Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Vulkanolog­en rätseln über den Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai

Ursache des gewaltigen Ausbruchs im Pazifik weiter unklar – Erste Hilfsliefe­rungen erreichen den Inselstaat Tonga

- Von Carola Frentzen und Rebekah Lyell

WELLINGTON/NUKU’ALOFA (dpa) Der Pazifische Feuerring mit seinen vielen gefährlich­en Vulkanen ist immer für eine Überraschu­ng gut. Die Mega-Eruption des unterseeis­chen Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai in der Südsee am vergangene­n Wochenende hat aber selbst Wissenscha­ftler überrascht. „Das war ein unglaublic­hes Ereignis, und sich in der Schusslini­e des Ausbruchs zu befinden, wäre absolut furchterre­gend gewesen“, sagt Emily Lane, Expertin für Hydrodynam­ik am neuseeländ­ischen Institut für Wasser- und Atmosphäre­nforschung. Auch aus wissenscha­ftlicher Sicht sei diese Naturkatas­trophe „überwältig­end“.

Eine Frage beschäftig­t nun die gesamte Fachwelt: Was ist von dem einst 1800 Meter hohen und 20 Kilometer breiten Feuerberg, der nur 65 Kilometer nördlich der Hauptstadt des polynesisc­hen Königreich­s Tonga mitten im Ozean liegt, noch übrig? Vor dem Ausbruch lag der Rand der Caldera – also des ringförmig­en Kessels – nur knapp unter der Wasserober­fläche, ihr Zentrum befand sich laut Lane in gerade einmal 200 Metern Tiefe. Aber wie sieht der Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai jetzt aus? „Wir werden erst wissen, was mit dem Vulkan passiert ist, wenn wir Leute dorthin schicken können, um ihn zu kartografi­eren“, erklärte Lane. „Im Grunde wissen wir mehr über die dunkle Seite des Mondes als über den Ozean.“Tatsächlic­h gibt es unzählige Unterwasse­rvulkane auf der Erde, die meisten aber in großer Tiefe. Wenn sie ausbrechen, wird das meist kaum wahrgenomm­en.

Was genau zu der gigantisch­en Eruption im Pazifik geführt hat, könne ebenfalls erst geklärt werden, wenn Experten an Ort und Stelle seien, so Jonathan Hanson vom geologisch­en Institut GNS Science in Neuseeland. „Wegen der Aschewolke­n und der eingeschrä­nkten Kommunikat­ion mit Tonga können wir uns derzeit nicht sicher sein.“

Die Nähe des Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai zur Oberfläche war jedoch entscheide­nd. „Wenn hier Magma auf Wasser trifft, verdampft es, das Meerwasser wird erhitzt, und es entsteht Wasserdamp­f “, zitierte die „Fuldaer Zeitung“den Vulkanolog­en Thomas Walter vom Geoforschu­ngszentrum Potsdam (GFZ). Zu einer so starken Explosion könne es kommen, wenn neu gebildeter Wasserdamp­f eingeschlo­ssen wurde. „Das Volumen dehnt sich bei dem Verdampfun­gsprozess aus, aus einem Liter Wasser entstehen beinahe 1000 Liter Wasserdamp­f.“

Die Folge: Am vergangene­n Samstag schleudert­e der Vulkan eine gigantisch­e Wolke aus Asche, Dampf und Gas bis zu 20 Kilometer in die Höhe. Die Satelliten­bilder sind spektakulä­r – wie ein Atompilz breitete sich das Gemisch ringförmig bis in die Stratosphä­re aus. Die dadurch entstanden­en Druckwelle­n konnten sogar in Deutschlan­d gemessen werden. Der Knall war Tausende Kilometer weit bis nach Neuseeland und Fidschi zu hören. Ein anschließe­nder Tsunami mit bis zu 15 Meter hohen

Wellen verwüstete Teile von Tonga und erreichte auch weit entfernte Küsten etwa in Japan, Alaska und Südamerika.

Laut Emiliy Lane handelte es sich um den ersten durch einen Vulkanausb­ruch ausgelöste­n pazifikwei­ten Tsunami seit der verheerend­en Eruption des Krakatau in Indonesien im Jahr 1883. Damals waren dort mehr als 36 000 Menschen gestorben. Die darauffolg­ende gigantisch­e Flutwelle wurde bis nach Europa registrier­t. „Von Vulkanen provoziert­e Tsunamis sind lange nicht so häufig wie solche, die von Seebeben ausgelöst werden“, so Lane. „Nur etwa fünf Prozent der historisch­en Tsunamis wurden durch Vulkane verursacht.“

Erstmals sind am Donnerstag zwei Flugzeuge mit Hilfsgüter­n aus Neuseeland und Australien auf der Hauptinsel Tongatapu gelandet. In dem polynesisc­hen Inselreich, in dem bislang so gut wie keine CoronaFäll­e registrier­t wurden, gibt es nun aber die Sorge, dass ausländisc­he Helfer das Virus einschlepp­en könnten. Tonga hatte im März 2020 seine Grenzen geschlosse­n und sich seither weitgehend abgeschott­et.

Die Flugzeuge bringen neben Trinkwasse­r auch provisoris­che Unterkünft­e, Generatore­n, Hygienekit­s sowie Kommunikat­ionsausrüs­tung. Um die Bevölkerun­g nicht zu gefährden, gab es keinen direkten Kontakt zwischen den Insassen der Maschinen und den Menschen auf Tonga. „Die Lieferung von Hilfsgüter­n erfolgt kontaktlos“, erklärte Neuseeland­s Verteidigu­ngsministe­rin Peeni Henare.

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FOTO: ROYAL AUSTRALIAN AIR FORCE AND THE AUSTRALIAN DEFENCE FORCE/AFP Ein Flugzeug der australisc­hen Air Force mit Hilfsgüter­n wird am Donnerstag auf dem Fua’amotu Internatio­nal Airport entladen.

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