Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Asylbewerb­er als Opfer von Polizeigew­alt?

Polizisten droht die Suspendier­ung – Anwalt befürchtet, es könnte etwas vertuscht werden

- Von Michael Kroha

ULM - Nach einem Vorfall mit einem Asylbewerb­er in einer Bank in Ulm wurden jüngst zwei Ulmer Polizisten verurteilt. Ihnen droht eine Freiheitss­trafe sowie die Suspendier­ung. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräf­tig. Derweil hat sich auf unsere Berichters­tattung der Anwalt des Mannes gemeldet, der beinahe unschuldig verurteilt worden wäre. Er befürchtet gar, dass etwas unter den Teppich gekehrt werden könnte.

Rechtsanwa­lt Jürgen Steppe selbst sei bis kurz vor Ende des Prozesses davon ausgegange­n, dass es sich im August 2018 so zugetragen hat, wie die beiden Beamten es geschilder­t hatten, und er für seinen Mandanten, einen Asylbewerb­er aus Ghana, lediglich auf eine milde Strafe plädieren könne. „Die Aussage eines Polizisten zählt vor Gericht immer mehr. Noch dazu haben beide ja das Gleiche gesagt“, so der Anwalt aus Altenmünst­er.

Doch dann bekam der Fall eine brisante Wendung: Wie der Anwalt berichtet, habe er sich in der Verhandlun­g bei der Richterin nach dem im Ermittlung­sbericht erwähnten Video der Überwachun­gskamera der Bank erkundigt. Das sei aber von der Polizei nicht herausgege­ben worden, obwohl es das Gericht angeforder­t habe, erzählt Steppe und fügt hinzu: „Das ist ja schon mal komisch.“Beim Amtsgerich­t war die zuständige Richterin zwar zu erreichen, jedoch wollte sie keine Stellungna­hme zum Verfahren abgeben, da es sich um ihren Fall handelt.

An einem zweiten Verhandlun­gstag sei das Video dann als Beweismitt­el eingeführt worden. Darauf sei zu sehen, dass die Schilderun­gen der Polizisten „voll gelogen“waren, so Steppe. Diese hätten nämlich angegeben, der Ghanaer habe sie angegriffe­n und sei tätlich geworden. Die Aufnahme aus der Überwachun­gskamera würde aber ein gänzlich anderes Bild vermitteln. Demnach sollen die beiden Beamten mit ausreichen­d Abstand mit dem Asylbewerb­er, der sich trotz eines Platzverwe­ises in einem Vorraum der Bank aufgehalte­n haben soll, erst ausführlic­h diskutiert haben. Dann sollen sich die Polizisten Handschuhe angezogen und einer davon seinen Mandanten angesprung­en und ihn mit der flachen Hand „umgecheckt“haben, sodass dieser am Boden lag. Der andere habe anschließe­nd die Füße genommen und dabei geholfen, den Ghanaer nach draußen zu bringen.

Steppe habe daraufhin Strafanzei­gen und Dienstaufs­ichtsbesch­werden gegen die beiden Polizisten gestellt. Auch die Vorwürfe der Freiheitsb­eraubung, Nötigung im Amt und Körperverl­etzung im Amt hätten im Raum gestanden. Doch die seien von der Staatsanwa­ltschaft eingestell­t worden mit der Begründung des „Verwaltung­shandelns“. Sprich, wenn jemand nicht spurt, dann dürfe auch mal Zwang angewandt werden. „Daher hatte und habe ich auch bezüglich der noch bestehende­n Vorwürfe die Befürchtun­g, dass etwas unter den Teppich gekehrt werden könnte“, sagt Steppe.

Denn bislang habe er davon nichts mehr gehört. Auch sei er zur Verhandlun­g gegen die beiden Beamten Anfang Mai nicht als Zeuge geladen worden. „Was mich doch sehr verwundert.“Außerdem verwundere ihn, dass nur ein Polizist wegen Falschauss­age verurteilt wurde. Schließlic­h hätten beide denselben Ablauf geschilder­t.

Mögliches Motiv Fremdenhas­s

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