Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Teure Energie

Deutschlan­d ist Spitzenrei­ter beim Strompreis

- Von Claus Haffert und Andreas Hoenig

BERLIN (dpa) - Es ist kein begehrter Spitzenpla­tz, den Deutschlan­d in dieser europaweit­en Statistik einnimmt: Nirgendwo müssen Haushalte so viel für den Strom bezahlen wie im bevölkerun­gsreichste­n EU-Land. Nach Zahlen des europäisch­en Statistika­mts Eurostat kostete die Kilowattst­unde im zweiten Halbjahr 2020 in Deutschlan­d bei einem Jahresverb­rauch zwischen 2500 und 5000 Kilowattst­unden 30,06 Cent. Bei einem geringeren Verbrauch fällt der Strompreis noch höher aus. Die Zahlen befeuerten am Montag die Debatte um eine nachhaltig­e Entlastung der Stromkoste­n.

Deutschlan­d ist vor Dänemark Spitzenrei­ter beim Strompreis in Europa. Bei Deutschlan­ds nördlichem Nachbarn schlug eine Kilowattst­unde inklusive aller Abgaben und Steuern mit 28,19 Cent zu Buche. Im Durchschni­tt der 27 EU-Länder kostete die Kilowattst­unde den Eurostat-Zahlen zufolge 21,34 Cent.

Als Hauptpreis­treiber bei den Stromkoste­n gelten Abgaben und Steuern. Werden sie herausgere­chnet, kostete die Kilowattst­unde laut Eurostat in Deutschlan­d 14,51 Cent. Das ist weniger als in Irland, Belgien und Luxemburg. Zum EU-Durchschni­tt von 12,82 Cent ist der Abstand so auch geringer als beim Gesamtprei­s.

Über eine Entlastung der Verbrauche­r wird seit Langem diskutiert. Die Chefin des Energiever­bands BDEW, Kerstin Andreae, forderte am Montag, die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms spätestens bis 2026 schrittwei­se auf null zu reduzieren. „Die Steuer- und Abgabenlas­t auf Strom ist mit über 50 Prozent einfach zu hoch“, sagte sie. Das sei ein Hemmschuh für umweltfreu­ndliche strombasie­rte Anwendunge­n wie die Elektromob­ilität oder den Einsatz von Wasserstof­f. Der Fraktionsc­hef der Linken im Bundestag, Dietmar

Bartsch, nannte die Strompreis­e „inakzeptab­el hoch“. Die Stromsteue­r müsse für Privathaus­halte abgeschaff­t und die EEG-Umlage grundlegen­d reformiert werden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe (Montag). „Das Grundkonti­ngent für Haushalte sollte besonders günstig sein. Strom und Energie dürfen nicht zum Luxusgut werden.“

Die schwarz-rote Koalition hat sich bisher nicht auf eine grundlegen­de Reform zur Entlastung bei den hohen Strompreis­en einigen können. Zwar soll die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms nach den Jahren 2021 und 2022 auch 2023 und 2024 mit Milliarden­mitteln aus dem Bundeshaus­halt stabilisie­rt werden. Das ist eine Maßnahme, um im Gegenzug zum CO2-Preis beim Tanken und Heizen Verbrauche­r zu entlasten.

Einen Plan zur dauerhafte­n Abschaffun­g der Umlage, die Stromkunde­n über die Stromrechn­ung bezahlen, gibt es aber nicht. Vor allem Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) will, dass die EEG-Umlage vollständi­g abgeschaff­t und die Förderung der Ökostrom-Umlagen aus Steuermitt­eln bezahlt wird. Das aber ist finanziell ein Riesenbatz­en – und im Haushalt drohen nach den massiven Belastunge­n der Corona-Krise große Löcher.

In der zweiten Hälfte des vergangene­n Jahres hatten die Privathaus­halte in Deutschlan­d von der befristete­n Senkung der Mehrwertst­euer profitiert. Strom verbilligt­e sich nach Berechnung­en des Statistisc­hen Bundesamte­s um 2,4 Prozent im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Jahres.

Marktbeoba­chter registrier­en aber Anzeichen für einen erneuten Anstieg. Im Großhandel gebe es bereits höhere Preise, sagte Thorsten Storck, Energieexp­erte beim Vergleichs­portal Verivox. Die günstigste­n Angebote für Verbrauche­r seien seit Jahresbegi­nn bereits um rund sechs Prozent teurer geworden.

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