Care-Arbeit: Kind zwischen Küche und Büro
Caritas diskutiert am Stammtisch über Rollenmodelle und mögliche Veränderungen
EHINGEN (meni) - Frauen kümmern sich um den Haushalt und die Kinder und gehen maximal ein paar Stunden pro Woche quasi nebenher arbeiten. Männer bringen das Geld nach Hause. Lange Jahre prägte diese Rollenverteilung die Gesellschaft. Was sich in den vergangenen Jahren geändert hat und wie diese Prozesse weiter vorangetrieben werden könnten, darüber hat die Caritas Ulm-Alb-Donau am Dienstagabend bei einem Feierabendbier im Bistro 84 am Stammtisch unter Leitung von Oliver Schütz von der Katholischen Erwachsenenbildung diskutiert und an zwei Beispielen gezeigt, wie es in Familien auch anders laufen kann.
Mit Herzblut und persönlichem Einsatz pflegt ein Familienvater mit zwei fast erwachsenen Kindern seit einigen Jahren seine schwerstkranke Frau. „Häusliche Pflege ist für uns das Beste“, betont er am Stammtisch der Caritas. Dass seine Frau nicht mehr leben würde, wäre sie in einem Heim, da ist sich der Mann sehr sicher.
Er selbst ist aktuell krank geschrieben. Schon zum dritten Mal hat er einen Bandscheibenvorfall erlitten, ans Arbeiten ist derzeit ohnehin nicht zu denken, denn die Pflege seiner Frau nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Zeit, die er sich gerne nimmt. Anfangs hatte die Familie noch Auszeiten, weil die Frau bisweilen in der Tagespflege unterkam. Doch das geht schon seit einer Weile nicht mehr, denn der Pflegeaufwand ist schlicht zu hoch.
In den Haushalt musste er erst hineinfinden. Das Kochen, so sagt er selbst, liegt ihm bis heute nicht. Seine Tochter übernimmt das oft. Er schrieb sich Merkzettel für Haushaltstätigkeiten. „Und beim Thema Wäsche musste ich mich erst hineinfuchsen“, gibt er zu. Die Familie kommt zurecht. Auch finanziell ginge es schon. Aber: „Die Relation der Zahlungen stimmt einfach nicht“, kritisiert der Mann. Er bekommt Pflegegeld, Kosten für einen Pflegedienst würden davon wieder abgezogen.
Ins Familienleben hineinfuchsen musste sich auch ein Arzt aus Ehingen, der nicht nur zwei Monate Elternzeit nahm, sondern insgesamt neun daheim blieb, um sich um die kleine Tochter zu kümmern, während seine Frau – ebenfalls Ärztin – ins Krankenhaus zurückkehrte. „Ein Mann in Elternzeit ist unkritisch. Ungewöhnlich waren bei mir aber Zeitpunkt und Länge“, sagt er rückblickend.
Die Tochter ist heute etwa drei Jahre alt und geht in die Kita. Als seine Frau wieder an die Arbeit ging, war die Kleine sechs Monate alt und wurde gerade abgestillt. Eine harte Zeit für den Vater. „Das würden wir rückblickend wohl anders machen, weil der Umbruch zwischen Stillen und Brei schwierig war“, sagt er heute. Was er nicht in Zweifel zieht, ist die Länge der Elternzeit, die er sehr genossen hat. „Aber wir hatten auch nie so das klassische Rollenbild“, ergänzt er. Für seine männlichen Kollegen hat er trotzdem ein bisschen „Pionierarbeit“geleistet. „Die Arbeitszeitmodelle in vielen Berufen sind nach wie vor etwas verkrustet.“
Inzwischen arbeiten der Arzt und seine Frau beide wieder – allerdings in Teilzeit. Abwechselnd holen sie die Tochter von der Kita ab und teilen sich den Haushalt. Sie stoßen nach wie vor auf Hürden, beispielsweise wenn beide am OP-Tisch stehen und die Kita anruft, dass die Tochter krank ist.
„Normal“ist es noch nicht geworden, dass Männer länger als zwei Monate Elternzeit nehmen, wenn der Nachwuchs auf die Welt kommt. Auch Benjamin Henn von der Caritas und Organisator des Abends, hat nur zwei Monate daheim verbracht. „Und ganz typisch im zweiten Monat das Haus renoviert.“
Trotzdem habe sich in den vergangenen Jahren viel geändert, wirft eine Frau ein, deren Kinder inzwischen fast erwachsen sind. Doch als diese klein waren, hieß die Elternzeit noch Erziehungsurlaub, obwohl die Zeit vieles ist, aber sicher kein Urlaub, wie sich alle am Tisch einig waren. Auch ihr Mann blieb beim ersten Kind teilweise daheim, indem er die Arbeitszeit reduzierte. Doch schon beim zweiten Kind war das auch aus rein finanzieller Sicht nicht mehr möglich.
Dass auch heute die Sorgearbeit in Familien noch nicht gleich verteilt ist, obwohl sich vieles verändert hat, schlüsselte Moderator Oliver Schütz auf. Zwar würden Männer oft sagen, dass sie sich genauso engagieren, aber rein zeitlich gesehen liegt der Anteil der Arbeit, die Frauen einbringen, täglich um 87 Minuten höher als der von Männern. Doch entlohnt wird dieser Aufwand nicht. „Die Entscheidung, wer sich kümmert und daheim bleibt, ist oft auch eine finanzielle“, ergänzte Schütz. Dazu komme, dass Familien heute nicht mehr unbedingt an einem Ort wohnen und sicherlich gebe es auch Unterschiede zwischen Stadt und Land.
Gerade in Fällen, in denen die Familie nicht an einem Ort wohne, könnten daher auch ehrenamtliche Angebote wie Nachbarschaftshilfe wichtig werden. Was aber schwierig sei, wie eine weitere Frau der Runde zu bedenken gab, da immer weniger Menschen die Zeit haben, sich umfassend ehrenamtlich zu engagieren.
Einfache Lösungen für die unterschiedlichen Herausforderungen in den Familien kann es nicht geben. Doch das Thema ist wichtig und eines, bei dem jeder aus irgendeiner Perspektive mitreden kann, war sich Benjamin Henn am Ende des Abends sicher.