Die Bundeswehr nimmt Schaden
V● on einer „politischen Zäsur, die uns erschüttert und die Welt verändern wird“, spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Blick auf Afghanistan. Diese Einschätzung wird in Berlin derzeit breit geteilt. Was daraus aber konkret für die deutsche Außenpolitik folgen wird, ist noch nicht absehbar. Unklar ist auch, welches Ausmaß die Folgen der afghanischen Implosion nach zwei Jahrzehnten internationalen Engagements für die Bundeswehr selbst haben werden. Einiges zeichnet sich aber schon ab.
Dort, am Hindukusch, sei die deutsche Nachkriegsarmee erwachsen geworden, lautet eine alte Einschätzung. Dort habe die Bundeswehr das Sterben und das Töten gelernt, heißt es weiter. Wobei es in Wahrheit weniger die Truppe selbst war, die vor dieser bitteren Seite von Militäreinsätzen lange die Augen verschlossen hatte, sondern die deutsche Öffentlichkeit – einschließlich vieler Spitzenpolitiker. Man erinnere sich, wie schwer sich die Bundesregierung mit Angela Merkel vor rund zehn Jahren mit Begriffen wie „Krieg“und „Gefallene“tat. Dahinter stand nicht nur die verständliche Distanz zur deutschen Vergangenheit, sondern auch der Versuch, sich eine brutale Realität vom Leib zu halten. Man wollte Gutes tun in aller Welt, nicht Schlachten schlagen. Man wollte Frieden schaffen ohne Waffen. Und nun war in Afghanistan alles vergebens. 59 Deutsche verloren am Hindukusch ihr Leben, und die Frage nach dem „wofür“kann angesichts der Bilder aus Kabul derzeit niemand überzeugend beantworten.
In der Bundeswehr wird die Schuld vor allem der Politik gegeben. Klar ist aber, Schaden nimmt die Truppe insgesamt, das afghanische Desaster fliegt mit der Bundeswehr nach Hause. Für die ohnehin nicht einfache Rekrutierung von Nachwuchs für die Truppe sind die zurückliegenden Tage und Wochen alles andere als ein Werbefilm. Und bei der Bundeswehr selbst dürfte die Motivation schwinden; bei den noch laufenden Einsätzen wie in Mali ebenso wie bei künftigen Missionen. Wenn es solche in absehbarer Zeit überhaupt noch geben sollte.