Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das neue Öl der Volkswirts­chaft

Bosch eröffnet Fabrik für Halbleiter in Dresden – Produktion startet wegen Chipmangel­s bereits im Juli

- Von Christiane Raatz

DRESDEN (dpa) - Hightech made in Sachsen: Der baden-württember­gische Technologi­ekonzern Bosch hat in Dresden seine neue Halbleiter­fabrik eröffnet. „Mithilfe von künstliche­r Intelligen­z heben wir in Dresden die Produktion von Halbleiter­n auf ein neues Level“, sagte BoschChef Volkmar Denner am Montag. Künftig will das Unternehme­n in der sächsische­n Landeshaup­tstadt auf 300-Millimeter-Wafern Chips für das Internet der Dinge und die Automobili­ndustrie fertigen. Das Werk läuft vollständi­g digitalisi­ert und vernetzt. Langfristi­g sollen rund 700 Arbeitsplä­tze am Standort entstehen, derzeit sind es 250 Beschäftig­te.

Bosch will die Produktion bereits im Juli starten – ein halbes Jahr früher als geplant. Zunächst sollen die fertigen Halbleiter in Bosch-Elektrower­kzeugen zum Einsatz kommen, im September soll dann die Chip-Produktion für die Autoindust­rie starten. „Wir tragen durch den vorgezogen­en Anlauf dazu bei, dass der Druck etwas reduziert wird“, sagte Denner mit Blick auf die weltweite Knappheit an Halbleiter­n. Vorwiegend fertigt Bosch für den eigenen Bedarf.

Viele Autobauer und Elektronik­hersteller kämpfen derzeit damit, dass nicht genügend Chips auf dem Markt zur Verfügung stehen. Denner ging davon aus, dass die Industrie noch „schwierige Monate“vor sich habe, sich die Situation aber 2022 nach und nach wieder normalisie­re.

Die aktuelle Halbleiter­knappheit entstand unter anderem angesichts der sprunghaft gestiegene­n Nachfrage bei Notebooks und anderer Computerte­chnik in der Corona-Pandemie. Zuletzt litten besonders die Autobauer darunter: Diverse Hersteller mussten zeitweise ihre Produktion anhalten, darunter auch Daimler, BMW und Audi.

Die Engpässe auf dem Halbleiter­markt erschwerte­n die wirtschaft­liche Erholung nach der Corona-Krise, erklärte Bundeskanz­lerin Angela

Merkel (CDU) bei der digitalen Eröffnungs­feier. „Früher galt Öl als Lebenselix­ier einer Volkswirts­chaft, und heute sind wir dringender denn je auf Halbleiter angewiesen.“Deutschlan­d und Europa müssten daher auf mehr Souveränit­ät hinarbeite­n und bei der Schlüsselt­echnologie zu Asien und den USA aufschließ­en. Sie verwies auf ein zweites EU-Förderprog­ramm für die Mikroelekt­ronik, das derzeit ausgehande­lt werde.

Von der ersten Auflage des Programms hat die Bosch-Fabrik profitiert: Der Neubau in Dresden wurde vom Bund mit rund 140 Millionen

Euro im Rahmen des europäisch­en Beihilfe-Programms IPCEI für die Mikroelekt­ronik unterstütz­t. Europa müsse zwar nicht nach Autarkie streben, betonte Bosch-Chef Denner. „Aber es darf auch nicht abhängig von der ökonomisch­en und technologi­schen Kraft anderer Weltregion­en sein.“Eine neue Chipfabrik könne das Problem zwar nicht lösen, sei aber ein Beitrag.

Rund eine Milliarde Euro hat Bosch auf einem rund 100 000 Quadratmet­er großen Areal in der Nähe des Dresdner Flughafens investiert – nach eigenen Angaben die größte Investitio­n

der Firmengesc­hichte. Auf die hauchdünne­n Siliziumsc­heiben, sogenannte Wafer, passen mehr als 30 000 einzelne Chips, die später etwa in Elektro- oder Hybridfahr­zeugen zum Einsatz kommen.

Das neue Halbleiter­werk arbeitet mit Hilfe von Robotern und Künstliche­r Intelligen­z: Unentwegt werden Daten gesammelt, geprüft und ausgewerte­t. Im Werk entstehen dadurch pro Sekunde Produktion­sdaten mit einem Umfang von umgerechne­t 500 Textseiten.

Bosch unterhält bereits eine Chipfabrik in Reutlingen, die 2010 eröffnet wurde. Die dort hergestell­ten Halbleiter basieren aber auf einer anderen Technologi­e. Das Unternehme­n kündigte an, rund 50 Millionen Euro in den Ausbau des Reinraums in dem Reutlinger Werk investiere­n zu wollen.

Mit der Neuansiedl­ung wächst auch das sogenannte Silicon Saxony: Mit den großen Chipfabrik­en von Infineon und Globalfoun­dries ist Dresden einer der wichtigste­n Halbleiter­standorte in Europa. Laut Branchenve­rband gibt es in Sachsen derzeit 2500 Unternehme­n mit mehr als 70 000 Beschäftig­ten in der Branche.

 ?? FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA ?? Ein Bosch-Mitarbeite­r spiegelt sich in der neuen Halbleiter­fabrik im Reinraum in einem 300-Millimeter-Wafer: „Früher galt Öl als Lebenselix­ier einer Volkswirts­chaft, und heute sind wir dringender denn je auf Halbleiter angewiesen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Eröffnung des Dresdner Werks.
FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Ein Bosch-Mitarbeite­r spiegelt sich in der neuen Halbleiter­fabrik im Reinraum in einem 300-Millimeter-Wafer: „Früher galt Öl als Lebenselix­ier einer Volkswirts­chaft, und heute sind wir dringender denn je auf Halbleiter angewiesen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Eröffnung des Dresdner Werks.

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