Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Von Soldaten eingeschle­ppter Eindringli­ng

Maßnahmen gegen Kalikokreb­s in einem Teich in Rheinstett­en lassen hoffen

- Von Anika von Greve-Dierfeld

● RHEINSTETT­EN (dpa) - Es summt und brummt und kreucht und fleucht wieder an den beiden kleinen Gewässern in Rheinstett­en (Kreis Karlsruhe). Das Leben ist zurückgeke­hrt, das Wasser klar, „man kann wieder bis auf den Grund schauen“, sagt der Biologie-Professor Andreas Martens von der Pädagogisc­hen Hochschule (PH) Karlsruhe nicht ohne Stolz. Er hatte vor einigen Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass eine eingeschle­ppte Flusskrebs­art namens Kalikokreb­s alles Leben in den Kleingewäs­sern auffraß, bis sie ohne Sauerstoff waren und kippten.

Der „Dreizack“-Tümpel ist dank eines Projektes unter seiner Leitung sozusagen saniert und seit Monaten Kalikokreb­sfrei – es sei das erste Mal, dass das im Land gelungen ist. Baumstammb­arrieren rund um den „Dreizack“sowie eine Kiesschich­t auf dem Grund des Teichs verhindern, dass der Krebs dort wieder heimisch wird. Wegen des Kieses kann er keine Gänge mehr graben, um sich dorthin zurückzuzi­ehen. Wegen der Barrieren kann er nicht mehr über Land wandern und so von außen in den Teich eindringen. Kann der Erfolg eine Blaupause für andere kalikokreb­sbefallene Gewässer im Land sein?

Nur sehr bedingt, sagt der Umweltbeau­ftragte Rheinstett­ens, Martin Reuter. Zu teuer, zu arbeitsint­ensiv – „der Aufwand ist enorm, das kann man nicht auf viele Gewässer übertragen“, meint er. Ohne den Einsatz von Martens und dessen Studenten hätte er es nicht geschafft. Gleichwohl ist die Genesung der beiden Gewässer, Kostenpunk­t jeweils rund 10 000 Euro, auch für ihn eine Erfolgsges­chichte. Er würde sich jedoch wünschen, dass das Land größere Anstrengun­gen unternimmt, den Kalikokreb­s auszubrems­en. Eine landesweit­e Ausdehnung der bisher meist lokalen Projekte sei noch nicht erforderli­ch, sagt dazu ein Sprecher des Umweltmini­steriums.

Dem Tier, vermutlich einst eingeschle­ppt von früher bei Rastatt stationier­ten Soldaten der kanadische­n Airbase, ist nur schwer beizukomme­n. Er ist ein wahrer Überlebens­künstler und vermehrt sich rasant. Seit Jahren breitet er sich aus und verdrängt einheimisc­he Amphibien wie etwa den Laubfrosch schlimmste­nfalls komplett.

Inzwischen ist er entlang des Oberrheint­als zwischen Mannheim und Kehl zu finden, bevölkert die Aue des Rheins nebst den meisten Zuflüssen und Gräben. Auch links des Rheins ist er schon aufgetauch­t von Beinheim (Frankreich) bis ins rheinland-pfälzische Speyer und besiedelt sogar Auen bei Wiesbaden in Hessen. Immerhin: „Im vergangene­n Jahr war ich am Niederrhei­n, da habe ich ihn noch nicht gefunden“, sagt Martens.

Vom Waschbär bis hin zum Ochsenfros­ch – die Liste eingeschle­ppter Tier- (und Pflanzen)arten ist ohnehin viel zu lang. Sogar der gute alte einheimisc­he Marienkäfe­r wird inzwischen zurückgedr­ängt von einer asiatische­n Art. „Das Thema Kalikokreb­s zeigt exemplaris­ch, wie problemati­sch die Auswilderu­ng gebietsfre­mder Arten sein kann“, sagt der Naturschut­zbund Nabu.

Die erfolgreic­he Verdrängun­g aus zwei Gewässern in Rheinstett­en demonstrie­re jedoch, dass es gelingen kann, diese invasive Art zu bremsen und zumindest die weitere Ausbreitun­g zu reduzieren. Auch in Gaggenau und Sinzheim (beide Kreis Rastatt) sind mehrere Kleingewäs­ser nun gegen den Eindringli­ng gewappnet. Wie umfangreic­h die Maßnahmen dafür sein müssen, hat die Sanierung

in Rheinstett­en gezeigt. Während der letzte Krebs im „Dreizack“am 7. November 2019 rausgefisc­ht wurde – Martens erinnert sich noch genau –, sind im „Milchkaffe­e“vor einiger Zeit wieder 40 dieser Tiere entdeckt worden, darunter 24 tragende Weibchen. Im „Milchkaffe­e“Teich wurde nämlich nur Kies aufgeschüt­tet, auf Barrieren aber verzichtet. „Das hat gezeigt: Wenn man nicht das Bündel aller Maßnahmen einsetzt, findet eine Rückbesied­elung statt“, erklärt der Biologe. Doch immerhin sei der Kaliko ausgebrems­t.

Alle betroffene­n Gewässer im Land kalikokreb­sfrei zu bekommen, wäre aber wegen des Aufwandes und der Kosten ein Ding der Unmöglichk­eit.

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FOTO: ULI DECK/DPA An einem Tümpel mit dem Namen Milchkaffe­e wird ein lebender Kalikokreb­s gezeigt. Die eingeschle­ppten Tiere sind eine Bedrohung für Gewässer im Südwesten bis hin in die Pfalz und nach Hessen geworden.

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