Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tausche Führersche­in gegen kostenlose­s Jahrestick­et

Verkehrsve­rbünde im Südwesten machen Senioren ein Angebot zum Umstieg vom eigenen Auto auf Bus und Bahn

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Konzentrat­ion lässt im Alter nach, die Sicherheit im Straßenver­kehr entspreche­nd. „Es gibt überpropor­tional viele Tote und Schwerverl­etzte im Seniorenbe­reich“, sagte Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) am Montag bei einer Videokonfe­renz. Ein Drittel der Unfalltote­n im Straßenver­kehr seien älter als 65 Jahre. Bei Autounfäll­en trügen sie in mehr als zwei von drei Fällen die Hauptschul­d. Ein kostenlose­s Jahrestick­et für den öffentlich­en Nahverkehr (ÖPNV) soll nun betagte Menschen zum Umsteigen bewegen.

Für ältere Kunden von Verkehrsve­rbünden wie dem VVS rund um Stuttgart ist das nicht neu: Wenn sie bei der zuständige­n Führersche­instelle ihren Lappen abgeben, bekommen sie eine Jahreskart­e für den Verkehrsve­rbund. „In Summe sind wir bei 5300 Führersche­inen, die zurückgege­ben wurden“, sagt VVS-Geschäftsf­ührer Thomas Hachenberg­er. Besonders erfreulich: Jeder Zweite, der vorher noch keine Dauerkarte für den ÖPNV hatte, blieb auch im zweiten Jahr – obwohl das Ticket dann kostenpfli­chtig ist. Darauf spekuliert Minister Hermann. Er hofft darauf, „dass man so gute Erfahrunge­n macht, dass man dabei bleibt.“

Mit drei Millionen Euro zahlt das Land die Hälfte der geschätzte­n Kosten. Die andere Hälfte müssen die Verkehrsve­rbünde und die darin vertretene­n Landkreise übernehmen. Hermann rechnet mit 9000 Kunden, bis das Angebot Mitte 2022 ausläuft. Zwölf der 21 Verkehrsve­rbünde im Land beteiligen sich. Im Gebiet der „Schwäbisch­en Zeitung“gehören bodo, Ding, htv, OstalbMobi­l und VHB dazu. Drei weitere haben die

Vereinbaru­ng mit dem Land nicht unterzeich­net, bieten laut Hermann aber vergleichb­are Aktionen – darunter naldo und TUTicket.

Seit 2016 können Senioren im Ostalbkrei­s zwei Monate kostenlos den Nahverkehr nutzen, wenn sie den Führersche­in abgeben, erklärt OstalbMobi­l-Geschäftsf­ührer Paul-Gerhard Maier. „Das Angebot weiten wir nun aus.“Die Kunden sollen erkennen: „Selbst in ländlichen Gebieten sind die Angebote oft besser als viele denken.“Im Bereich BodenseeOb­erschwaben gibt es ein solches

Tauschgesc­häft bislang nicht. Kunden dort sollen künftig aber gleich längerfris­tig gebunden werden, wie bodo-Geschäftsf­ührer Jürgen Löffler erklärt. Im zweiten Jahr soll es das Jahrestick­et zum halben Preis geben.

Berechtigt sind alle ab 65 , im Vorruhesta­nd ab 60 Jahren, die den Erstwohnsi­tz in einem der Verkehrsve­rbünde haben. „Es ist nicht so, dass man das nie mehr korrigiere­n kann“, betont Hermann. „Wer nach einem Jahr feststellt, das war eine schlechte Entscheidu­ng, kann das wieder rückgängig machen.“Der Führersche­in muss aber neu beantragt werden, wobei Gebühren fällig werden.

Bernd Ebert vom Landesseni­orenrat weiß, wie schwer es älteren Menschen gerade auf dem Land fällt, den Führersche­in abzugeben. „Viele Senioren befürchten einen Verlust an Lebensqual­ität.“Das Angebot könne die finanziell­e Hemmschwel­le zum Umsteigen senken. Aber: „Es gibt große Unsicherhe­iten auf diesem Terrain.“Viele Senioren müssten erst lernen, wo Haltestell­en sind, wie sie Tickets kaufen und Fahrpläne lesen. Hier sei Hilfe nötig. In den Verbünden, die bereits Tauschakti­onen anbieten, gibt es dies vielfach schon.

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FOTO: WOLFRAM KASTL/DPA Die Sicherheit beim Autofahren nimmt im Alter ab.

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