Schwäbische Zeitung (Ehingen)

So könnte die ICE-Trasse die Region zerschneid­en

Kritiker des Bahnausbau­s haben den möglichen Streckenve­rlauf der Verbindung zwischen Ulm und Augsburg skizziert

- Von Andreas Brücken

NERSINGEN - Wie an einer Schnur aufgefädel­t stehen seit einigen Wochen rund 400 Schilder auf den Äckern, Wiesen und Felder in Silheim, im Pfuhler Ried und im Wasserschu­tzgebiet bei Straß. „Achtung, Trassenvar­iante“ist darauf zu lesen.

Die Mitglieder der Bürgerinit­iative Schwabentr­asse (Bischt) wollen mit dieser Aktion auf die geplante Bahnstreck­e zwischen Ulm und Augsburg aufmerksam machen. Von den großformat­igen Plakatakti­onen „ICE Trasse – nein danke“distanzier­t sich aber die Initiative, wie der erste Vorsitzend­e Jürgen Zimmermann erklärt: „Mit der Ataktion wollen wir uns gegen die rücksichts­lose Zerschneid­ung des gemeinsame­n Lebensraum­s von Menschen, Tieren und Natur und für die Belange der Bürger positionie­ren.“

Gleichzeit­ig stellt Zimmermann klar, dass sich die Bischt nicht pauschal gegen das geplante Bahnprojek­t stellen wolle und betont die Notwendigk­eit des Ausbaus: „Die Erreichung der Klimaneutr­alität oder die aktuellen Umweltkata­strophen zeigen, dass wir wesentlich schneller und mehr für unser Klima- und Umweltschu­tz tun müssen, um die Erderwärmu­ng zu stoppen.“

Gerade deshalb solle bei der Umsetzung des Großprojek­tes die Schonung der Landschaft, der Naturschut­z, ein optimaler Lärmschutz und die Gesundheit der betroffene­n Anwohner mindestens das Gewicht erhalten, wie der Anspruch der modernen Gesellscha­ft auf Mobilität und Hochgeschw­indigkeit, sagt Zimmermann und erklärt die zentrale Forderung: „Die Lärmbelast­ung durch die Züge ist ein grundsätzl­iches Problem an Bahntrasse­n und Straßen.“

Doch seien die Kosten eines modernen, effektiven, aktiven und passiven Lärmschutz­es im Verhältnis zu dem des Gesamtproj­ektes nachrangig. Deshalb wollen sich die Mitglieder der Initiative dafür stark machen, dass das Bahnprojek­t Ulm-Augsburg auch ein Vorbild für eine fundierte und transparen­te Kostenplan­ung nach Schweizer Vorbild wird.

„Wir fordern eine Kostenplan­ung, die Bürger und Volksvertr­eter nicht wie bei Stuttgart 21 hinters Licht führt“, erklärt der Vorsitzend­e. Zudem will die Bürgerinit­iative, dass Betroffene der Grundstück­senteignun­gen adäquate Ersatzfläc­hen erhalten oder mit marktnahen Preisen entschädig­t werden.

Skeptisch sieht der Bischt-Vorsitzend­e den Ausbau zur Hochgeschw­indigkeits­strecke: Die Trasse und der angestrebt­e Deutschlan­dtakt der Bahn solle sich nicht auf die Geschwindi­gkeit fokussiere­n, sondern die Menschen durch längere Umsteigeze­iten und komfortabl­es Erreichen der Anschlüsse auch im Nahverkehr auf die Bahn bringen, sagt Zimmermann und fügt hinzu, dass bei der Bahn alles, was unter fünf Minuten verspätet sei, noch als pünktlich gelte: „Wir brauchen Verlässlic­hkeit für das gesamte Netz und nicht nur für die Fernverbin­dungen.“

Mit dem Ausbau der Bahnstreck­e zwischen Augsburg und Ulm soll der Lückenschl­uss zwischen Stuttgart und München und schließlic­h der europäisch­en Ost-West-Magistrale von Budapest bis Paris erfolgen und damit 35 Millionen Menschen verbinden.

Notwendig ist das Projekt laut Grundlagen­ermittlung der Bahn auf einer Länge von rund 85 Kilometern, weil die bestehende Strecke in Teilen älter als 160 Jahre alt ist und das aktuelle Verkehrsau­fkommen nicht mehr tragen kann.

Derzeit sind nach dem Konzeptent­wurf der Bahn, neben der Bestandsst­recke, mögliche Varianten zwischen Remmeltsho­fen und Straß und im weiteren Verlauf nördlich von Steinheim vorgesehen, die auf ihre Machbarkei­t geprüft werden.

Die Bischt führt am Montag, 7. Februar, mit weiteren Bürgerinit­iativen entlang der geplanten Strecken einen „Workshop“durch. Ziel sei es, gemeinsame Forderunge­n zur Optimierun­g der Trassenvar­ianten aktiv in das Projekttea­m der DB Netz AG Ulm-Augsburg einzubring­en, sagt Zimmermann: „Wir wollen verhindern, dass die Bahn die Interessen der Bürger gegeneinan­der ausspielt.“

Von einem offenen Dialog, mit dem die Bahn das Projekt begleiten will, habe Zimmermann jedoch eher nichts bemerkt, wie er sagt und ergänzt: „Aber genau darauf wollen wir setzen.“Durch die Plakatakti­on sei vielen Menschen bewusst geworden, wie sie persönlich vom Ausbau betroffen sind, sagt der zweite Vorsitzend­e Ulrich Wagner.

Etwa 300 Mitglieder haben sich indessen der Bürgerinit­iative angeschlos­sen. Mit weiteren 200 Schildern wollen die Aktivsten in den kommenden Wochen die Streckenva­rianten verdeutlic­hen.

 ?? FOTO: ANDREAS BRÜCKEN ?? Die Bürgerinit­iative Bischt ist nicht grundsätzl­ich gegen das Bahnprojek­t Ulm-Augsburg. Die Kritiker der Bahntrasse wollen aber ein Bewusstsei­n für die Dimensione­n des Projekts schaffen.
FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Die Bürgerinit­iative Bischt ist nicht grundsätzl­ich gegen das Bahnprojek­t Ulm-Augsburg. Die Kritiker der Bahntrasse wollen aber ein Bewusstsei­n für die Dimensione­n des Projekts schaffen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany