Schwaebische Zeitung (Ehingen)
„Die Mitgliederbefragung der CDU ist ein Symptom der Orientierungslosigkeit“
Machtkampf
Eine entscheidende Personalie wird auf dem Parteitag nicht entschieden; die des Oppositionsführers im Bundestag nämlich. Dass Merz danach greifen muss, ist für die meisten in der Union ausgemachte Sache. Fraktionschef Ralph Brinkhaus allerdings ist bis Ende April gewählt und macht keinerlei Anstalten, zurückzuziehen. „Schnell“und „ohne große öffentliche Debatte“möge das geklärt werden, wünscht sich Prien auch wegen der dann anstehenden Landtagswahlen. Ob das gelingt, ist offen.
Parteizentrale
Nachdem die CDU unter Merkel quasi vom Kanzleramt aus gesteuert worden war, soll das Haus mit der markanten Glasfassade wieder das Zentrum der deutschen Christdemokratie werden. „Kampagnenfähig sein“, lautet eines der Schlagwörter, das nun mit Inhalt gefüllt werden muss. „Fünf bis zehn unverwechselbare Positionen“, schweben Linnemann vor, der für das Grundsatzprogramm zuständig sein soll und dafür ein eigenes Büro im Haus bekommt. Dass diese Positionen dann auch schnell und gezielt transportiert werden, soll wiederum der künftige
BERLIN (eha) - Der CDUParteitag wählt, aber die Entscheidung durch die Mitglieder ist längst gefallen. Die Juristin Sophie Schönberger (Foto: PR), Co-Direktorin des Parteienrechtsinstituts an der Uni Düsseldorf, hält das für problematisch.
Die CDU feiert ihr Mitgliedervotum als besonders demokratisch. Warum sehen Sie das kritisch? Die CDU hat das Ganze als mehr Demokratie durch mehr Beteiligung ausgeflaggt. Es findet aber in einer rechtlichen Grauzone statt. Denn die CDU hat auch in ihrer Zeit an der Regierung nicht dafür gesorgt, das Parteiengesetz zu ändern, um eine echte Mitgliederentscheidung zu ermöglichen. Sondern man bedient sich eines Tricks.
Was für ein Trick?
Die Mitglieder haben formal gar nicht über den neuen Bundesvorsitzenden abgestimmt, sondern über die Frage, wen der Vorstand als Vorsitzenden vorschlagen soll. Und wenn man einen Trick anwenden muss, weil man sich nicht traut, die rechtlichen Grundlagen anzupassen, dann ist das kein Sieg für die Demokratie. Sondern eine problematische Umgehungslogik.
Aber das Ziel ist doch edel: Mehr Mitsprache für die Basis.
Gerade bei demokratischen Prozessen ist eine solche „der-Zweckheiligt-die-Mittel-Argumentation“sehr schwierig. Die wird nämlich häufig auch angewendet, um demokratische Strukturen zu zerstören.
Davon ist die CDU natürlich weit entfernt. Dennoch sollte man vorsichtig sein und nicht vorschnell formale Regeln beiseite schieben, sonst landet man leicht auf einer abschüssigen Bahn.
Belegt dieses Vorgehen, wie groß die Verzweiflung der Partei ist?
In der Tat ist der Rückgriff auf eine Mitgliederbefragung ein Krisenzeichen. Das war es zuvor auch bei der SPD; ein Symptom der Orientierungslosigkeit. Man versucht mal was Neues, wagt es aber nicht, das dann auch als neue Regel zu verankern.
Dass Parteitagsdelegierte eine schon vorher ausgehandelte Entscheidung absegnen, kommt dauernd vor.
Dass Absprachen im Vorfeld stattfinden, ist normal. Aber über einen inhaltlichen Kompromiss beispielsweise gibt es dennoch eine Debatte – und zumindest die Option einer anderen Entscheidung. Die ist aber bei der Vorsitzendenfrage nun im Grund nicht gegeben. Zugleich wird das Verfahren als besonders demokratisch gepriesen. Hinzu kommt noch etwas.
Was denn?
Wir haben es sozusagen mit einem doppelten Pappkameraden zu tun: Einem Mitgliedervotum, das nicht verbindlich ist, das von einem digitalen Parteitagsvotum legitimiert werden soll, das aber auch nicht verbindlich ist. Denn es gibt nach dem CDU-Parteitag auch noch die Briefwahl, die letztlich entscheidend ist, weil online nicht rechtssicher abgestimmt werden kann. Die Verantwortung ist so doppelt verschleiert.
Landtagswahlen
Inwieweit frisch gewählte Bundesparteichefs für die Ergebnisse von Landtagswahlen verantwortlich gemacht werden können, ist auch in der CDU Ansichtssache. Vor Merz türmen sich in diesem Frühjahr allerdings gleich drei solcher Wahlen, die erste schon Ende März im Saarland. Es folgen Schleswig-Holstein und das große und wichtige Nordrhein-Westfalen. Überall stehen CDU-Ministerpräsidenten zur Wahl und nirgends ist der Verlust der Regierungsmacht ausgeschlossen. Ein Niederlagen-Triple jedenfalls würde den vielbeschworenen „Aufbruch“gleich wieder ausbremsen und den Parteichef gleich mit.
Maaßen
Das Bundestagsmandat verfehlte er, eine Parteifunktion hat er nicht. Dennoch gilt der Umgang mit dem ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen, der seine Partei zuletzt mit kruden Impfpostings empörte, als Testfall – auch für Merz. Viele sind inzwischen wie der Chef der sächsischen Landesgruppe im Bundestag, Carsten Körber, für ein Parteiausschlussverfahren. Doch rechtlich ist das Ganze heikel und ein Scheitern nicht ausgeschlossen.