Mindeststeuer für internationale Großkonzerne
G7-Finanzminister einigen sich in London – Niedrigsteuerländer befürchten einen Wettbewerbsnachteil
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LONDON - Ein bedeutender Tag für die Weltwirtschaft: Bei ihrem Treffen in London haben sich die Finanzminister der G7-Industrienationen auf eine weltweit gültige Steuer auf digitale Dienstleistungen sowie die Mindestbesteuerung für global agierende Großkonzerne von 15 Prozent geeinigt. Die Regelung, die vor allem auf amerikanischen und deutschen Druck hin zustande gekommen ist, soll klammen Staatskassen nach der Corona-Pandemie helfen. Der britische Gastgeber Rishi Sunak sprach von einem „wirklich historischen Schritt“.
Neben Deutschland und Großbritannien sind auch Frankreich, die USA, Italien, Japan und Kanada G7Mitglieder. Die Initiative führender Industrienationen dürfte in den nächsten Wochen auf erhebliche Einwände stoßen. Mit Verlusten müssten vor allem jene Niedrigsteuerstaaten, darunter EU-Mitglieder wie Irland, Luxemburg und die Niederlande, rechnen, die von den Buchhaltungstricks global agierender Konzerne profitieren. Die Welt nach der Pandemie müsse „fairer sein“, begründete US-Finanzministerin Janet Yellen den erzielten Deal. Ihr deutscher Kollege Olaf Scholz sprach von einer „Trendwende“. Hingegen prangerte Gabriela Bucher von der Hilfsorganisation Oxfam die 15-Prozent-Rate als viel zu niedrig an: „Sie ähnelt den weichen Raten in Steueroasen wie Irland, der Schweiz und Singapur.“
Die neue Mindeststeuer soll nur für jene Großkonzerne gelten, deren Gewinnmarge mindestens zehn Prozent des Umsatzes beträgt. Ein Fünftel der zusätzlichen Gewinne würde zukünftig in jenen Staaten besteuert, wo die Firmen ihre lukrativen Umsätze machen. Die Maßnahme zielt also auf die enorm profitträchtigen Internetgiganten wie Google oder Facebook ab. Bislang bezahlen die großen Digitalkonzerne ihre Unternehmensteuer dort, wo sie ihren Firmensitz haben. Die Lobbygruppe TaxWatch schätzt die Steuerersparnis von US-Techgiganten allein in Großbritannien auf jährlich 1,5 Milliarden Pfund (1,75 Milliarden Euro).
Professor Richard Murphy, ein langjähriger Mahner für gerechtere globale Besteuerung, bewertet die Einigung vorsichtig als „Schritt in die richtige Richtung“. Allerdings stecke „der Teufel im Detail“. Beispielsweise entkomme der dauerhaft mit einstelliger Gewinnmarge operierende USHandelsgigant Amazon der neuen Besteuerung, während die schwedischbritische Pharmafirma Astrazeneca (AZ) herangezogen würde – allerdings nur auf der Grundlage des Geschäftsjahres 2020. 2019 lag der Gewinn unterhalb der Grenze.
Die am Wochenende beschlossenen Pläne sollen den seit Jahren laufenden Gesprächen von weltweit 140 Staaten unter der Ägide der Pariser OECD neue Dynamik verleihen. Als wichtiges nächstes Etappenziel gilt das Treffen der G20-Finanzminister kommenden Monat. Dort sind neben China und Russland auch andere wichtige und bevölkerungsreiche Länder wie Indonesien, Mexiko und die Türkei vertreten, was den Machtverhältnissen
in der Weltwirtschaft deutlich besser gerecht wird. Denn das G7-Septett „macht heute weniger als 40 Prozent des Welthandels aus“, berichtet Renata Dwan vom Londoner
Thinktank Chatham House. Als sich die Gruppe in den 1970er-Jahren formierte, lag ihr Anteil noch mehr als doppelt so hoch.
Klarer Widerstand dürfte von jenen EU-Staaten und globalen Steueroasen kommen, die von den jetzigen Verhältnissen stark profitieren. Dazu gehört eine Reihe britischer Territorien wie die karibischen Kaiman-Inseln sowie die Kanalinseln Jersey und Guernsey. Irlands Finanzminister Paschal Donohoe, als Vorsitzender der Eurogruppe eingeladen, begann sofort mit der Lobbyarbeit gegen die neuen Pläne. Die grüne Insel lockt global agierende Firmen mit der Aussicht auf einen Steuersatz von 12,5 Prozent an; selbst dieser wird häufig unterschritten. Irland befürchtet Mindereinnahmen von jährlich gut zwei Milliarden Euro; die Körperschaftssteuer lag dort 2019 bei 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Noch stärker profitieren die EU-Mitglieder Luxemburg (5,9) und Niederlande (3,7) von ihrer Niedrigsteuerpolitik. Hingegen lag der entsprechende Anteil in Deutschland bei zwei und in den USA bei lediglich einem Prozent. Beide große Volkswirtschaften würden von den neuen Bestimmungen ebenso profitieren wie die beiden anderen europäischen G7Mitglieder Frankreich und Italien.