Härtere Corona-Maßnahmen kommen
Die Ampel-Parteien wollen striktere Regeln am Arbeitsplatz und auf dem Weg dorthin
FRANKFURT/BERLIN - Die künftigen Ampel-Koalitionäre ringen um strengere Maßnahmen, die helfen sollen, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Angesichts der dramatischen Corona-Zahlen stehen die Zeichen in der Politik, die die Pandemie lange laufen ließ, wieder auf Verschärfung der Maßnahmen. Der Gesetzentwurf sieht dabei auch strengere Regeln am Arbeitsplatz vor. 3G soll aber auch auf dem Weg zur Arbeit in Bussen und Bahnen gelten. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist geplant und in welcher Form?
In Berlin bereiten die Parteien ein neues Corona-Gesetz vor, das die bisherige Rechtsgrundlage für Maßnahmen während der Pandemie ersetzt und eine neue Grundlage für künftige Regeln sein soll. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schlägt in einem Entwurf für das Infektionsschutzgesetz die 3G-Regel am Arbeitsplatz sowie die Rückkehr zur Homeoffice-Pflicht vor. Über den Gesetzesentwurf soll am Donnerstag im Bundestag und am Freitag im Bundesrat abgestimmt werden. So könnte das Gesetz noch vor dem Auslaufen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 25. November in Kraft treten.
Kommt der Lockdown für Ungeimpfte?
Unter anderem soll die Möglichkeit von Kontaktbeschränkungen doch nicht abgeschafft werden. Dies geht aus einer Vereinbarung von Vertretern der drei Ampel-Fraktionen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, zählte auf: „Wir werden den Ländern es ermöglichen, 2G plus, 2G- und 3G-Maßnahmen je nach dem Infektionsgeschehen auf den Weg zu bringen. Hierzu kommen letztendlich Kontaktbeschränkungen gerade auch für Ungeimpfte und 3G letztendlich am Arbeitsplatz. Das ist faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte, der hier auf den Weg gebracht wird.“Kontaktbeschränkungen: „Die Möglichkeit, Kontaktbeschränkungen im privaten und im öffentlichen Raum anordnen zu können, soll in den Maßnahmenkatalog ergänzend aufgenommen werden“, vereinbarten die möglichen Partner einer sogenannten AmpelKoalition, mit deren Bildung fest gerechnet wird.
Wird es eine Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer geben?
Schon bisher gibt es die Pflicht für Arbeitgeber, Tests für die Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Eine generelle Pflicht für Beschäftigte, diese Tests auch anzunehmen und sich zu testen, galt bislang aber nicht. Landesverordnungen regeln im Einzelnen, ob für Beschäftigte mit Kundenkontakt eine Testpflicht besteht. Laut Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil müssen Beschäftigte ihrem Arbeitgeber künftig einen Impf- oder GenesenenNachweis vorlegen. Die Übrigen müssen dann vor Betreten ihres Arbeitsplatzes einen aktuellen CoronaTest vorlegen. Hier soll die Regel gelten: Entweder ein höchstens 48 Stunden alter PCR-Test oder ein höchstens 24 Stunden alter AntigenTest. Arbeitgebern sollen Bußgelder drohen, wenn sie die Nachweise nicht kontrollieren.
Dürfen Arbeitgeber künftig den Impfstatus ihrer Beschäftigten erfahren?
Das ist noch nicht ganz klar. Bislang ist das nicht der Fall. Allerdings mehren sich die Stimmen derer, die ein solches Auskunftsrecht für Arbeitgeber fordern. Berlins Landeschefin Franziska Giffey gehört dazu. „Jede Gaststätte, in die Sie kommen, fordert von Ihnen den Impfnachweis. Die Arbeitgeber durften das bisher nicht. Das muss sich ändern“, sagte Giffey am Montag im RBB-Inforadio. Auch der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, fordert die Möglichkeit für Arbeitgeber, den
Impfstatus ihrer Beschäftigten abzufragen. Das sei Voraussetzung, um in den Betrieben Infektionen zu verhindern. Würde diese Regel künftig gelten, ist die Konsequenz für Dulger klar: Verweigerer eines Nachweises könnten dann keinen Lohn mehr beanspruchen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist gegen ein Auskunftsrecht über den Impf- oder Genesenenstatus der Beschäftigten.
Kommt das Recht auf Homeoffice wieder?
In dem Entwurf aus dem Bundesarbeitsministerium ist eine Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehmer wieder vorgesehen. „Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen", heißt es in dem Entwurf.
