Vulkanologen rätseln über den Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai
Ursache des gewaltigen Ausbruchs im Pazifik weiter unklar – Erste Hilfslieferungen erreichen den Inselstaat Tonga
WELLINGTON/NUKU’ALOFA (dpa) Der Pazifische Feuerring mit seinen vielen gefährlichen Vulkanen ist immer für eine Überraschung gut. Die Mega-Eruption des unterseeischen Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai in der Südsee am vergangenen Wochenende hat aber selbst Wissenschaftler überrascht. „Das war ein unglaubliches Ereignis, und sich in der Schusslinie des Ausbruchs zu befinden, wäre absolut furchterregend gewesen“, sagt Emily Lane, Expertin für Hydrodynamik am neuseeländischen Institut für Wasser- und Atmosphärenforschung. Auch aus wissenschaftlicher Sicht sei diese Naturkatastrophe „überwältigend“.
Eine Frage beschäftigt nun die gesamte Fachwelt: Was ist von dem einst 1800 Meter hohen und 20 Kilometer breiten Feuerberg, der nur 65 Kilometer nördlich der Hauptstadt des polynesischen Königreichs Tonga mitten im Ozean liegt, noch übrig? Vor dem Ausbruch lag der Rand der Caldera – also des ringförmigen Kessels – nur knapp unter der Wasseroberfläche, ihr Zentrum befand sich laut Lane in gerade einmal 200 Metern Tiefe. Aber wie sieht der Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai jetzt aus? „Wir werden erst wissen, was mit dem Vulkan passiert ist, wenn wir Leute dorthin schicken können, um ihn zu kartografieren“, erklärte Lane. „Im Grunde wissen wir mehr über die dunkle Seite des Mondes als über den Ozean.“Tatsächlich gibt es unzählige Unterwasservulkane auf der Erde, die meisten aber in großer Tiefe. Wenn sie ausbrechen, wird das meist kaum wahrgenommen.
Was genau zu der gigantischen Eruption im Pazifik geführt hat, könne ebenfalls erst geklärt werden, wenn Experten an Ort und Stelle seien, so Jonathan Hanson vom geologischen Institut GNS Science in Neuseeland. „Wegen der Aschewolken und der eingeschränkten Kommunikation mit Tonga können wir uns derzeit nicht sicher sein.“
Die Nähe des Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai zur Oberfläche war jedoch entscheidend. „Wenn hier Magma auf Wasser trifft, verdampft es, das Meerwasser wird erhitzt, und es entsteht Wasserdampf “, zitierte die „Fuldaer Zeitung“den Vulkanologen Thomas Walter vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ). Zu einer so starken Explosion könne es kommen, wenn neu gebildeter Wasserdampf eingeschlossen wurde. „Das Volumen dehnt sich bei dem Verdampfungsprozess aus, aus einem Liter Wasser entstehen beinahe 1000 Liter Wasserdampf.“
Die Folge: Am vergangenen Samstag schleuderte der Vulkan eine gigantische Wolke aus Asche, Dampf und Gas bis zu 20 Kilometer in die Höhe. Die Satellitenbilder sind spektakulär – wie ein Atompilz breitete sich das Gemisch ringförmig bis in die Stratosphäre aus. Die dadurch entstandenen Druckwellen konnten sogar in Deutschland gemessen werden. Der Knall war Tausende Kilometer weit bis nach Neuseeland und Fidschi zu hören. Ein anschließender Tsunami mit bis zu 15 Meter hohen
Wellen verwüstete Teile von Tonga und erreichte auch weit entfernte Küsten etwa in Japan, Alaska und Südamerika.
Laut Emiliy Lane handelte es sich um den ersten durch einen Vulkanausbruch ausgelösten pazifikweiten Tsunami seit der verheerenden Eruption des Krakatau in Indonesien im Jahr 1883. Damals waren dort mehr als 36 000 Menschen gestorben. Die darauffolgende gigantische Flutwelle wurde bis nach Europa registriert. „Von Vulkanen provozierte Tsunamis sind lange nicht so häufig wie solche, die von Seebeben ausgelöst werden“, so Lane. „Nur etwa fünf Prozent der historischen Tsunamis wurden durch Vulkane verursacht.“
Erstmals sind am Donnerstag zwei Flugzeuge mit Hilfsgütern aus Neuseeland und Australien auf der Hauptinsel Tongatapu gelandet. In dem polynesischen Inselreich, in dem bislang so gut wie keine CoronaFälle registriert wurden, gibt es nun aber die Sorge, dass ausländische Helfer das Virus einschleppen könnten. Tonga hatte im März 2020 seine Grenzen geschlossen und sich seither weitgehend abgeschottet.
Die Flugzeuge bringen neben Trinkwasser auch provisorische Unterkünfte, Generatoren, Hygienekits sowie Kommunikationsausrüstung. Um die Bevölkerung nicht zu gefährden, gab es keinen direkten Kontakt zwischen den Insassen der Maschinen und den Menschen auf Tonga. „Die Lieferung von Hilfsgütern erfolgt kontaktlos“, erklärte Neuseelands Verteidigungsministerin Peeni Henare.