Wie die Wissenschaftsstadt zum Wirtschaftsmotor Ulms wurde
In den 80ern lag die Wirtschaft in Ulm am Boden, heute ist die Lage trotz Krise rosig – Einer, der jahrzehntelang dabei war, hat die Entwicklung nachgezeichnet
ULM - Ende 1981 schließt das Ulmer Farbbildröhrenwerk Videocolor, auf einen Schlag fallen 1400 Arbeitsplätze weg. Und Iveco-Magirus beginnt damit, am Standort 5000 Stellen abzubauen. Das ist beinahe die Hälfte der Belegschaft. 40 Jahre später ist von Videocolor weiter keine Spur. Aber Iveco ist mit großen Plänen zurück: Im Oktober 2021 wird das neue Elektrolastwagen-Werk eröffnet. Und von den annähernd zehn Prozent Arbeitslosen aus den 80er Jahren ist heute keine Spur mehr.
Oberbürgermeister Gunter Czisch ist überzeugt: Diese Entwicklung verdankt die Stadt auch mutigen Entscheidungen der Krisenjahre von damals. Ulrich Soldner hat die Entwicklung der Wirtschaft in Ulm und der Wissenschaftsstadt fast vier Jahrzehnte lang begleitet. Zunächst als Persönlicher Referent von Oberbürgermeister Ernst Ludwig, seit 1990 als Liegenschaftsamtsleiter und inzwischen im Bereich von Oberbürgermeister Gunter Czisch. Im Frühjahr tritt er in den Ruhestand, vorher hat er die Geschichte der Wissenschaftsstadt in einem Buch zusammengetragen. Unterstützt hat ihn der Journalist Hans-Uli Thierer.
1985 beträgt die Arbeitslosigkeit in Ulm 9,5 Prozent, höher ist sie nirgends in Baden-Württemberg. Im gleichen Jahr wird der Grundstein für das Institut für Lasertechnologien in der Medizin an der Uni Ulm gegründet. Und bei einem Essen im „Engel“im Lehr entsteht die Idee für ein neues AEGForschungszentrum in der heutigen Wissenschaftsstadt.
Auch Daimler wird sich dort niederlassen. Knapp eine Milliarde Mark wird dort von Mitte der 80er bis Mitte der 90er Jahre investiert. Gegen die Eingriffe in die Natur gibt es keine Widerstände. Universität und Fachhochschule wachsen und die Wirtschaft wächst mit ihnen. 1991 wird der Science Park I eingeweiht. Heute entsteht der Science Park IV, die Arbeitslosigkeit ist mit 3,3 Prozent die niedrigste aller Stadtkreise in Baden-Württemberg.
Soldner und Thierer lassen im Büro etliche Entscheidungsträger zu Wort kommen: Mitglieder aller Fraktionen des Gemeinderats, Alt-OB Ivo Gönner, den früheren Baubürgermeister Alexander Wetzig, Industrielle wie Edzard Reuter (Daimler) oder Heinz Dürr (AEG), den einstigen IHKChef Peter Kulitz, aber auch die heutigen Stadtoberhäupter Gunter Czisch und Katrin Albsteiger sowie die Spitzen von Uni und Hochschulen Michael Weber (Uni), Volker Reuter (THU) und Uta M. Veser (HNU).
Je weiter sich das Buch der Gegenwart nähert, desto mehr Neuansiedlungen
von Firmen und Instituten werden aufgelistet. Doch manche Firmen bauen Stellen ab, Nachrichten wie Tiefschläge: Nokia geht 2012, 730 Menschen sind betroffen. Daimler geht 2018, 230 Beschäftigte sollen nach Stuttgart wechseln.
Dafür kommen andere, Bosch Rexroth zum Beispiel. Gerade einmal zehn Wochen Zeit habe man gehabt, um die Verträge zu schließen, berichtet OB Czisch. Das zeichne die Entwicklung der Wissenschaftsstadt aus: Flexibilität, Schnelligkeit und kreative Ideen, um den Menschen nach jedem Aus und jeder Veränderung eine neue Perspektive zu geben. Für die Perspektiven der Stadt und ihrer Bürgerschaft wird jetzt wieder viel Geld investiert, eine dreiviertel Milliarde Euro fließt in den Ausbau der Wissenschaftsstadt.
Das Buch „Die Wissenschaftsstadt Ulm“(200 Seiten, Verlag Klemm + Oelschläger) kostet 14,80 Euro und ist im regionalen Buchhandel erhältlich.