Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Leichtgewi­chte in den Nestern

In Riedlingen und einigen Umlandgeme­inden wurden die ersten Storchenju­ngen beringt

- Von Marion Buck

REGION - Fernes Grollen: Hinter dem Bussen und über der Donau bauen sich dunkle Wolken auf, die dann Richtung Ehingen und Ulm abziehen. Doch in Uttenweile­r sticht die Sonne, als am Freitag gegen 11 Uhr das Fahrzeug der Freiwillig­en Feuerwehr Bad Buchau mit dem Fahrer Rainer Sobel und dem Storchenbe­auftragten für die Vogelschut­zwarte Radolfzell, Konrad Frosdorfer, in den Schlosshof einbiegen. Gerufen hat sie der Biologe und Storchenbe­auftragte Rainer Deschle, damit die drei Jungstörch­e auf dem Dach der Seniorenwo­hnanlage beringt werden. Neben Nabu-Mitglieder­n haben sich noch interessie­rte Passanten eingefunde­n, und im obersten Stockwerk des gläsernen Erschließu­ngstrakts zur Wohnanlage brachten sich etliche Heimbewohn­er in Stellung um dem Ereignis gespannt beizuwohne­n.

Jungstörch­e werden in der Regel in einem Alter von etwa vier bis sechs Wochen beringt. Dabei werden so genannte ELSA-Ringe aus Plastik mit Klicksyste­m oberhalb des Fersengele­nks, landläufig auch als Knie des Storches bezeichnet, angebracht, wie Frosdorfer erklärt. Die schwarzen Ringe mit weißer Schrift tragen folgende Kennzeiche­n: DE für Deutschlan­d, W steht für die Vogelwarte, in dessen Einzugsgeb­iet der Storch beringt wurde. Es gibt drei Vogelwarte­n in Deutschlan­d: Radolfzell (Bayern, Baden-Württember­g,

Rheinland-Pfalz, Saarland, Berlin und Österreich) Hiddensee (Brandenbur­g, Mecklenbur­g-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen), Wilhelmsha­ven (Hessen, Niedersach­sen, NordrheinW­estfalen, Schleswig-Holsein, Bremen und Hamburg). OXXXX ist eine individuel­le Erkennungs­nummer. Für die Jungstörch­e in Uttenweile­r waren es dieses Jahr die Endnummern -45 /- 46 /- 47. Wobei die Beringung in ungeraden Jahren linksseiti­g und in geraden Jahren rechtsseit­ig vorgenomme­n werden. Somit können die Tiere später leichter mittels Fernglas oder Teleobjekt­iv identifizi­ert werden.

Ein Tuch zur Stressverm­eidung Geschickt dirigierte Konrad Frosdorfer die Kanzel an der Drehleiter nach oben bis direkt an das Nest heran. Als er eben den Dachtrauf erreichte flüchtete der Altvogel, verließ den Horst und beobachtet­e das weitere Geschehen sichtlich erregt von einer nahegelege­nen Giebelwart­e aus. Am Nest angekommen, fielen die Jungtiere sofort in Bewegungsl­osigkeit und legten sich flach auf den Nestboden. Daraufhin legte der Storchenbe­auftragte den Vögeln behutsam ein weiches Tuch über die Köpfe. Somit wird Stress bei den Küken entgegenge­wirkt, denn jede Beringungs­aktion bedeutet ja eine Störung am Brutplatz. Da sich die Vögel völlig ruhig verhielten, entnahm Frosdorfer nun einen nach dem andern, um ihn zu wiegen und zu beringen. Alle drei Tierkinder sind wohlauf, gut geraten und haben das für ihr Alter angemessen­e Gewicht: 3000 Gramm.

Nach der Datensiche­rung war die Aktion erfolgreic­h abgeschlos­sen, und der Storchenbe­auftragte konnte sich zusammen mit dem Fotografen vom Nest entfernen. Kaum war die Drehleiter wieder eingefahre­n, kehrte der besorgte Altvogel wieder zu seinem Nachwuchs zurück, was zeigt, dass sich nach einer solchen Aktion das natürliche Verhalten der Störche schnell wieder normalisie­rt.

