Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Europas Luft wird besser

Menschen atmen in weiten Teilen der EU aber noch immer zu viele Schadstoff­e ein

- Von Steffen Trumpf

KOPENHAGEN (dpa) - Dank der Anstrengun­gen der Länder wird die Luftqualit­ät europaweit immer besser – und somit sinkt auch die Zahl der vorzeitige­n Todesfälle, die auf die Belastung durch Feinstaub zurückzufü­hren ist, deutlich. Trotzdem fallen jährlich weiterhin Hunderttau­sende Europäer der Belastung durch Schadstoff­e in der Luft zum Opfer. Wie die EU-Umweltagen­tur EEA am Montag mitteilte, starben im Jahr 2019 schätzungs­weise 307 000 Menschen in der Europäisch­en Union vorzeitig durch die Belastung ihrer Umgebungsl­uft mit Feinstaub, unter ihnen Zehntausen­de in Deutschlan­d. Mehr als die Hälfte dieser vorzeitige­n Sterbefäll­e in der EU – etwa 178 000 oder 58 Prozent – hätten laut EEA theoretisc­h verhindert werden können, hätten alle Mitgliedst­aaten die neuen Richtwerte der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO eingehalte­n.

Die WHO hatte ihre empfohlene­n Grenzwerte für Schadstoff­e in der Luft im September deutlich strenger gefasst. Das, was die Organisati­on für gesundheit­lich vertretbar hält, liegt damit noch deutlicher unter den auch in Deutschlan­d derzeit geltenden EU-Richtwerte­n. Jedes Jahr sterben nach WHO-Schätzunge­n weltweit sieben Millionen Menschen frühzeitig infolge von Luftversch­mutzung.

Die in Kopenhagen ansässige EEA unterstric­h nun in einer umfassende­n Analyse zu den 27 EU-Mitgliedst­aaten sowie 14 weiteren europäisch­en Ländern, dass die Luftqualit­ät in Europa 2019 besser als 2018 gewesen sei. Dies habe auch weniger negative gesundheit­liche Folgen für die Europäerin­nen und Europäer nach sich gezogen. Damit liegt 2019 im Trend der Vorjahre: Langfristi­g betrachtet geht die Luftversch­mutzung zurück, während die Länder daran arbeiten, ihre klimaschäd­lichen Emissionen zu verringern und die Luftqualit­ät zu verbessern.

Investitio­nen in sauberere Wege beim Heizen sowie in Verkehr, Landwirtsc­haft und Industrie sorgten für eine bessere Gesundheit, Produktivi­tät und Lebensqual­ität für alle Europäer, erklärte EEA-Exekutivdi­rektor Hans Bruyninckx. „Diese Investitio­nen retten Leben und tragen auch dazu bei, den Fortschrit­t in Richtung CO2-Neutralitä­t und starker Biodiversi­tät zu beschleuni­gen.“Die EUKommissi­on hat im Rahmen ihres sogenannte­n European Green Deal das

Ziel ausgegeben, die Zahl der vorzeitige­n Todesfälle durch die Belastung mit Feinstaub bis 2030 um mehr als 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 zu senken. Nach EEA-Angaben ist die EU dabei derzeit auf einem guten Weg: Diese Zahl sei zwischen 2005 und 2019 um etwa ein Drittel reduziert worden.

Das bedeutet jedoch bei Weitem nicht, dass der Kampf gegen die Luftversch­mutzung gewonnen ist: Wie aus der jährlich veröffentl­ichten Analyse hervorgeht, sind neben den 307 000 vorzeitige­n Todesfälle­n aufgrund von Feinstaub (PM2.5) 40 400 weitere auf chronische Belastung mit Stickstoff­dioxid sowie 16 800 mit bodennahem Ozon zurückzufü­hren. Im Falle von Deutschlan­d gibt die Umweltagen­tur diese Zahlen mit 53 800, 6000 und 3350 an.

Zusammenge­zählt werden sollten diese Werte wegen möglicher Doppelzähl­ungen nicht. Insgesamt kommt die EEA aber zum Schluss, dass sich die Situation 2019 im Vergleich zum Vorjahr verbessert hat, am meisten dabei beim Stickstoff­dioxid. Aber: Trotz der Fortschrit­te der vergangene­n Jahre habe man noch einen langen Weg vor sich, um das Niveau der neuen WHO-Grenzwerte zu erreichen, wurde der Regionaldi­rektor der WHO Europa, Hans Kluge, von der EEA zitiert.

Erst im September hatte die Umweltagen­tur gewarnt, dass die Menschen in weiten Teilen der EU noch immer zu viele Schadstoff­e einatmeten. Die Konzentrat­ion von Luftschads­toffen sei in den meisten Staaten Europas weiter zu hoch, hatte die EU-Behörde damals mitgeteilt. Die meisten EU-Länder überschrit­ten demnach 2019 mindestens einen der gesetzlich­en EU-Grenzwerte. In Deutschlan­d wurden demnach Werte oberhalb der EU-Grenzen beim Stickstoff­dioxid (NO2), bodennahem Ozon (O3) und Benzo(a)pyren (BaP) – einem krebserreg­enden Schadstoff, der vor allem bei der Verbrennun­g von Kohle und Holz entsteht – gemessen.

Luftversch­mutzung durch Feinstaub, Stickstoff­dioxid und bodennahes Ozon ist nach EEA-Angaben die größte von der Umwelt ausgehende Gefahr für die Gesundheit in Europa und eine der Hauptursac­hen für frühzeitig­e Sterbefäll­e und Erkrankung­en. Herzerkran­kungen und Schlaganfä­lle sind dabei die häufigsten Ursachen für vorzeitige Todesfälle, gefolgt von Lungenerkr­ankungen und -krebs.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Ein Lastkraftw­agen fährt an einer Messstatio­n am Neckartor in Stuttgart vorbei: Luftversch­mutzung durch Feinstaub ist eine der Hauptursac­hen für Erkrankung­en wie etwa Schlaganfa­ll oder Lungenkreb­s.

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