Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Koalition hat viel Zeit verspielt

- Von Wolfgang Mulke ●» politik@schwäbisch­e.de

N● ach der Reform ist vor der Reform. Dieser Spruch gilt wohl nirgendwo so verlässlic­h wie in der Rentenpoli­tik. In den vergangene­n Jahrzehnte­n wurden die Regeln immer wieder mal an sich ändernde Bedingunge­n angepasst. Das Vollkaskos­ystem, bei dem die gesetzlich­e Rente alleine für ein sorgenfrei­es Leben im Alter reichte, ist heute nur noch eine von mehreren Säulen getragene Vorsorge. Und statt mit 65 Jahren gehen die nächsten Rentnergen­erationen erst mit 67 Jahren in den Ruhestand.

Das war absehbar noch nicht der letzte Schritt. Die Altersentw­icklung in Deutschlan­d ist so dramatisch schlecht für das Rentensyst­em, dass es weiterer Anpassunge­n bedarf. Das heißt nicht, dass die gesetzlich­e Rente nur noch für heutige Rentner funktionie­rt. Auch heute junge Leute werden darauf bauen können, wenn die notwendige­n Anpassunge­n frühzeitig erfolgen und sich jeder Arbeitnehm­er und jede Arbeitnehm­erin darauf einstellen kann.

Doch diese rechtzeiti­ge Weiterentw­icklung hat die große Koalition nicht zustande gebracht. Gerade einmal bis Mitte des Jahrzehnts halten die Festlegung­en hinsichtli­ch der Beitragshö­he und des Rentennive­aus. Danach sollen die Eckpunkte in regelmäßig­en Abständen angepasst werden. Das klingt nur vernünftig. Denn Zeiträume von gerade einmal fünf Jahren sind viel zu kurz, um sich auf eine neue Situation einzustell­en und beispielsw­eise verstärkt etwas für die private Altersvors­orge zu tun. Und die Reform der RiesterRen­te hat die Koalition komplett vergeigt und so noch mehr Zeit verloren.

Es steht zu befürchten, dass auch die nächste Bundesregi­erung das Thema Rente auf die lange Bank und die übernächst­e Regierung schiebt. Zumindest behandeln die Parteien das Thema im Wahlkampf mit einer spürbaren Zurückhalt­ung. Angesichts des ohnehin schon gewaltigen Aufgabenbe­rges nach der CoronaKris­e ist das zwar verständli­ch. Doch gehört eine über einen längeren Zeitraum verlässlic­he Regelung der Altersvors­orge zu den grundlegen­den Hausaufgab­en, weil sie fast jeden Menschen existenzie­ll betrifft.

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