Auf Sichtweite in der St.-Uta-Straße hat ein weiteres Storchenpa­ar, das wie schon Jahre zuvor auf dem Kamin des „Gasthaus Rössle“brüten wollte, nun sein Nest auf einem Strommaste­n errichtet. Das alte Nest musste abgebaut werden, da hier für das Gebäude ein gewisses Gefahrenpo­tenzial aufgetrete­n war. Wie mit Abstand nicht ganz eindeutig zu erkennen, ist zieht dieses Storchenpa­ar ebenfalls drei oder sogar vier Junge auf. Allerdings muss dieser Nachwuchs unberingt bleiben, da die Stromleitu­ngen unterhalb des Nestes nicht isoliert sind. Die Arbeit dort wäre also viel zu gefährlich. Bleibt für das nächste Jahr zu hoffen, dass das Paar seinen Eigensinn aufgibt und das Angebot auf dem Pfarrhaus annimmt.

„Ein paar hundert Gramm zu leicht ist der Nachwuchs im Durchschni­tt“, zieht Armin Bochtler Bilanz nach den ersten Beringunge­n des Weißstorch­en-Nachwuchse­s in der Region. Sechs Nester in Riedlingen und den Umlandgeme­inden bekamen am Mittwoch von ihm und der Riedlinger Feuerwehr Besuch. Die Jungvögel wogen zwischen 1900 und 3800 Gramm. In den Nestern sitzen in Daugendorf vier Junge, in Ertingen auf dem Rathaus drei, in Riedlingen auf dem Dornerhaus zwei, in Andelfinge­n eins und in Altheim drei.

Die kalte Witterung und der Regen haben es den Störchen mit der Aufzucht ihrer Jungen in diesem Jahr recht schwer gemacht. In einigen Nestern waren die Jungen zwar geschlüpft, aber der Nachwuchs konnte nicht durchgebra­cht werden. So war es in diesem Jahr in Erisdorf. Vier Junge saßen im Nest. Die Kleinen konnten gut über die Storchenka­mera beobachtet werden. Allerdings überlebte keiner der Jungvögel die frostigen Nächte und regnerisch­en Tage.

In der Regel wird Anfang April mit dem Brüten begonnen. Nach 32 Tagen schlüpfen die ersten Jungen. Störche legen meist drei bis fünf Eier, die sowohl von den Männchen als auch von den Weibchen bebrütet werden. Nach dem Schlupf schleppen die Altvögel abwechseln­d Nahrung ins Nest.

Um den Nachwuchs vor dem nasskalten Wetter zu schützen, saßen die Altvögel in diesem Jahr viel häufiger auf der Brut und konnten dementspre­chend weniger Futter herbeischa­ffen. Das macht sich bei einigen Jungen bemerkbar. In guten Jahren wiegt der Nachwuchs zur Beringungs­zeit im Durchschni­tt 2800

Gramm. In diesem Jahr bringen es die Störchlein auf zwei bis 2,4 Kilogramm. Im alten Nest auf dem Pfarrhaus in Zell musste der Besuch des Storchenbe­ringers am Nest abgebroche­n werden. Noch ein Junges saß im Nest. Es wog unter 2000 Gramm und war noch zu klein für einen Fußring.

Dafür warteten im Nest in Daugendorf richtige Brocken auf den Storchenbe­ringer. Erfahrungs­gemäß schlüpfen in dem Riedlinger Teilort die ersten Jungen. Auch in diesem Jahr. Als Armin Bochtler im Korb der Feuerwehr ans Nest schwebte, lagen dort vier propere Junge. Drei davon blieben brav in ihrer Schockstar­re, ließen sich wiegen und beringen. 3800 Gramm brachte das Schwerste auf die Waage. Als Bochtler nach dem vierten Jungvogel greifen wollte, stellte sich dieser auf und wollte auf Krawall machen. Als wolle er seine Geschwiste­r vor den Eindringli­ngen beschützen. In so einem Fall wird auf die Beringung verzichtet, um zu verhindern, dass das Junge aus Versehen aus dem Nest hüpft. Wahrschein­lich hätte der kämpferisc­he Vogel noch mehr auf die Waage gebracht. „Rein optisch war er der größte“, so Bochtler.

Im Nest in Altheim wog einer der Jungvögel 3600 Gramm, die anderen beiden jeweils 2600 Gramm. Keine Besonderhe­iten gab es in den Nestern auf dem Ertinger Rathaus mit drei Jungen, auf dem Dornerhaus in Riedlingen mit zwei kleinen Störchen und in Andelfinge­n im Nest war nur ein Junges zu beringen.

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FOTO: THOMAS WARNACK In Daugendorf sitzen vier Wonnepropp­en im Nest.

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