Die Renaissance der Juppe
In einer Werkstatt im Bregenzerwald wird eine besondere Tradition gepflegt
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ast wäre ein Schatz der Bregenzerwälderinnen verloren gegangen. Es geht nicht um ein Essen oder ein Getränk – vielmehr um die Juppe, die Tracht der Wälderinnen. Ein plissiertes, also in Falten gelegtes, heute ristlang getragenes Kurzmiederkleid, für das 2500 Schlingstiche erforderlich sind, um die gewünschte Silhouette und Dehnbarkeit zu erreichen, und in dem bis zu 170 Arbeitsstunden stecken. Es existieren von der Juppe verschiedene Ausführungen, es gibt sie aber in keinem Geschäft zu kaufen. Die spannende Geschichte dieses Gewands, die bis ins Frühmittelalter zurückgeht, wird in der Juppenwerkstatt Riefensberg im Bregenzerwald präsentiert – neben anderen Trachten. Doch es handelt sich dabei keineswegs um ein verstaubtes Museum – vielmehr schaffen es die Macherinnen dieses einzigartigen Hauses, den Bogen in die Gegenwart, sogar in die Zukunft zu schlagen.
Auf einer Bank im ersten Stock der Juppenwerkstatt sitzt Maria Rose Steurer-Lang – und zwar kerzengerade. Schnell wird deutlich: Bequem sitzen sieht anders aus. Und so handelt es sich auch nicht gerade um die Lieblingshaltung der Kunsthistorikerin. Vielmehr zeigt sie in einer Führung, wie Frauen sitzen müssen, die eine Bregenzerwälder Juppe tragen. Natürlich der Eleganz wegen, aber auch aus einem ganz banalen Grund: Die Falten der wunderschönen Tracht dürfen nicht zerstört werden. Dieses und auch anderes Wissen haben die Wälderinnen Generation um Generation mündlich weitergegeben. Trotzdem wurden immer weniger Trachten getragen – um die Jahrtausendwende war es um die Juppe schlecht bestellt.
Glücklicherweise setzte ebenfalls um die Jahrtausendwende über die Landesgrenzen hinaus ein Trachtenboom ein, der sich nicht nur auf dem Münchner Oktoberfest, sondern auch im Bregenzerwald bemerkbar machte. Zur gleichen Zeit ließ sich Martina Mätzler, eine Textillehrerin an der Berufsschule in Dornbirn, bis 2012 Trachtenreferentin im Vorarlberger Landestrachtenverband, von
Manfred Fritz, dem letzten Bregenzerwälder Juppenfärbermeister, in die Geheimnisse der Juppenherstellung einweihen und hielt so die traditionelle Glanzleinenvariante der Juppe mit ihrem Team am Leben. 2003 wurde die Juppenwerkstatt, die von einem gemeinnützigen Verein zur Pflege der Bregenzerwälder Trachten in einem ehemaligen Bregenzerwälder Wirtshaus betrieben wird, eröffnet. Martina Mätzler und die Kunsthistorikerin Maria Rose
Steurer-Lang dokumentierten 2013 die überlieferten Gepflogenheiten der Bregenzerwälder Trachtenkultur, um jungen Trachtenträgerinnen einen Leitfaden zu bieten.
Wer eine eigene Juppe haben möchte, muss einen langwierigen Prozess durchlaufen, über den es in der Juppenwerkstatt viel zu sehen und zu erfahren gibt: Zunächst wird der schwarze, steife, glänzende und in unzählige Falten gelegte Leinenstoff hergestellt. Das bedeutet: Der