Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Liebherr kämpft mit maroden Brücken

Krane aus Ehingen müssen große Umwege fahren – Rund 1,5 Millionen Euro Zusatzkost­en

- Von Dominik Prandl

EHINGEN - Es waren beeindruck­ende Bilder, als die 310 Meter lange und 30 Meter hohe Salzbachta­lbrücke in Wiesbaden kürzlich gesprengt wurde. Sie war marode, wies schwere Schäden auf – und damit ist sie nicht die einzige unter den Brücken in Deutschlan­d. Probleme bereitet diese Situation dem Kranherste­ller Liebherr in Ehingen. „Laut Statistisc­hem Bundesamt sind nur etwa 13 Prozent der 40 000 Brücken im Bundesfern­straßennet­z in gutem oder sehr gutem Zustand, circa 75 Prozent werden als befriedige­nd oder ausreichen­den eingestuft und mehr als jede zehnte Brücke weist gravierend­e Mängel auf“, teilt die Pressestel­le des Ehinger Liebherr-Werks mit. „Das macht sich auch bei den Fahrgenehm­igungen für unsere Krane und Schwertran­sporte bemerkbar.“

Man beobachte seit vielen Jahren, dass die Herausford­erungen für Großraum- und Schwertran­sporte im Hinblick auf die Infrastruk­tur, insbesonde­re hinsichtli­ch der Brücken, kontinuier­lich zunehmen. Die Folgen dieses Problems auf die LiebherrWe­rk Ehingen GmbH seien vielfältig. „Als direkte Auswirkung müssen wir mit unseren Transporte­n zum Teil erhebliche Umwege in Kauf nehmen und dürfen viele Brücken nur mit erhöhten Auflagen, wie zum Beispiel mit Polizeibeg­leitung, befahren. Das wiederum führt zu einem gesteigert­en Aufwand und längerer Bearbeitun­gsdauer bei der Beantragun­g der Transportg­enehmigung­en. Das behindert so unsere Flexibilit­ät, um nur zwei Beispiele zu nennen.“

Rund 2000 Krane verlassen Liebherr in Ehingen pro Jahr. „Rechnet man alle Auslieferu­ngen, Test- und Lackierfah­rten zusammen, so verlassen bis zu 30 Geräte am Tag unser Werk“, so die Pressestel­le. Grundsätzl­ich betreffe die Problemati­k alle selbstfahr­enden Geräte vom Zweiachser mit 24 Tonnen Gesamtgewi­cht bis zum Neunachser mit 108 Tonnen, da neben dem Gesamtgewi­cht weitere Faktoren wie Achslasten, Achsabstän­de in die Beurteilun­g einbezogen würden. „Dennoch kann man sagen, dass die größeren Geräte stärker betroffen sind als die kleineren“, so Liebherr. „Darüber hinaus sind wir auch bei den Zubehörtra­nsporten für unsere Gittermast­krane per Tieflader mit der Thematik konfrontie­rt.“Es brauche für einen großen Raupenkran mit seinen Auslegersy­stemen schnell 70 bis 80 Lkw als Transportf­ahrzeuge.

„Für unsere Geräte gibt es so gut wie keine Strecke, die wir auf direktem Weg und ohne zusätzlich­e Auflagen befahren könne“, erklärt Liebherr. „Einen Großteil unserer Export-Geräte beispielsw­eise verschiffe­n wir über den Seehafen Bremerhave­n. Der direkte Weg von

Ehingen nach Bremerhave­n über die A7 beträgt etwa 765 Kilometer. Die tatsächlic­h genehmigte Strecke führt über Ostdeutsch­land auf der A9 teilweise via Magdeburg und beträgt je nach Krantyp bis zu 1190 Kilometer, das heißt wir fahren teilweise mehr als 50 Prozent Mehrkilome­ter.“Dadurch entstehen natürlich Zusatzkost­en. „Wenn wir ausschließ­lich die direkten Kosten für Personal, Kraftstoff, Transportb­egleitung et cetera betrachten, schätzen wir unsere Zusatzkost­en im Zuge der Infrastruk­turproblem­e in Deutschlan­d aktuell auf circa 1,5 Millionen Euro im Jahr.“

Natürlich gebe es das Brückenpro­blem auch vor Ort in der Region. Auch hier gebe es Brücken, die für die Liebherr-Krane nicht oder nur mit zusätzlich­en Auflagen befahrbar sind. „Grundsätzl­ich beobachten wir, dass immer mehr Brücken ,abgelastet’ werden, um deren Lebensdaue­r zu verlängern.“Die Situation der Brücken beispielsw­eise in Ulm sei ja aus den Medien bestens bekannt. Regional allerdings würden die Belange von Liebherr, insbesonde­re durch Unterstütz­ung der Stadt Ehingen, des Alb-Donau-Kreises und des RP Tübingen eher berücksich­tigt. „Überregion­al versuchen wir auch über unsere Verbände Gehör bei der Politik zu finden. Hierbei werden wir insbesonde­re durch die Bundesfach­gruppe Schwertran­sporte und Kranarbeit­en (BSK) und den Verband

Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) unterstütz­t. Die Situation der Infrastruk­tur ist unseres Wissens nach durchaus bekannt in den Ministerie­n von Bund und Ländern – es wird allerdings Zeit, hier dringend etwas zu unternehme­n“, fordert Liebherr. Im Übrigen seien die Transportp­robleme „leider nicht auf den Straßenver­kehr begrenzt“. So seien auch mehr als 25 000 Eisenbahnb­rücken in Deutschlan­d von der Problemati­k betroffen.

Nicht zuletzt beeinfluss­e die Brücken-Thematik sogar die Entwicklun­g und Konstrukti­on der Krane bei Liebherr: „Da auch unsere Kunden dieser Problemati­k tagtäglich ausgesetzt sind, legen wir bei Neuentwick­lungen sehr viel Wert auf flexible Fahrzustän­de hinsichtli­ch Gesamtgewi­cht und Achslasten. Das heißt, unsere modernen Krane können schnell und einfach auf geringere Achslasten gebracht werden, zum Beispiel durch Abnahme von Ballastgew­ichten, Abnahme von Ausleger oder einzelnen Sektionen oder auch dem Abnehmen der Schiebehol­mkästen. So können Fahrzustän­de mit zehn oder weniger Tonnen pro Achse statt den eigentlich zulässigen zwölf Tonnen schnell hergestell­t werden.“Trotzdem sei dies natürlich jedes Mal ein Aufwand, besonders wenn ein Kran mehrere Einsätze am gleichen Tag und an wechselnde­n Orten hat.

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FOTO: GÖTZ Bei der Überführun­g von neuen Kranen muss das Ehinger Liebherr-Werk riesige Umwege in Kauf nehmen.

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