Von unbekannten Schätzen und Bausünden
Der pensionierte Stadtgestalter Reinhold Ege geht mit einem ganz eigenen Blick durch Ehingen
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EHINGEN - Mit einer Vielzahl unbekannter Schätze aber auch Bausünden einer Stadt hat der pensionierte Stadtgestalter Reinhold Ege bei einem virtuellen Stadtspaziergang die Freunde der Museumsgesellschaft bekannt gemacht. Was sich so bei einem alltäglichen Gang durch die Stadt nicht gleich erschließt, hat Ege mit der Kamera eingefangen. Viel Schönes und auch weniger Schönes erkannten die rund 70 Besucher auf den Bildern, wussten aber meist sofort, wo das Motiv zu finden ist.
Wobei der Begriff Bausünde ganz unterschiedlich definiert wird. Um es mit den Worten des umweltbewusste Prinz Charles zu sagen: „Die modernen Architekten haben unsere Städte nachhaltiger zerstört als die Bomben des Zweiten Weltkrieges.“Stararchitekt Le Corbusier dagegen wollte alle Kathedralen in Paris abreißen und auf deren Gelände Hochhäuser errichten. „Schön ist im Lehrplan der Architektur heute nicht mehr vorgesehen“, sagte Ege.
Er zeigte Bilder vom Gänsberg als der ältesten Gasse in Ehingen, zeigte den Grundriss eines dreieckigen Hauses, und dass bei alten Fachwerkhäusern der Fußboden bis nach ganz außen gezogen wird, damit Balken nach oben darauf Halt haben. Metall ist in den Häusern so gut wie nie verarbeitet worden, es war viel zu teuer.
„Beispiele für gelungene Bebauung in der Altstadt gibt es viele, so ist hinter dem Landratsamt eine schöne Freifläche entstanden, aber die Plattform aus Holz an der Schmiech ist ein ganz hässliches Beispiel“, fand Ege.
Das Fachwerkhaus in der Kasernengasse aus dem 15. Jahrhundert zeigte viele interessante Details. Bei einem Haus in der Schulgasse Ecke Sonnengasse ist ein überdachter Gang zu sehen, der blind endet. Hier wurde die Toilette einfach abgeschnitten, als das Haus ein WC bekam.
Ege erzählte, dass das Bett der
Schmiech früher viel tiefer lag und höher gelegt werden musste, damit die Kästlesmühle Wasser bekam.
Unterhalb der Mühle standen viele Gerberhäuser, die zum größten Teil sehr liebe- und stilvoll saniert wurden. Ringe zum Anbinden von Zugtieren findet man noch in der Mauer bei der Heckenmühle. Ege zeigte auf seinen Bildern, dass die Wärmestube mit nur einem winzigen oder gar keinem Fenster
oft der einzige geheizte Raum im Winter war. Ein ganz und gar unscheinbares Haus in der Tuchergasse bezeichnete Ege als kleines Juwel. Es stammt aus dem 14. Jahrhundert, vermutete er und bedauerte, dass das Denkmalamt daran kein Interesse hat. Das seitlich versetzte Dachfenster beweist, dass der Mittelbalken von der Dachspitze bis zum Boden reicht. Viele Bilder aus der Webergasse und Brandgasse würde man heute als Beispiele für sehr verdichtetes Wohnen sehen, so Ege.
Abenteuerlich noch landwirtschaftlich geprägt sind die Rückansichten mancher Häuser in der Oberen Hauptstraße, zeigte Ege am Beispiel des früheren Grünen Baum. Die evangelische Stadtkirche und das angrenzende Pfarrhaus sind wenige Beispiele für Klinkerbauweise in der Stadt. Der gleiche Architekt hat auch den Ehinger Bahnhof gebaut.
Wie unterschiedlich bei der Sanierung von beieinanderstehenden Häusern vorgegangen wurde, zeigen Bilder
aus der Zementwerk- und Pfisterstraße. Bei einem Haus fand Ege sie gelungen, bei dem daneben hässlich. „Türen sind die Visitenkarten des Hauses“, sagte der Stadtgestalter. Viele alte Wirtshaustüren haben einen Platz in Privathäusern gefunden.
Wunderschön im reinen Jugendstil ist die Tür im Eingangsbereich eines Hauses in der Hindenburgstraße, nur die blaue Tonne davor störte Ege. In einem anderen Fall wurde bei der echten Jugendstiltür mit einem Beschlag aus dem Baumarkt gespart. Dachfenstern hatte Ege viel Aufmerksamkeit gewidmet. Bei manchen sieht man noch den Hebehaken, an dem früher Lasten hochgezogen wurden. Ein Haus hat einen schieferverkleideten Giebel, sehr selten hier in der Gegend.
Der Baumeister Max Buck hat oft das Traufgesims um die Hausecke herum gelegt, das sei typisch für Ehingen, so Ege. Als Musterbeispiel für eine gelungene Sanierung nannte er den Giebel der Marienapotheke. „Da wurde mit viel Liebe zum Detail gearbeitet. Besonders gelungen ist das aufgemalte Fenster, ein „Augentäuscher“, erklärte er. Diese aufgemalten Fenster kommen häufiger vor. Sie haben oft echte Fensterläden und im Fenster sitzt gern ein aufgemalter Vogel. Auch Türen sind manchmal aufgemalt, haben aber einen echten Griff. Früher im Winter übliche Vorfenster zur Wärmedämmung zeigte Ege und immer wieder gut an den Baustil angepasste Sprossenfenster, bei denen die Sprossen heute innen liegen, und die daher einfach zu putzen sind.
Besonders schöne Wirtshausschilder und die von Handwerksbetrieben sahen die Besucher auf den Bildern, auch religiöse Malereien auf Häusern. Für den letzten Teil des über zweistündigen virtuellen Spaziergangs hatte Ege besonders schöne Wetterfahnen und Blitzableiter gewählt. Die Freunde der Museumsgesellschaft hatten ihm mit großer Spannung zugehört, der Vorsitzende Franz Bartmann dankte Ege und freute sich schon auf den nächsten Vortrag des Stadtgestalters.