Schwaebische Zeitung (Ehingen)
Riedlingerin unter den 100 Frauen des Jahres 2021
Kerstin Wagner ist Leiterin der Personalgewinnung der Deutschen Bahn
RIEDLINGEN - Eine unter den „100 Frauen des Jahres“ist Kerstin Wagner, in Riedlingen geboren und aufgewachsen. Im wöchentlich erscheinenden Magazin „Focus“Nummer 51 vom 18. Dezember 2021 ist auf Seite 63 in wenigen Zeilen beschrieben, warum sie in dieser Liste geführt wird: Sie ist Leiterin der Personalgewinnung der Deutschen Bahn (DB). In dieser Position muss sie jedes Jahr mehr als 20 000 offene Stellen mit den besten Kandidaten besetzen. Bereits 2019 waren ihre Kampagnen zur Personalgewinnung im „Personal Magazin“ausgezeichnet worden; das HR-Magazin (Human Ressources Manager/Personalmanager) listete sie unter den 17 innovativen Managern mit Einfluss.
„Heimat“, sagt Kerstin Wagner, sei ihr Riedlingen nach wie vor, obwohl sie in München und Berlin lebe. Und: „Job war für mich schon immer Leidenschaft!“Überaus lebhaft, mit strahlenden Augen und spürbarer Begeisterung beschreibt sie auch nach nun zehn Jahren als „Executive Vice President Talent Aquisition“bei der DB, was diese Position für sie zu etwas Besonderem macht: Sie ist Chefin von 800 Mitarbeitenden in unterschiedlichen Teams, die für jede der ausgeschriebenen Stellen den besten
Bewerber finden muss. Das sei alles andere als einfach: „Der Markt ist ein sehr knapper Bewerbermarkt.“In vielen Fällen könne der auf eine Stelle Bewerbende unter vielen Angeboten wählen. Um den Besten und Passendsten, die Beste und Passendste für jede spezielle Position zu finden, werde eine permanent verlässliche Mannschaft gebraucht, die bereit sei, sich Neues zu überlegen, Neues auszuprobieren. Ein Team, das neugierig sei, auf die Gesellschaft und neue Technologien reagieren möchte und könne. 2020 schafften sie 25 000 Neueinstellungen, 2021 etwa 22 000, in 500 Berufen, die die DB anbietet.
Das „Demografiethema“und das „Wachstumsthema“spielten bei den Stellenvergaben wichtige Rollen, so Kerstin Wagner. Das Durchschnittsalter der DB-Mitarbeitenden liege bei etwa 46 Jahren; das sei relativ hoch. Zahlreiche gehen in Rente; da müsse „aufgefüllt“werden. Dazu mache der aktive Umweltschutz mit dem Schlagwort „Mehr Verkehr auf die Schiene“mehr Mitarbeiter notwendig. Es entstünden außerdem ganz neue Berufsprofile für die DB. Kerstin Wagner zählt Drohnenpilot als Beispiel auf, notwendig, um die Schienen und Baustellen aus der Luft zu kontrollieren, oder Mitarbeitende zur Interpretation und Analyse der riesigen Datenmengen. „Das macht meine Arbeit so spannend“, ist sich Kerstin Wagner sicher.
Auch änderten sich die Ansprüche der sich Bewerbenden; ein sicherer Arbeitsplatz spiele eine große Rolle, eine gesellschaftlich sinnvolle Arbeit mit und an einem sinnvollen Produkt. Mobilität und Klimaschutz würden für die Bewerber wichtiger, daneben die Vielfalt, die Frauenquote, die individuelle Förderung. Ganz neue Aspekte seien die Überlegungen: Muss ich täglich am Arbeitsplatz sein oder kann ich von zuhause aus arbeiten? Muss ich den Wohnort wechseln?
