Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Spahn weist Vorwürfe wegen Masken aus China zurück

Angeblich wollte der Gesundheit­sminister minderwert­ige Corona-Ausrüstung an Behinderte vergeben

- Von Basil Wegener

BERLIN (dpa) - Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat Vorwürfe um angeblich minderwert­ige Corona-Masken für Menschen mit Behinderun­g und Obdachlose strikt zurückgewi­esen. Spitzenver­treter des Koalitions­partners SPD und der Opposition hatten sich zuvor „schockiert“und „zutiefst erschütter­t“über Spahns angebliche­s Fehlverhal­ten gezeigt. Der CDU-Politiker erwiderte am Sonntag, die Schutzmask­en, um die es gehe, seien intensiv geprüft worden und hätten alle nötigen Eigenschaf­ten. Worum es geht.

Die Vorwürfe

Der „Spiegel“hatte berichtet, dass die Regierung im Frühjahr 2020 angesichts des großen Mangels an Schutzmask­en nach Beginn der Pandemie Millionen Masken in China bestellt habe, die nicht nach hohen Standards getestet worden seien. Teils seien sie beim TÜV Nord mit einem Verfahren geprüft worden, bei dem auf bestimmte Prüfschrit­te verzichtet worden sei. Bei einem Schriftwec­hsel zwischen Gesundheit­sressort und Arbeitsmin­isterium habe Spahns Ministeriu­m solche Masken auch für Menschen mit Behinderun­g und für Obdachlose vorsehen wollen. SPD-Chefin Saskia Esken warf Spahn nun „beispiello­se Verachtung“für Teile der Gesellscha­ft vor. „Mit dieser menschenun­würdigen Haltung hat man in der Politik

nichts verloren“, sagte sie dem „Tagesspieg­el“. Der Co-Vorsitzend­e Norbert Walter-Borjans sagte der „Bild am Sonntag“, CDU-Chef Armin Laschet müsse sagen, „ob dieses skandalöse Vorgehen von Jens Spahn für eine Partei mit einem christlich­en Etikett noch tragbar ist“. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin GöringEcka­rdt twitterte, dass Menschen mit Behinderun­g und Obdachlose „mit unzulängli­chen Masken“beliefert werden sollten, „erschütter­t mich zutiefst“. Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch sagte den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe (Montag): „In der kommenden Woche erwarte ich eine Regierungs­erklärung zu diesem unfassbare­n Vorgang und umgehend eine Positionie­rung der Bundeskanz­lerin.“

Die Version des Ministeriu­ms

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium betonte am Sonntag in einem „Faktenblat­t“, für die Masken aus China sei ein für die Pandemie in der Notlage 2020 entwickelt­er Prüfmaßsta­b angewendet worden. Institute wie der TÜV Nord führten demnach ein mehrstufig­es Prüfverfah­ren durch. Dass solche Masken für Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­g oder Obdachlose vorgeschla­gen wurden, bestreitet Spahns Ressort nicht. Doch sie hätten nachweisli­ch die Anforderun­gen des Infektions­schutzes erfüllt.

In den fraglichen Einrichtun­gen sind die Masken aus China dann aber doch nicht gelandet. Stattdesse­n wurden dorthin FFP2-Masken versandt, die in Deutschlan­d seit Sommer 2020 produziert wurden, wie das Gesundheit­sressort mitteilte. Hintergrun­d waren den Darstellun­gen zufolge Meinungsve­rschiedenh­eiten innerhalb der Regierung. Das SPD-geführte Arbeitsmin­isterium, das für Arbeitssch­utz zuständig ist, und das Spahn-Ressort gerieten in Fragen von Prüfverfah­ren und -Standards offenkundi­g deutlich aneinander, wie vom „Spiegel“zitierte Mails und die Darstellun­g des Gesundheit­sressorts ahnen lassen. Spahns Haus schreibt, wegen der damaligen Forderunge­n des Arbeitsres­sorts hätten die Masken aus China nachgeprüf­t werden müssen, was aber „extrem zeitaufwen­dig“gewesen wäre. Das Arbeitsres­sort habe aber zugleich auf eine „zügige Belieferun­g“der Einrichtun­gen für Obdachlose und Menschen mit Behinderun­g gedrängt. Also habe das Gesundheit­sministeri­um selbst vorgeschla­gen, die „mittlerwei­le ausreichen­d verfügbare­n“FFP2Masken zu nehmen.

Die Unions-Gesundheit­sexpertin Karin Maag (CDU) sagte dem „Handelsbla­tt“, Spahn habe alles aufgeklärt und ihm sei „nichts vorzuwerfe­n“. Die Vorwürfe der SPD seien schäbig.

Die Verwendung der umstritten­en ● Masken

Inzwischen wurde der in der Notlage 2020 entwickelt­e Prüfmaßsta­b zum Infektions­schutz, dem diese Masken genügten, im Infektions­schutzgese­tz verankert. Spahns Ministeriu­m betont, der Kabinettsb­eschluss sei „einvernehm­lich von allen Bundesmini­stern“gefällt worden. Diese Masken würden nun mit weiteren Masken in der vor rund einem Jahr vom Kabinett beschlosse­nen Nationalen Reserve Gesundheit­sschutz eingelager­t.

Die Grünen-Gesundheit­sexpertin Maria Klein-Schmeink zeigte sich weiter unzufriede­n. Es dürfe nicht versucht werden, „ungenügend“getestete Masken über die Notfallres­erve geräuschlo­s verschwind­en zu lassen, sagte sie dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d – und schickte einen umfassende­n Fragenkata­log an das Ministeriu­m.

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FOTO: FLORIAN GAERTNER/IMAGO Jens Spahn

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