Was die Vesperkirche ausmacht, fehlt
Das eigentliche Konzept der Aktion in der Pauluskirche ist angesichts der Corona-Pandemie nicht haltbar – Wie Pfarrer Peter Heiter bei Sorgen und Einsamkeit helfen will
ULM - Am Donnerstag, 20. Januar, startet die diesjährige Vesperkirchenaktion der Ulmer Pauluskirche, die jeweils an vier Tagen pro Woche bis Donnerstag, 13. Februar, dauern soll. Sie wird wieder als Vespertütenaktion wie im vergangenen Jahr stattfinden: Mahlzeiten zum Selbstaufwärmen, hochwertiges Obst, Kaffee oder Tee und ein tägliches „MutWort“sind in den Tüten, die sich Bedürftige abholen können. Das, was den eigentlichen Wert der Vesperkirche ausmacht – die Begegnung von Menschen verschiedener Gesellschaftsschichten und Altersstufen –, ist in der Pandemie auch in diesem Jahr nicht möglich. Dennoch sieht Pfarrer Peter Heiter das Positive dieser Aktion.
„Uns blutet das Herz, weil wir wissen, was für eine große Chance die Vesperkirche ist“, sagt Heiter: Es gehe bei der Vesperkirche ja nicht nur darum, die zunehmende materielle Not der Menschen zu lindern. Die Vesperkirche bedeutete vor der Pandemie für Menschen am Rand der Gesellschaft, für eine Weile auf Augenhöhe unter anderen Menschen zu sein, ohne Unterschied an einem schön gedeckten Tisch miteinander die gleiche Mahlzeit einnehmen zu können, unabhängig davon, ob und wie viel man dafür bezahlen konnte.
Sie bedeutete Kommunikation und ins Gespräch zu kommen, bedeutete Aufwärmen in physischer und seelischer Hinsicht.
Durch die möglich gewordenen Impfungen habe man sehr auf ein Ende der Pandemie gesetzt, auf die Möglichkeit, dass Menschen wieder in der Atmosphäre der Vesperkirche zusammenkommen können. „Aber wir dürfen die Leute nicht gefährden“, sagt Heiter zur aktuellen Lage. „Wir standen vor der Frage: Was gibt der Rahmen her? Was ist sinnvoll? Wir haben unter unseren Gästen viele aus vulnerablen Gruppen, und wir dürfen niemanden gefährden, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht.“Er halte es in der gegenwärtigen Situation für absolut gefährlich, bis zum Rand dessen zu gehen, was gesetzlich erlaubt ist. „Auch wenn wir für diese Haltung schon beschimpft wurden.“
Die Vespertütenaktion, so Heiter, ändere den Charakter der Vesperkirche, denn sie wendet sich tatsächlich nur an Bedürftige, während die eigentliche Bedeutung der Vesperkirche die Aufhebung des Unterschiedes ist, dass Menschen für eine Mahlzeit bezahlen können und andere nicht. Was ihm aber auffällt: „Beim Abholen der Tüten gibt es hinter der Maske nur in den Augen sichtbare Lächeln, das Zunicken, die Hoffnung, dass es die Vesperkirche in ihrer eigentlichen Form eines Tages wieder geben wird.“
Die Wärme, die die Vesperkirche gebe, sei vor allem eine geistige. Was die Mahlzeiten betrifft, habe man im vergangenen Jahr festgestellt, dass praktisch alle Obdachlosen und Bedürftigen Zugang zu einem Wasserkocher haben, sodass sie die in einer Art Wurst-Form gefüllten je nach
Wahl fleischhaltigen oder fleischlosen Gerichte der Vespertüten ohne Infektionsgefahr aufwärmen können. Das Thema der Vereinsamung der Menschen beschäftige die Mitarbeiter und ihn selbst sehr. „Ich bin dazu übergegangen, dass ich mit Menschen, die den Kontakt suchen, mit Maske einen Spaziergang mache. Ich denke, so sind die gesuchte Begegnung und ein intensives Gespräch relativ gefahrlos möglich.“
Zusätzlich ist die diesjährige Vesperkirche mit einer Umfrage verbunden, die ergründen will, was Einsame und Bedürftige wirklich brauchen, und die in einer ganzjährigen Hilfe münden soll. Für ganz wichtig schätzt Heiter in der gegenwärtigen Situation Aktionen wie den „Kältebus“des DRK-Kreisverbandes ein, der zwischen 19 und 23 Uhr an verschiedenen Stellen in der Stadt Hilfe für Obdachlose gibt, die in Ulm auch im Winter im Freien übernachten.