Eine Not, die spaltet
Die Grenze Polens zu Belarus ist auch EU-Außengrenze. Und zurzeit verteidigen sie Tausende polnische Soldaten und Polizisten gegen Tausende unbewaffneter Iraker und Syrer. Noch fließt kein Blut, aber die frierenden und hungernden Menschen auf der belarussischen Seite leiden zusehends, auch weil die Weißrussen sie nicht mehr aus dem Niemandsland herauslassen.
Not, die die EU mal wieder moralisch spaltet. Die Polen und ihre baltischen Nachbarn sehen eine hybride Aggression Alexander Lukaschenkos, sie wollen mauern. Liberalere, zumindest reichere Europäer wie die Münchner Stadträte fordern dagegen, die Leidenden aufzunehmen „schnell und unbürokratisch“.
Christlich gedacht, aber wie viel Christentum ist machbar? Möchte München 2000, 4000 oder alle 15 000 aktuellen Belarus-Flüchtlinge aufnehmen? Und wenn Lukaschenko mit seiner Methode Erfolg hat, wie viele Hunderttausende schiebt er in den kommenden Monaten nach?
Vielleicht wäre es die bessere Lösung, den polnischen Behörden zu helfen, damit sie die Migranten aufnehmen und ihre Asylanträge bearbeiten können, „schnell und unbürokratisch“. Vielleicht wäre es sogar eine Lösung für die Zukunft, gemeinsam Auffanglager an den EU-Außengrenzen zu organisieren und zu betreiben. Ein Asylbewerberalltag in Polen würde Lukaschenkos Migrantenroute wohl ziemlich unpopulär machen.