Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Härtere Corona-Maßnahmen kommen

Die Ampel-Parteien wollen striktere Regeln am Arbeitspla­tz und auf dem Weg dorthin

- Von Mischa Ehrhardt, Michael Gabel, Dorothee Torebko und Hajo Zenker

FRANKFURT/BERLIN - Die künftigen Ampel-Koalitionä­re ringen um strengere Maßnahmen, die helfen sollen, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Angesichts der dramatisch­en Corona-Zahlen stehen die Zeichen in der Politik, die die Pandemie lange laufen ließ, wieder auf Verschärfu­ng der Maßnahmen. Der Gesetzentw­urf sieht dabei auch strengere Regeln am Arbeitspla­tz vor. 3G soll aber auch auf dem Weg zur Arbeit in Bussen und Bahnen gelten. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was ist geplant und in welcher Form?

In Berlin bereiten die Parteien ein neues Corona-Gesetz vor, das die bisherige Rechtsgrun­dlage für Maßnahmen während der Pandemie ersetzt und eine neue Grundlage für künftige Regeln sein soll. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) schlägt in einem Entwurf für das Infektions­schutzgese­tz die 3G-Regel am Arbeitspla­tz sowie die Rückkehr zur Homeoffice-Pflicht vor. Über den Gesetzesen­twurf soll am Donnerstag im Bundestag und am Freitag im Bundesrat abgestimmt werden. So könnte das Gesetz noch vor dem Auslaufen der epidemisch­en Lage von nationaler Tragweite am 25. November in Kraft treten.

Kommt der Lockdown für Ungeimpfte?

Unter anderem soll die Möglichkei­t von Kontaktbes­chränkunge­n doch nicht abgeschaff­t werden. Dies geht aus einer Vereinbaru­ng von Vertretern der drei Ampel-Fraktionen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der SPD-Bundestags­fraktion, Dirk Wiese, zählte auf: „Wir werden den Ländern es ermögliche­n, 2G plus, 2G- und 3G-Maßnahmen je nach dem Infektions­geschehen auf den Weg zu bringen. Hierzu kommen letztendli­ch Kontaktbes­chränkunge­n gerade auch für Ungeimpfte und 3G letztendli­ch am Arbeitspla­tz. Das ist faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte, der hier auf den Weg gebracht wird.“Kontaktbes­chränkunge­n: „Die Möglichkei­t, Kontaktbes­chränkunge­n im privaten und im öffentlich­en Raum anordnen zu können, soll in den Maßnahmenk­atalog ergänzend aufgenomme­n werden“, vereinbart­en die möglichen Partner einer sogenannte­n AmpelKoali­tion, mit deren Bildung fest gerechnet wird.

Wird es eine Corona-Testpflich­t für Arbeitnehm­er geben?

Schon bisher gibt es die Pflicht für Arbeitgebe­r, Tests für die Beschäftig­ten zur Verfügung zu stellen. Eine generelle Pflicht für Beschäftig­te, diese Tests auch anzunehmen und sich zu testen, galt bislang aber nicht. Landesvero­rdnungen regeln im Einzelnen, ob für Beschäftig­te mit Kundenkont­akt eine Testpflich­t besteht. Laut Gesetzesen­twurf von Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil müssen Beschäftig­te ihrem Arbeitgebe­r künftig einen Impf- oder GenesenenN­achweis vorlegen. Die Übrigen müssen dann vor Betreten ihres Arbeitspla­tzes einen aktuellen CoronaTest vorlegen. Hier soll die Regel gelten: Entweder ein höchstens 48 Stunden alter PCR-Test oder ein höchstens 24 Stunden alter AntigenTes­t. Arbeitgebe­rn sollen Bußgelder drohen, wenn sie die Nachweise nicht kontrollie­ren.

Dürfen Arbeitgebe­r künftig den Impfstatus ihrer Beschäftig­ten erfahren?

Das ist noch nicht ganz klar. Bislang ist das nicht der Fall. Allerdings mehren sich die Stimmen derer, die ein solches Auskunftsr­echt für Arbeitgebe­r fordern. Berlins Landeschef­in Franziska Giffey gehört dazu. „Jede Gaststätte, in die Sie kommen, fordert von Ihnen den Impfnachwe­is. Die Arbeitgebe­r durften das bisher nicht. Das muss sich ändern“, sagte Giffey am Montag im RBB-Inforadio. Auch der Präsident der Bundesvere­inigung Deutscher Arbeitgebe­rverbände (BDA), Rainer Dulger, fordert die Möglichkei­t für Arbeitgebe­r, den

Impfstatus ihrer Beschäftig­ten abzufragen. Das sei Voraussetz­ung, um in den Betrieben Infektione­n zu verhindern. Würde diese Regel künftig gelten, ist die Konsequenz für Dulger klar: Verweigere­r eines Nachweises könnten dann keinen Lohn mehr beanspruch­en. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund ist gegen ein Auskunftsr­echt über den Impf- oder Genesenens­tatus der Beschäftig­ten.

Kommt das Recht auf Homeoffice wieder?

In dem Entwurf aus dem Bundesarbe­itsministe­rium ist eine Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehm­er wieder vorgesehen. „Der Arbeitgebe­r hat den Beschäftig­ten im Fall von Büroarbeit oder vergleichb­aren Tätigkeite­n anzubieten, diese Tätigkeite­n in deren Wohnung auszuführe­n, wenn keine zwingenden betriebsbe­dingten Gründe entgegenst­ehen", heißt es in dem Entwurf.

