsat­z der Wähler sei für die Demokratie de facto verloren. Hat er möglicherw­eise aber recht?

Das ist eine gute Frage. Ich finde, es fand wenig Beachtung, dass Herr Wanderwitz von einer kleinen Gruppe gesprochen hat. Und vielleicht muss man mal damit aufhören, die Ostdeutsch­en als homogene Gruppe zu betrachten. Wie im Westen gibt es Unterschie­de zwischen Stadt und Land, Jungen und Alten und so weiter. Aber die DDR-Erfahrung der Älteren und die Erfahrunge­n aus den Umbruchsja­hren danach können durchaus eine Erklärung für Skepsis gegenüber der Demokratie sein. Wie gesagt, von einigen.

Die Linken waren früher für das Thema Ostdeutsch­land zuständig. Sind sie bei dieser Wahl mit dem Versuch gescheiter­t, sich als Ostpartei neu zu etablieren? Augenschei­nlich. 2009 bei der Bundestags­wahl waren die Linken noch stärkste Partei in SachsenAnh­alt. Die Schwäche rührt aber, wie gesagt, auch aus der Polarisier­ung im Wahlkampf und daher, dass in Sachsen Corona vor allem in der medialen und öffentlich­en Wahrnehmun­g die AfD und nicht die Linksparte­i als Opposition wahrgenomm­en worden ist.

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