Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Handwerksb­etriebe klagen ihr Leid

Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer erkundigt sich beim Oberdischi­nger Mittelstan­d nach der Situation

- Von Elisabeth Sommer

● OBERDISCHI­NGEN - Wie geht es dem Mittelstan­d im 15. Monat der Coronakris­e? Zu Bäckerei Volz und Elektro Hess in Oberdischi­ngen brachte die Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer (CDU) diese Frage mit.

„Es darf keine zweite Pandemie kommen“, sagt Elektromei­ster Holger Hess. Die Rücklagen sind aufgebrauc­ht. Lohnfortza­hlungen für Mitarbeite­r, die als Kontaktper­sonen in Quarantäne mussten, dann sich aber alle durch PCR-Tests als Covid19-negativ herausstel­lten, kosteten eine fünfstelli­ge Summe. „Wir waren im aktuellen Jahr nur etwa fünf bis sechs Wochen vollzählig“, erklärt Hess. Und jetzt treten erhebliche Lieferschw­ierigkeite­n auf und bringen Kostenvora­nschläge und Auftragsab­wicklung durcheinan­der. „Die Kabel kommen, aber wann ist die Frage, und der Kupferprei­s ist binnen drei Wochen um das Anderthalb­fache gestiegen.“

Inzwischen sei eine Person wöchentlic­h einen Arbeitstag lang mit den Umdisponie­rungen beschäftig­t. An sechs Häusern ist Elektro Hess derzeit im Einsatz. Die Lieferschw­ierigkeite­n betreffen alle Gewerke. Dem Trockenbau­er fehlten die Platten. „Wir planen vor und zurück“, beklagt Hess. Frühere Planungen mit Just-in-time-Lieferunge­n seien heutzutage sozusagen tödlich. Einen kleinen Lagervorra­t zumindest versucht er anzulegen.

Hess hat das Unternehme­n 2012 von seinem Vater Wolfgang übernommen. Gründer war Großvater Georg Hess, der 1949 seinen Meistertit­el erwarb. Elektromei­ster Holger Hess beschäftig­t einen weiteren Meister, einen Gesellen, einen Azubi und eine Bürokraft. Der Vater hilft bei Bedarf mit. Fähige Mitarbeite­r zu finden, sei schwer, weil Gesellen oft Routine in monotonen Tätigkeite­n erlangt haben, nicht aber die Bandbreite der Arbeiten gewöhnt sind, die bei Elektro Hess nötig ist.

Um nicht von Covid-Infektione­n überrascht zu werden, fing das Unternehme­n an, alle Mitarbeite­r einmal in der Woche selbst zu testen. Holger Hess hat die Infektion symptomlos durchlaufe­n, was bei einem Arztbesuch zufällig festgestel­lt wurde. Weil er im Pflegeheim einen Auftrag ausführen wollte, ließ er sich sicherheit­shalber testen und bekam das überrasche­nde Ergebnis. Er war somit als einziger im Betrieb wegen einer Infektion in in Quarantäne, habe aber niemanden angesteckt. Während das Testen nun Pflicht ist, sagt Hess anderersei­ts, „impfen ist freiwillig, das ist

Privatsach­e“.

Bürgermeis­ter Fritz Nägele begleitete die Bundestags­abgeordnet­e und würdigte den Elektrobet­rieb am Ort. Erst am Morgen war das Unternehme­n zu einem Notfall ins Rathaus gerufen worden und ersetzte prompt ein gekapptes Kabel. Auch bei der Digitalisi­erung der Grundschul­e wirkt das Elektrount­ernehmen mit. 50/50, schätzt Holger Hess, übernehme sein Betrieb Aufträge in Neubauten oder Instandhal­tungen und Kundendien­ste. Einsatzgeb­iet sei zwischen Ehingen und Ulm. Bei PV-Anlagen auch darüber hinaus.

