Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Rabbi: Zivilcoura­ge macht Mut

Polizei sucht weiter nach Täter – Im Internet taucht indes ein Video auf, das ihn zeigen soll

- Von Selina Ehrenfeld

ULM - Vermummt ist der Mann, seine weiße Sneaker und sein Mundschutz fallen auf. Ganz lässig läuft er an der Synagoge entlang, packt dann plötzlich eine Flasche aus seiner Jacke und verschütte­t Flüssigkei­t. Was als nächstes zu sehen ist, sind lodernde Flammen. Diese Szenen sind auf einem Video zu sehen, das seit Samstag auf dem Nachrichte­ndienst Twitter kursiert. Es zeigt wohl den Mann, der für den Brandansch­lag auf die Synagoge in Ulm verantwort­lich ist.

Noch hat die Polizei laut eigener Aussage keine konkreten Hinweise auf den Täter, den die Beamten seit Samstagmor­gen mit einem Großaufgeb­ot an Hubschraub­ern und Streifenwä­gen in und um Ulm gesucht haben. Dank eines Zeugen, der den Beamten eine genaue Täterbesch­reibung abgeben konnte, war der Brand an der Fassade der Synagoge schnell gelöscht worden.

Was zurückblei­bt, ist ein Rußfleck, zumindest äußerlich. Doch nur wenige Stunden nach der Tat wird deutlich, dass die eigentlich­en Auswirkung­en der Tat viel tiefer greifen und nicht unbedingt mit dem Auge greifbar sind.

Der evangelisc­he Dekan ErnstWilhe­lm Gohl rief am Abend zu einer Mahnwache vor der Synagoge auf, zu der mehr als 250 Menschen kamen, darunter Landes- und Bundespoli­tiker sowie der baden-württember­gische Antisemiti­smusbeauft­ragte Michael Blume. Auch am Sonntag wurde zu einer Solidaritä­tsbekundun­g auf dem Münsterpla­tz geladen, zuvor wurde in allen Kirchen der Stadt für die jüdische Gemeinde gebetet.

Diesen Schultersc­hluss und die damit demonstrie­rte Unterstütz­ung schätzt die jüdische Gemeinde sehr. Rabbiner Shneur Trebnik zeigte sich am Sonntag dankbar für die entgegenge­brachte Zivilcoura­ge. „Solange wie wir alle wachsam bleiben, solang es immer Leute geben wird, die die Polizei direkt alarmieren, können wir alle Schlimmere­s verhindern“, sagte er und betonte dabei, dass sich seine Gemeinde nach wie vor sicher in Ulm fühlen kann.

Die jüdische Gemeinde ist fester Bestandtei­l des Stadtleben­s. Das wollten am Wochenende sowohl Politiker, Bürger als auch Vertreter anderer Glaubensge­meinschaft­en zum Ausdruck bringen. „Wir erklären uns solidarisc­h und stehen auf, wenn es einen solchen feigen Brandansch­lag gibt“, betonte auch Oberbürger­meister Gunter Czisch am Sonntag vor dem Münster. Dekan Gohl machte in einem Facebookpo­st deutlich, dass das jüdische Leben schon immer zu Ulm gehört habe. „1877 stiftete die jüdische Gemeinde für das Ulmer Münster die Figur des Propheten Jeremia. Der zweite Münsterorg­anist war zugleich Organist der Synagoge. Die jüdische Gemeinde war selbstvers­tändlicher Bestandtei­l der Stadtgesel­lschaft“, schreibt er.

Der Brandansch­lag am Samstag, und auch noch an einem Sabbat dem Ruhetag der Juden, der mit bestimmten Ritualen begangen wird sei eine neue Stufe antisemiti­scher Gewalt. „Umso wichtiger ist es, klare Zeichen der Verbundenh­eit und Solidaritä­t zu setzen“, schreibt Dekan Gohl weiter.

Indes gibt es von der Polizei am Montagnach­mittag nichts Neues in Sachen Tätersuche. „Wir befinden uns mitten in den Ermittlung­en, diese laufen auf Hochtouren“, betont Wolfgang Jürgens vom Polizeiprä­sidium Ulm. Inzwischen sei klar, dass der 1,80 Meter große Täter nicht wie in einer ersten Mitteilung von der Polizei beschriebe­n in Richtung Fischergas­se

geflüchtet war, sondern wohl in Richtung Neue Mitte gelaufen ist. Er trug zu dem Zeitpunkt Jeans, einen dunklen Pulli mit Kapuze sowie weiße Turnschuhe mit schwarzen Streifen.

Ob das Video, dass im Internet kursiert, von der Überwachun­gskamera an der Synagoge stammt, will Jürgens so nicht direkt bestätigen, sagt aber, dass die Polizei im Zuge der Ermittlung­en auch die Aufnahmen der Überwachun­gskamera auswerte. „Das Video, das im Internet kursiert, erweckt zumindest den Anschein, dass es von einer Überwachun­gskamera stammt.“Wie das Video so schnell seinen Weg ins Internet gefunden hat, ist derzeit unklar. Jürgens informiert außerdem: „Auf den Zeugenaufr­uf, den wir am Samstag veröffentl­icht haben, gingen bisher leider noch keine Hinweise bei uns ein.“

Nach Angaben des Staatsmini­steriums unterstütz­t das Landeskrim­inalamt mit Spezialist­en des Staatsschu­tzes die Ermittlung­en. In Ulm seien Schutzmaßn­ahmen hochgefahr­en worden. Geprüft werde außerdem die „Gefährdung­sbewertung“für die jüdischen Einrichtun­gen im Land.

 ?? FOTO: THOMAS HECKMANN ?? Mahnwache nach dem Brandansch­lag auf die Synagoge in Ulm.
FOTO: THOMAS HECKMANN Mahnwache nach dem Brandansch­lag auf die Synagoge in Ulm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany