Liebherr kämpft mit maroden Brücken
Krane aus Ehingen müssen große Umwege fahren – Rund 1,5 Millionen Euro Zusatzkosten
EHINGEN - Es waren beeindruckende Bilder, als die 310 Meter lange und 30 Meter hohe Salzbachtalbrücke in Wiesbaden kürzlich gesprengt wurde. Sie war marode, wies schwere Schäden auf – und damit ist sie nicht die einzige unter den Brücken in Deutschland. Probleme bereitet diese Situation dem Kranhersteller Liebherr in Ehingen. „Laut Statistischem Bundesamt sind nur etwa 13 Prozent der 40 000 Brücken im Bundesfernstraßennetz in gutem oder sehr gutem Zustand, circa 75 Prozent werden als befriedigend oder ausreichenden eingestuft und mehr als jede zehnte Brücke weist gravierende Mängel auf“, teilt die Pressestelle des Ehinger Liebherr-Werks mit. „Das macht sich auch bei den Fahrgenehmigungen für unsere Krane und Schwertransporte bemerkbar.“
Man beobachte seit vielen Jahren, dass die Herausforderungen für Großraum- und Schwertransporte im Hinblick auf die Infrastruktur, insbesondere hinsichtlich der Brücken, kontinuierlich zunehmen. Die Folgen dieses Problems auf die LiebherrWerk Ehingen GmbH seien vielfältig. „Als direkte Auswirkung müssen wir mit unseren Transporten zum Teil erhebliche Umwege in Kauf nehmen und dürfen viele Brücken nur mit erhöhten Auflagen, wie zum Beispiel mit Polizeibegleitung, befahren. Das wiederum führt zu einem gesteigerten Aufwand und längerer Bearbeitungsdauer bei der Beantragung der Transportgenehmigungen. Das behindert so unsere Flexibilität, um nur zwei Beispiele zu nennen.“
Rund 2000 Krane verlassen Liebherr in Ehingen pro Jahr. „Rechnet man alle Auslieferungen, Test- und Lackierfahrten zusammen, so verlassen bis zu 30 Geräte am Tag unser Werk“, so die Pressestelle. Grundsätzlich betreffe die Problematik alle selbstfahrenden Geräte vom Zweiachser mit 24 Tonnen Gesamtgewicht bis zum Neunachser mit 108 Tonnen, da neben dem Gesamtgewicht weitere Faktoren wie Achslasten, Achsabstände in die Beurteilung einbezogen würden. „Dennoch kann man sagen, dass die größeren Geräte stärker betroffen sind als die kleineren“, so Liebherr. „Darüber hinaus sind wir auch bei den Zubehörtransporten für unsere Gittermastkrane per Tieflader mit der Thematik konfrontiert.“Es brauche für einen großen Raupenkran mit seinen Auslegersystemen schnell 70 bis 80 Lkw als Transportfahrzeuge.
„Für unsere Geräte gibt es so gut wie keine Strecke, die wir auf direktem Weg und ohne zusätzliche Auflagen befahren könne“, erklärt Liebherr. „Einen Großteil unserer Export-Geräte beispielsweise verschiffen wir über den Seehafen Bremerhaven. Der direkte Weg von
Ehingen nach Bremerhaven über die A7 beträgt etwa 765 Kilometer. Die tatsächlich genehmigte Strecke führt über Ostdeutschland auf der A9 teilweise via Magdeburg und beträgt je nach Krantyp bis zu 1190 Kilometer, das heißt wir fahren teilweise mehr als 50 Prozent Mehrkilometer.“Dadurch entstehen natürlich Zusatzkosten. „Wenn wir ausschließlich die direkten Kosten für Personal, Kraftstoff, Transportbegleitung et cetera betrachten, schätzen wir unsere Zusatzkosten im Zuge der Infrastrukturprobleme in Deutschland aktuell auf circa 1,5 Millionen Euro im Jahr.“
Natürlich gebe es das Brückenproblem auch vor Ort in der Region. Auch hier gebe es Brücken, die für die Liebherr-Krane nicht oder nur mit zusätzlichen Auflagen befahrbar sind. „Grundsätzlich beobachten wir, dass immer mehr Brücken ,abgelastet’ werden, um deren Lebensdauer zu verlängern.“Die Situation der Brücken beispielsweise in Ulm sei ja aus den Medien bestens bekannt. Regional allerdings würden die Belange von Liebherr, insbesondere durch Unterstützung der Stadt Ehingen, des Alb-Donau-Kreises und des RP Tübingen eher berücksichtigt. „Überregional versuchen wir auch über unsere Verbände Gehör bei der Politik zu finden. Hierbei werden wir insbesondere durch die Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK) und den Verband
Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) unterstützt. Die Situation der Infrastruktur ist unseres Wissens nach durchaus bekannt in den Ministerien von Bund und Ländern – es wird allerdings Zeit, hier dringend etwas zu unternehmen“, fordert Liebherr. Im Übrigen seien die Transportprobleme „leider nicht auf den Straßenverkehr begrenzt“. So seien auch mehr als 25 000 Eisenbahnbrücken in Deutschland von der Problematik betroffen.
Nicht zuletzt beeinflusse die Brücken-Thematik sogar die Entwicklung und Konstruktion der Krane bei Liebherr: „Da auch unsere Kunden dieser Problematik tagtäglich ausgesetzt sind, legen wir bei Neuentwicklungen sehr viel Wert auf flexible Fahrzustände hinsichtlich Gesamtgewicht und Achslasten. Das heißt, unsere modernen Krane können schnell und einfach auf geringere Achslasten gebracht werden, zum Beispiel durch Abnahme von Ballastgewichten, Abnahme von Ausleger oder einzelnen Sektionen oder auch dem Abnehmen der Schiebeholmkästen. So können Fahrzustände mit zehn oder weniger Tonnen pro Achse statt den eigentlich zulässigen zwölf Tonnen schnell hergestellt werden.“Trotzdem sei dies natürlich jedes Mal ein Aufwand, besonders wenn ein Kran mehrere Einsätze am gleichen Tag und an wechselnden Orten hat.