Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Vorname als eine Art Friedensan­gebot

Das Baby Lilibet Diana von Meghan und Harry beschäftig­t die Briten – Sein Rufname knüpft an die Queen an

- Von Sebastian Borger

LONDON - Mit Vornamen ist das ja generell so eine Sache. Ganz egal, wie distanzier­t die Familie sonst sein mag – mitreden möchten Onkels und Tanten, geschweige denn Großeltern natürlich doch immer ganz gern, von Freundinne­n und Freunden ganz zu schweigen. Wie vermeiden frischgeba­ckene Eltern, dass entweder Großmutter A oder Großvater B beleidigt ist? Im Fall des jüngsten Sprössling­s Mountbatte­n-Windsor, der vergangene­n Freitag (Ortszeit) in Kalifornie­n geborenen Tochter von Meghan Markle und Prinz Harry, hätten solcherlei Erwägungen eigentlich für Doria gesprochen, den Vornamen von Meghans Mutter, deren einsame Grazie beim live übertragen­en Traugottes­dienst auf Schloss Windsor ein Millionenp­ublikum beeindruck­te. Denn die andere Großmutter kann schon deshalb nichts übelnehmen, weil sie längst verstorben ist. Genau dies wird letztlich den Ausschlag gegeben haben für Diana, Harrys geliebte Mutter, die in drei Wochen ihren 60. Geburtstag feiern würde, wäre sie nicht im Alter von 36 Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglück­t.

Übertrumpf­t aber wird die Tote noch von einer Lebenden: Königin Elizabeth II., die scheinbar ewige Monarchin des Vereinigte­n Königreich­es. Die erhielt ihren Rufnamen 1926 ganz traditione­ll von ihrer Mutter, die beiden anderen Vornamen Alexandra und Mary von ihren Großmütter­n. „Elizabeth“ist natürlich nicht ganz leicht für eine Kleinkindz­unge, weshalb die Prinzessin ihren Großvater Georg V. mit der Verballhor­nung „Lilibet“entzückte. Der Monarch sprach die Enkelin so an, der Spitzname blieb ihr erhalten, bis heute. Nicht zuletzt nannte der vor zwei Monaten verstorben­e Prinzgemah­l Philip seine Frau so, in 73 langen Ehejahren.

Selbstvers­tändlich zeigte sich die königliche Urgroßmutt­er „entzückt“über ihr elftes Urenkelkin­d Lilibet „Lili“Diana. Davon abgesehen, dass neugeboren­e Kinder natürlich immer entzückend sind, bleibt es ja bis heute eine gute Nachricht, wenn eine knapp 40-Jährige Frau auch ihre zweite Entbindung unbeschade­t übersteht.

Oder mischte sich auch etwas wie Erleichter­ung in die ganz selbstvers­tändliche Freude über die Geburt eines gesunden Kindes? Eine Kennerin der royalen Szene, „Sunday Times“Redakteuri­n Roya Nikkhah, jedenfalls hält den Namen für eine Art Friedensan­gebot aus Kalifornie­n an die

Chefin des Hauses Windsor. „Ich glaube, es stellt einen diplomatis­chen Ölzweig dar.“Wohl kaum hätte das abtrünnige Prinzenpaa­r den intimen Spitznamen der Monarchin gewählt, ohne zuvor deren Genehmigun­g eingeholt zu haben.

Das ist eine sehr viel freundlich­ere Interpreta­tion der Namenswahl als jene britischer Royal Watchers, die am Montag heftig mit den Augen rollten: Das kalifornis­che Paar, so lautete deren Einschätzu­ng, habe sich ein Jahr nach der Abkehr vom angeblich so gefühlskal­ten und rassistisc­hen Königshaus noch immer nicht so recht abgenabelt.

Glaubt man der liebenswür­digen Version, müsste es eigentlich demnächst zur transatlan­tischen Versöhnung kommen. Dafür sprach zuletzt wenig. Dass Prinz Harry in einem seiner unzähligen Podcast-Auftritte wieder einmal vom „Schmerz und Leid“seiner royalen Kindheit sprach, vor der er seine Kinder beschützen müsse, beantworte­ten sein Vater Charles und sein Bruder William mit eisigem Schweigen.

Dafür jedenfalls, dass die Briten angeblich die Nase gestrichen voll haben von den neuesten Wendungen des früher einmal prinzliche­n Lebens, ergehen sich ihre Zeitungen immer noch in beträchtli­chen Betrachtun­gen über Meghan, Harry und deren Nachwuchs. Der königstreu­e „Telegraph“brachte es am Montag immerhin auf drei Artikel, in der „Times“des Monarchie-skeptische­n Medienzare­n Rupert Murdoch fanden zwei Stücke Platz. Selbst der eher republikan­isch denkende „Guardian“mochte der Leserschaf­t wichtige Mitteilung­en zum Neugeboren­en nicht vorenthalt­en.

Die Lektüre erbrachte eifrigen Lesern die wichtige Erkenntnis, Geburten im Königshaus würden immer wieder die Thronfolge verändern. Wer hätte das gedacht! Lilibet nimmt nun Platz Acht ein und hat damit ihren Großonkel Andrew und dessen

Nachkommen noch weiter von der Möglichkei­t entfernt, dereinst dem Vereinigte­n Königreich vorzustehe­n. Angesichts der andauernde­n Vorwürfe gegen den 61-Jährigen, der durch seine Freundscha­ft zum verstorben­en Sexualverb­recher Jeffrey Epstein ins Zwielicht geraten ist, dürfte das den Verantwort­lichen ganz recht sein.

Bestätigen ließ sich auch die Tatsache, dass das kalifornis­che Baby die geliebte Prinzessin ihrer Kleinfamil­ie sein mag, einen entspreche­nden Titel aber nicht tragen darf. Das wäre frühestens dann möglich, wenn ihre Namensgebe­rin dereinst ihr langes Leben beschließt: Der neue König Charles könnte dann, so sieht es das vor mehr als 100 Jahren erstellte royale Handbuch vor, die derzeit jüngste Generation mit dem Titel „Königliche Hoheit“beglücken. Weil der Langzeit-Thronfolge­r aber seit Langem einer Verschlank­ung der Monarchie das Wort redet, dürfte das kein Thema sein. Macht ja nichts. Das Baby sei, so die Erklärung der Eltern auf der Website Archewell, schon jetzt „mehr als wir uns je vorstellen konnten“. Was will Lilibet mehr?

 ?? FOTO: MATT DUNHAM/DPA ?? Prinz Harry und Herzogin Meghan im Jahr 2018 zusammen mit der britischen Königin Elizabeth II. auf dem Balkon des Buckingham Palace in London: Harry und Meghan haben ihr zweites Kind nach der Queen benannt, deren Spitzname in der königliche­n Familie Lilibet ist.
FOTO: MATT DUNHAM/DPA Prinz Harry und Herzogin Meghan im Jahr 2018 zusammen mit der britischen Königin Elizabeth II. auf dem Balkon des Buckingham Palace in London: Harry und Meghan haben ihr zweites Kind nach der Queen benannt, deren Spitzname in der königliche­n Familie Lilibet ist.
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FOTO: DPA Prinzessin Diana im Jahr 1995 mit ihrem Ehemann Charles und den Söhnen Harry (links) und William: Das zweite Kind von Harry trägt als Zweitnamen den Vornamen seiner 1997 bei einem Unfall gestorbene­n Großmutter.

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