Um gute Mitarbeitende konkurriere die DB besonders im süddeutschen Raum, beispielsweise mit der Autobranche: „Da stehen wir immer im Wettbewerb zu vielen anderen Arbeitgebern.“
Die DB müsse sich attraktiv darstellen können: „Und da fängt mein Job an.“Neue gesellschaftliche Trends müssen mit den angebotenen Berufen kombiniert werden, Messen konnten nicht stattfinden, Besuche in Schulen waren durch Corona nicht möglich. Neue Möglichkeiten der Werbung für einen Beruf wurden daher ausprobiert und fanden Zustimmung. Innerhalb von wenigen Tagen schafften es die Teams um Kerstin Wagner, alle Bewerbungsmöglichkeiten und -gespräche online abzuhalten: „Das ist jetzt Standard.“Um keinen Bewerber zu verlieren, wurden Hilfsangebote auf den Weg gebracht, Bewerbungshürden abgebaut; beispielsweise führte Kerstin Wagner ein, dass kein Anschreiben mehr verlangt wurde von Schülern und Studierenden. Auch die Integration der neuen Mitarbeitenden trotz Homeoffice barg viele Herausforderungen für ihr Team.
Ein passendes, verlässliches, gut aufeinander abgestimmtes Team sei für ihre erfolgreiche Arbeit unerlässlich, sagt Kerstin Wagner. „Begeisterte Mitarbeitende“, sagt sie dazu, die überall in Deutschland sitzen. Und die müssen gut arbeiten, gut harmonieren, um nach außen zu wirken. Der Teamzusammenhalt sei ihr wichtig; dabei sei sie ebenfalls gefordert. „Da sind wir als Führungskräfte in der Verantwortung und gefragt.“Üblicherweise veranstalteten sie gemeinsam ein jährliches Treffen über mehrere Tage, mit Rückblicken und Ausblicken. In den vergangenen beiden Jahren mussten auch die digital stattfinden. Zwei Tage lang wurden online Workshops und Vorträge angeboten, neben gemeinsamen Freizeitveranstaltungen wie Yoga oder Kochen.
Interessiert beobachtet wurde im vergangenen Jahr ihr „Welt-FrauenMonat“, ausgezeichnet mit neun HRPreisen, den Auszeichnungen des Fachmagazins für Personalmanagement. Statt des Weltfrauentages am 8. März beschloss sie mit ihrem Team einen ganzen Monat voller Aktionen. Und sie erreichten dabei zwei Einträge ins Guinnessbuch der Rekorde: Sie schafften es, innerhalb 24 Stunden
Kerstin Wagner ist 1970 in Riedlingen geboren, hier aufgewachsen und legte ihr Abitur 1990 am Kreisgymnasium Riedlingen ab. Sport, besonders das Turnen, war ihre Leidenschaft. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der European Business School in Reutlingen, in Reims/Frankreich und absolvierte ihren MBA in Ottawa/ Kanada. Sie war beschäftigt bei Weltfirmen in Kanada und den USA. Ihren Hauptwohnort München liebt sie wegen seiner Gemütlichkeit; München sei „nett und schön“. In der Umgebung hat sie ihre Hobbys Skifahren und Radeln. In ihrem zweiten Wohnort Berlin gehört eine Slack-Line auf dem Balkon der Wohnung zur oft genutzten Ausstattung. Berlin beschreibt sie als viel internationaler, „hart und schnell“. Riedlingen jedoch sei ihr „Anker“. Die Weihnachtstage, jeden Flohmarkt verbringe sie hier: „Des g’hört dazu!“
3400 Absolventen für ein DiversityTraining zu begeistern und am 31. März um 12 Uhr schalteten sich 3000 Menschen live in ihre Diskussionsrunde zum Thema Diversity. Zahlreiche weitere Kampagnen, um die DB mit ihren 500 Berufsfeldern in alle Richtungen bekannt und interessant zu machen, „köchelten“bereits.
Sie sei fasziniert von den Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem Beruf, schwärmt Kerstin Wagner, und dabei ihr Team mitzunehmen. Berufsbilder änderten sich, müssten neu definiert, neue Profile entwickelt werden. Hier müsse sie mutig sein für Veränderungen, Dinge anders zu denken, anders zu machen: „Und das macht viel, viel Spaß!“Ein Nine-to-five-Job – eine Arbeitsstelle mit geregelten, täglich gleichen Arbeitszeiten – ist das nicht. Aber vielleicht ist diese Einstellung der Schlüssel, um in die Liste der 100 Frauen des Jahres aufgenommen zu werden.