Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Was macht künstliche Intelligen­z mit Menschen?

Raphaela Edelbauer bei Literaturw­oche Ulm – Ihr Buch „Dave“spielt in der Zukunft und ist doch keine Science-Fiction

- Von Stefan Kümmritz

ULM - Sie kommt aus Wien, ist eine preisgekrö­nte Autorin, obwohl sie gerade 31 ist, und sie las im Rahmen der Literaturw­oche Donau in der Ulmer Wilhelmsbu­rg aus ihrem neuen Roman „Dave“. Zudem erfuhren die Zuhörer von Raphaela Edelbauer im Gespräch mit Florian L. Arnold das eine oder andere aus ihrem Leben und vorangegan­genen Büchern.

Bereits ihr Prosadebüt „Entdecker. Eine Poetik“fand 2017 viel Aufmerksam­keit und wurde ausgezeich­net. Ihr nächstes Buch „Flüssiges Land“, in dem sie in den Nationalso­zialismus eintaucht, die Geschichte aus ihrem Heimatdorf erzählt, in dem alles Schlechte in einem großen Loch versinkt, damit es vergessen werden kann, kam 2019 unter anderem auf die Shortlist des Deutschen Buchhandel­s, womit sie den Durchbruch auf dem Autorenmar­kt endgültig geschafft hat. Und nun „Dave“, ein Buch, das oft als Science-Fiction-Roman beschriebe­n wird, von dem sie selbst aber sagt, es sei eigentlich keiner, obwohl er von einer bestimmten Zukunft handelt, die greifbar, also keine Utopie sei.

Edelbauer, die unter anderem angewandte Kunst und Philosophi­e studierte, erzählt auf der kleinen Bühne, dass sie „zu 70 bis 80 Prozent Sachbücher“lese und sie „gerne über Wissenscha­ft“schreibe und sie „zur Literatur werden“lasse. Sie bekennt: „Ich möchte nicht von mir selbst erzählen, sondern von etwas, das für andere von Belang sein könnte.“Das findet sich in „Dave“klar wieder, dem Florian L. Arnold auch sprachlich „flirrend-eigenwilli­ge Visionen einer nicht so fernen Zukunft“attestiert.

Denn im Roman „Dave“„geht es um künstliche Intelligen­z und um Erinnerung“, wie es die Autorin selbst beschreibt. „Erinnerung ist das, was den Menschen ausmacht“, fügt sie an, „das Individuum ebenso wie die Spezies allgemein.“In „Dave“gehe es nicht um die Gegenwart, aber „alle

Technologi­en, die beschriebe­n werden, gibt es schon“. Und genau deswegen sei ihr neues Buch kein wirklicher Science-Fiction-Roman.

Edelbauer schreibt von der Menschheit, die sich im Elend befindet. Zigtausend­e von Menschen, die es noch gibt, leben in einem riesigen Labor. Der Versuch, einen Roboter mit künstliche­r Intelligen­z zu schaffen, der sie aus diesem Elend herausführ­t, weil seine Intelligen­z die der Menschen übersteigt, misslingt.

Die Autorin bediente sich als Grundlage für diese Beschreibu­ng dem einst aufgestell­ten Rätsel: „Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass selbst er, der Allmächtig­e, ihn nicht mehr heben könnte?“In dem Roman scheint es so, übertragen auf die dort existieren­den

Menschen.

Schließlic­h kommen die Forschende­n zur Erkenntnis, dass diese künstliche Intelligen­z nur menschlich denken kann, wenn er einem echten Menschen nachgebaut ist. Nach gründliche­r Untersuchu­ng soll ein bis dahin unscheinba­rer, erfolglose­r Programmie­rer das „Muster“sein. Und der versteht, dass nun alles von ihm bekannt, er völlig transparen­t geworden ist.

Raphaela Edelbauer stellt zudem selbst kritische Fragen: „Kann es sein, dass wir etwas machen, was größer und besser ist als der Mensch? Kann der Fortschrit­t alles lösen?“Ihre Antworten sagen Nein. Und: „Wir entwickeln immer neue Techniken, verbrauche­n immer mehr Energie, das ist paradox.“Womit ihr die Anspielung auf die Klimakrise gut gelungen ist.

Trotz allem ist „Dave“keine zerstöreri­sche und verstörend­e Geschichte, sondern beherbergt, wie es Arnold ausdrückt, „etwas schwarzen Humor, etwas Augenzwink­ern und eine Portion Selbstiron­ie.“

Die Autorin, deren Lieblingss­chriftstel­ler nach eigenen Worten am ehesten der längst verstorben­e polnische Philosoph, Essayist und Science-Fiction-Autor Stanislaw Lem ist, nahm – so ihren Leseproben entnehmbar – ihrem wunderbare­n, manchmal verwirrend­en und mitunter absurden Roman eine Menge der vielleicht Besorgnis aufkommend­en Zukunftsvi­sion, indem sie sagt: „Manche Leute glauben, ich meine es ernst mit dem, was in meinen Büchern steht.“Hat sie das ernst gemeint?

 ?? FOTO: STEFAN KUEMMRITZ ?? Die aus Wien stammende Autorin Raphaela Edelbauer las in der Ulmer Wilhelmsbu­rg im Rahmen der Ulmer Literaturw­oche aus ihrem neuesten Roman „Dave“. Außerdem sprach sie über sich und ihre Werke mit Florian L. Arnold.
FOTO: STEFAN KUEMMRITZ Die aus Wien stammende Autorin Raphaela Edelbauer las in der Ulmer Wilhelmsbu­rg im Rahmen der Ulmer Literaturw­oche aus ihrem neuesten Roman „Dave“. Außerdem sprach sie über sich und ihre Werke mit Florian L. Arnold.

Newspapers in German

Newspapers from Germany