Die Beschäftigten haben dieses Angebot dann auch anzunehmen, wenn ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Wirtschaftsverbände haben diese Pläne kritisiert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund befürwortet die Pläne generell. Allerdings dürfe niemand gezwungen werden, von zu Hause aus zu arbeiten. DGBChef Reiner Hoffmann betonte, die Arbeitgeber stünden in der besonderen Verantwortung, weiterhin alle notwendigen Maßnahmen für einen wirksamen Arbeits- und Gesundheitsschutz zu ergreifen.
Neben klaren Hygienekonzepten und kostenlosen Testmöglichkeiten beinhalte dies auch die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Die in der sogenannten Bundesnotbremse verankerte Homeoffice-Pflicht war Ende Juni ausgelaufen.
Ist das von der Ampel-Koalition geplante Recht auf Homeoffice verfassungsgemäß?
Ja, sagt der Bochumer Rechtsprofessor Stefan Huster. Dass Arbeitgeber verpflichtet werden sollen, ihren Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen, sei zwar ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit, dieser sei aber angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen zu vertreten und außerdem eine wesentlich mildere Maßnahme als etwa eine völlige Schließung der Unternehmen durch den Staat.
Was ist für den Weg zur Arbeit geplant?
Geplant ist auch die 3G-Regel in Bahnen des Fernverkehrs und im öffentlichen Nahverkehr. Diese soll sehr weitreichend ausfallen. Sie soll ebenso wie die Maskenpflicht bundesweit für den „öffentlichen Personennahoder Fernverkehr einschließlich Schülerbeförderung und Taxen“gelten, heißt es in der betreffenden Vereinbarung der AmpelParteien. Demnach müssten dann also alle einen negativen Test vorlegen, die weder geimpft noch genesen sind.
Kann das geplante 3G in Zug, Bahn und Bus funktionieren?
Das glaubt Noch-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nicht. Im August dieses Jahres jedenfalls hatte Scheuer prüfen lassen, ob sich 3G in Bussen und Bahnen durchsetzen lässt. Das Ergebnis: „Praktisch nicht durchführbar.“Zudem gebe es Studien zufolge keine erhöhte Infektionsgefahr im ÖPNV. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bekräftigt dies. Zwar würden die Ampel-Vorschläge geprüft, doch müsse man berücksichtigen, dass „in einem offenen System mit täglich mehreren Millionen Fahrgästen keine lückenlosen Kontrollen stattfinden können“, sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erteilte Kontrollen an den Türen eine Absage. Vielmehr solle es bei Fahrscheinkontrollen die Abfrage geben. Das Problem: Verkehrsunternehmen unterliegen einer Beförderungspflicht.
Nur wenn eindeutig klar ist, dass vom Fahrgast eine Gefahr ausgeht, dürfen sie die Mitnahme untersagen. Im Fernverkehr ließen sich Kontrollen schon eher durchsetzen. Die Gewerkschaft EVG befürchtet, dass es zu weiteren Belastungen der Schaffner kommt. Vize-Chef Martin Burkert meint, dass 3G nur mithilfe der Bundespolizei durchgesetzt werden könnte.
Wird es eine generelle oder teilweise Impfpflicht geben?
Eine Impfpflicht soll es möglicherweise in bestimmten Bereichen wie Alten- und Pflegeheimen geben. Allerdings laufen darüber noch Diskussionen der möglichen Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP. Ein solcher Vorstoß sei dann allerdings nicht Bestandteil der Reform des Infektionsschutzgesetzes, sondern eines separaten Gesetzgebungsverfahrens, heißt es in Berlin. Eine allgemeine Impfpflicht – so viel scheint klar – wollen die möglichen künftigen Regierungspartner nicht beschließen.
Am Montagvormittag traten allerdings Unstimmigkeiten unter den möglichen neuen Koalitionspartnern zu Tage: Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, „wir werden eine Impfpflicht brauchen für Einrichtungen, bei Pflegeheimen, bei Kindertagesstätten“. Auf Nachfrage bestätigte sie zunächst, dass die Mitglieder der angestrebten Ampel-Koalition sich in dieser Frage einig seien. Das wurde von den anderen Parteien prompt bestritten.
Wie steht es eigentlich um die Booster-Impfungen?
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) wurden seit Booster-Beginn Anfang September fast 3,9 Millionen Auffrischungsimpfungen injiziert. Es gibt aber allein 13 Millionen Menschen, die mindestens 70 Jahre alt sind und für die die Ständige Impfkommission (Stiko) die dritte Dosis nachdrücklich anrät.
Zusätzlich sollten vor allem medizinisches Personal, Menschen mit Immunschwäche sowie mit Johnson & Johnson Geimpfte rasch eine weitere Dosis erhalten. Letztlich aber steht jedem vollständig Geimpften, dessen Schutz seit einem halben Jahr besteht, ein Booster zu.