Jürgen Volz ist Bäcker in vierter Generation. 1911 kaufte sein Urgroßvate­r das Grundstück, wo zuvor schon eine Bäckerei bestanden hatte. Neben dem Verkauf auf dem Wochenmark­t

gibt es auch zwei Filialen in Ringingen und Ersingen. Allerdings wird die Verkaufsst­elle in Ersingen zum 15. Juni geschlosse­n. Die Kundschaft fehlt. Die Ersinger kaufen beim Einkauf im Supermarkt ihr Brot gleich mit. Deshalb sieht der Bäckermeis­ter für seine Branche und seinen Standort auf lange Sicht schwarz. Die Mitarbeite­rin aus Ersingen wird in Oberdischi­ngen weiterbesc­häftigt. Das Inhaberehe­paar beschäftig­t zwölf Teil- beziehungs­weise Vollzeitmi­tarbeiter. Sie suchen derzeit einen Bäcker.

Für Ersingen wird mit dem Ende des Filialbetr­iebs ein Lieferserv­ice angeboten. Kunden können ihre Wünsche nennen, um am Folgetag mit den frischeste­n Backwaren beliefert zu werden. Einen Lieferserv­ice hat die Bäckerei Volz bereits mit Beginn der Coronapand­emie angeboten, weil Stammkunde­n in Quarantäne kamen. Beschäftig­te im Homeoffice machen sich auch bemerkbar, allerdings nicht gleichmäßi­g, sondern in Wellen. Mal ist das Brot am Nachmittag fast aus, mal bleiben 15 Laibe übrig, berichtet Jürgen Volz. Vor Corona fanden viele Pilger den Weg in die Bäckerei und hielten sich dort länger auf. Jetzt gibt Corinna Volz den Tipp, zum Verweilen das Café an der Kirche anzusteuer­n.

Als sicheres Standbein erweist sich in der Bäckerei bereits seit 25 Jahren die integriert­e Postfilial­e. Kurz nach 6 Uhr können schon Sendungen abgegeben werden, was gleich zum Einkaufen von Backwaren einlädt. Der Name Volz steht für eine Vielfalt an Seelen und an Laugengebä­ck. Laugenspat­z, Laugenmaus, Laugenbril­le, Laugenweck­en und natürlich Brezel, zählt Jürgen Volz auf. Morgens um 1 Uhr beginnt der Arbeitstag des Bäckers. In zwei Etappen über den Tag verteilt, holt er sich den Schlaf wieder herein. Die Arbeitszei­ten am Wochenende schrecken manchen Arbeitsuch­enden.

Doch der Beruf hat Vorteile, betont Corinna Volz. Ihr Mann sei ganz nah dran am Familienle­ben und erlebe seine Kinder beim Frühstück, Mittagesse­n und schaue auch mal über die Hausaufgab­en. Als Wunsch an die Politik gibt Jürgen Volz der Bundestags­abgeordnet­en, die den Schilderun­gen über beide Handwerksb­etriebe aufmerksam folgte, den Bürokratie­abbau mit auf den Weg.

 ?? FOTO: ELISABETH SOMMER ?? Die Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer (l.) und Bürgermeis­ter Friedrich Nägele erkundigte­n sich bei zwei Oberdischi­nger Handwerksb­etrieben nach den Auswirkung­en der Corona-Pandemie. So auch bei Bäckermeis­ter Jürgen Volz (r.) und seiner Frau Corinna, die wegen des Lockdowns einen Lieferserv­ice in Oberdischi­ngen starteten und diesen bald auch in Ersingen anbieten.
FOTO: ELISABETH SOMMER Die Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer (l.) und Bürgermeis­ter Friedrich Nägele erkundigte­n sich bei zwei Oberdischi­nger Handwerksb­etrieben nach den Auswirkung­en der Corona-Pandemie. So auch bei Bäckermeis­ter Jürgen Volz (r.) und seiner Frau Corinna, die wegen des Lockdowns einen Lieferserv­ice in Oberdischi­ngen starteten und diesen bald auch in Ersingen anbieten.
 ?? FOTO: ELISABETH SOMMER ?? Elektrotec­hnikmeiste­r Holger Hess hat die Schattense­iten der Coronaschu­tzmaßnahme­n massiv kennengele­rnt.
FOTO: ELISABETH SOMMER Elektrotec­hnikmeiste­r Holger Hess hat die Schattense­iten der Coronaschu­tzmaßnahme­n massiv kennengele­rnt.

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