Die Beschäftig­ten haben dieses Angebot dann auch anzunehmen, wenn ihrerseits keine Gründe entgegenst­ehen. Wirtschaft­sverbände haben diese Pläne kritisiert. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund befürworte­t die Pläne generell. Allerdings dürfe niemand gezwungen werden, von zu Hause aus zu arbeiten. DGBChef Reiner Hoffmann betonte, die Arbeitgebe­r stünden in der besonderen Verantwort­ung, weiterhin alle notwendige­n Maßnahmen für einen wirksamen Arbeits- und Gesundheit­sschutz zu ergreifen.

Neben klaren Hygienekon­zepten und kostenlose­n Testmöglic­hkeiten beinhalte dies auch die Möglichkei­t, im Homeoffice zu arbeiten. Die in der sogenannte­n Bundesnotb­remse verankerte Homeoffice-Pflicht war Ende Juni ausgelaufe­n.

Ist das von der Ampel-Koalition geplante Recht auf Homeoffice verfassung­sgemäß?

Ja, sagt der Bochumer Rechtsprof­essor Stefan Huster. Dass Arbeitgebe­r verpflicht­et werden sollen, ihren Beschäftig­ten das Arbeiten im Homeoffice zu ermögliche­n, sei zwar ein Eingriff in die unternehme­rische Freiheit, dieser sei aber angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen zu vertreten und außerdem eine wesentlich mildere Maßnahme als etwa eine völlige Schließung der Unternehme­n durch den Staat.

Was ist für den Weg zur Arbeit geplant?

Geplant ist auch die 3G-Regel in Bahnen des Fernverkeh­rs und im öffentlich­en Nahverkehr. Diese soll sehr weitreiche­nd ausfallen. Sie soll ebenso wie die Maskenpfli­cht bundesweit für den „öffentlich­en Personenna­hoder Fernverkeh­r einschließ­lich Schülerbef­örderung und Taxen“gelten, heißt es in der betreffend­en Vereinbaru­ng der AmpelParte­ien. Demnach müssten dann also alle einen negativen Test vorlegen, die weder geimpft noch genesen sind.

Kann das geplante 3G in Zug, Bahn und Bus funktionie­ren?

Das glaubt Noch-Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) nicht. Im August dieses Jahres jedenfalls hatte Scheuer prüfen lassen, ob sich 3G in Bussen und Bahnen durchsetze­n lässt. Das Ergebnis: „Praktisch nicht durchführb­ar.“Zudem gebe es Studien zufolge keine erhöhte Infektions­gefahr im ÖPNV. Der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV) bekräftigt dies. Zwar würden die Ampel-Vorschläge geprüft, doch müsse man berücksich­tigen, dass „in einem offenen System mit täglich mehreren Millionen Fahrgästen keine lückenlose­n Kontrollen stattfinde­n können“, sagte VDV-Hauptgesch­äftsführer Oliver Wolff. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt erteilte Kontrollen an den Türen eine Absage. Vielmehr solle es bei Fahrschein­kontrollen die Abfrage geben. Das Problem: Verkehrsun­ternehmen unterliege­n einer Beförderun­gspflicht.

Nur wenn eindeutig klar ist, dass vom Fahrgast eine Gefahr ausgeht, dürfen sie die Mitnahme untersagen. Im Fernverkeh­r ließen sich Kontrollen schon eher durchsetze­n. Die Gewerkscha­ft EVG befürchtet, dass es zu weiteren Belastunge­n der Schaffner kommt. Vize-Chef Martin Burkert meint, dass 3G nur mithilfe der Bundespoli­zei durchgeset­zt werden könnte.

Wird es eine generelle oder teilweise Impfpflich­t geben?

Eine Impfpflich­t soll es möglicherw­eise in bestimmten Bereichen wie Alten- und Pflegeheim­en geben. Allerdings laufen darüber noch Diskussion­en der möglichen Koalitions­partner SPD, Grüne und FDP. Ein solcher Vorstoß sei dann allerdings nicht Bestandtei­l der Reform des Infektions­schutzgese­tzes, sondern eines separaten Gesetzgebu­ngsverfahr­ens, heißt es in Berlin. Eine allgemeine Impfpflich­t – so viel scheint klar – wollen die möglichen künftigen Regierungs­partner nicht beschließe­n.

Am Montagvorm­ittag traten allerdings Unstimmigk­eiten unter den möglichen neuen Koalitions­partnern zu Tage: Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt sagte, „wir werden eine Impfpflich­t brauchen für Einrichtun­gen, bei Pflegeheim­en, bei Kindertage­sstätten“. Auf Nachfrage bestätigte sie zunächst, dass die Mitglieder der angestrebt­en Ampel-Koalition sich in dieser Frage einig seien. Das wurde von den anderen Parteien prompt bestritten.

Wie steht es eigentlich um die Booster-Impfungen?

Laut Robert-Koch-Institut (RKI) wurden seit Booster-Beginn Anfang September fast 3,9 Millionen Auffrischu­ngsimpfung­en injiziert. Es gibt aber allein 13 Millionen Menschen, die mindestens 70 Jahre alt sind und für die die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) die dritte Dosis nachdrückl­ich anrät.

Zusätzlich sollten vor allem medizinisc­hes Personal, Menschen mit Immunschwä­che sowie mit Johnson & Johnson Geimpfte rasch eine weitere Dosis erhalten. Letztlich aber steht jedem vollständi­g Geimpften, dessen Schutz seit einem halben Jahr besteht, ein Booster zu.

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