Was macht künstliche Intelligenz mit Menschen?
Raphaela Edelbauer bei Literaturwoche Ulm – Ihr Buch „Dave“spielt in der Zukunft und ist doch keine Science-Fiction
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ULM - Sie kommt aus Wien, ist eine preisgekrönte Autorin, obwohl sie gerade 31 ist, und sie las im Rahmen der Literaturwoche Donau in der Ulmer Wilhelmsburg aus ihrem neuen Roman „Dave“. Zudem erfuhren die Zuhörer von Raphaela Edelbauer im Gespräch mit Florian L. Arnold das eine oder andere aus ihrem Leben und vorangegangenen Büchern.
Bereits ihr Prosadebüt „Entdecker. Eine Poetik“fand 2017 viel Aufmerksamkeit und wurde ausgezeichnet. Ihr nächstes Buch „Flüssiges Land“, in dem sie in den Nationalsozialismus eintaucht, die Geschichte aus ihrem Heimatdorf erzählt, in dem alles Schlechte in einem großen Loch versinkt, damit es vergessen werden kann, kam 2019 unter anderem auf die Shortlist des Deutschen Buchhandels, womit sie den Durchbruch auf dem Autorenmarkt endgültig geschafft hat. Und nun „Dave“, ein Buch, das oft als Science-Fiction-Roman beschrieben wird, von dem sie selbst aber sagt, es sei eigentlich keiner, obwohl er von einer bestimmten Zukunft handelt, die greifbar, also keine Utopie sei.
Edelbauer, die unter anderem angewandte Kunst und Philosophie studierte, erzählt auf der kleinen Bühne, dass sie „zu 70 bis 80 Prozent Sachbücher“lese und sie „gerne über Wissenschaft“schreibe und sie „zur Literatur werden“lasse. Sie bekennt: „Ich möchte nicht von mir selbst erzählen, sondern von etwas, das für andere von Belang sein könnte.“Das findet sich in „Dave“klar wieder, dem Florian L. Arnold auch sprachlich „flirrend-eigenwillige Visionen einer nicht so fernen Zukunft“attestiert.
Denn im Roman „Dave“„geht es um künstliche Intelligenz und um Erinnerung“, wie es die Autorin selbst beschreibt. „Erinnerung ist das, was den Menschen ausmacht“, fügt sie an, „das Individuum ebenso wie die Spezies allgemein.“In „Dave“gehe es nicht um die Gegenwart, aber „alle
Technologien, die beschrieben werden, gibt es schon“. Und genau deswegen sei ihr neues Buch kein wirklicher Science-Fiction-Roman.
Edelbauer schreibt von der Menschheit, die sich im Elend befindet. Zigtausende von Menschen, die es noch gibt, leben in einem riesigen Labor. Der Versuch, einen Roboter mit künstlicher Intelligenz zu schaffen, der sie aus diesem Elend herausführt, weil seine Intelligenz die der Menschen übersteigt, misslingt.
Die Autorin bediente sich als Grundlage für diese Beschreibung dem einst aufgestellten Rätsel: „Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass selbst er, der Allmächtige, ihn nicht mehr heben könnte?“In dem Roman scheint es so, übertragen auf die dort existierenden
Menschen.
Schließlich kommen die Forschenden zur Erkenntnis, dass diese künstliche Intelligenz nur menschlich denken kann, wenn er einem echten Menschen nachgebaut ist. Nach gründlicher Untersuchung soll ein bis dahin unscheinbarer, erfolgloser Programmierer das „Muster“sein. Und der versteht, dass nun alles von ihm bekannt, er völlig transparent geworden ist.
Raphaela Edelbauer stellt zudem selbst kritische Fragen: „Kann es sein, dass wir etwas machen, was größer und besser ist als der Mensch? Kann der Fortschritt alles lösen?“Ihre Antworten sagen Nein. Und: „Wir entwickeln immer neue Techniken, verbrauchen immer mehr Energie, das ist paradox.“Womit ihr die Anspielung auf die Klimakrise gut gelungen ist.
Trotz allem ist „Dave“keine zerstörerische und verstörende Geschichte, sondern beherbergt, wie es Arnold ausdrückt, „etwas schwarzen Humor, etwas Augenzwinkern und eine Portion Selbstironie.“
Die Autorin, deren Lieblingsschriftsteller nach eigenen Worten am ehesten der längst verstorbene polnische Philosoph, Essayist und Science-Fiction-Autor Stanislaw Lem ist, nahm – so ihren Leseproben entnehmbar – ihrem wunderbaren, manchmal verwirrenden und mitunter absurden Roman eine Menge der vielleicht Besorgnis aufkommenden Zukunftsvision, indem sie sagt: „Manche Leute glauben, ich meine es ernst mit dem, was in meinen Büchern steht.“Hat sie das ernst gemeint?