Die Tücken der Solarenergie
An der B 311 entsteht ein großer PV-Park – auf nicht nur energetisch fruchtbarem Boden
RAUM EHINGEN - Die Folgen des Klimawandels und des Kriegs machen nachhaltige Formen der Energiegewinnung wichtiger denn je. Dazu zählt auch Photovoltaik. Eine große Anlage entsteht demnächst an der Bundesstraße 311 bei Munderkingen. Der Solarpark Deppenhausen-Kirchen soll pro Jahr Strom für 12 000 Haushalte produzieren. Dass solche Projekte umstritten sind, weil sie mit einem enormen Verbrauch an womöglich wertvoller Ackerfläche verbunden sind, weiß auch Joachim Engelhardt, Geschäftsführender Gesellschafter der Energiepark Ulm GmbH & Co. KG, die besagten Solarpark baut. Und er sagt durchaus Überraschendes.
Mehr als zehn Jahre liegen die Anfänge der Planungen für den Solarpark Deppenhausen-Kirchen zurück. Verträge mit der Stadt Ehingen und den Landwirten als Eigentümer der Flächen waren gemacht, Investoren standen Schlange. Die damalige Euphorie der Beteiligten wich jedoch alsbald Ernüchterung, weil die Politik die Einspeisevergütungen gemäß dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) früher strich als gedacht. Damit lohnte sich das Investment nicht mehr. Fast ein Jahrzehnt lang tat sich so gut wie nichts mehr, bis steigende Strompreise das Projekt auch ohne staatliche Förderung wieder rentabel machten.
Vor knapp drei Jahren nahm das Unternehmen Energiepark Ulm die Planungen wieder auf, neue Verträge mit Investoren wurden geschlossen, ein Zaun um das 31 Hektar große Gelände nördlich der B311 zwischen Deppenhausen und Kirchen deutet auf einen baldigen Baubeginn hin. „Wir erwarten die finale Baugenehmigung für Ende März, sodass wir im April loslegen können“, sagt Joachim Engelhardt. Die Fertigstellung sei für 30. September geplant. Allerdings gibt es laut Engelhardt noch ein paar „offene Flanken“, wie etwa die Genehmigung fürs notwendige Umspannwerk, mit dem der Strom ins Netz des Netzbetreibers eingespeist wird. Die Abstimmung mit der EnBW habe eine Menge Zeit gekostet, erklärt Engelhardt, ebenfalls ein zwischenzeitlicher Baustopp der Stadt Ehingen, weil die Pläne für eine ökologische Ausgleichsfläche mit der unteren Naturschutzbehörde nicht gefallen hätten.
Denn was viele Kritiker nicht sähen, sei der Umwelt-Ausgleich, der beim Bau eines solchen Solarparks zu berücksichtigen sei. „Von der Gesamtfläche von 31 Hektar ist etwa ein Zehntel für naturschutzrechtliche Belange vorgesehen“, sagt Joachim Engelhardt. Dazu zählen Blühwiesen für Insekten, 20 Brutflächen für Feldlerchen und Grünstreifen an allen Seiten des gesamten Geländes. Ob die im städtebaulichen Vertrag avisierte Beweidung des Areals mit Schafen realisiert werden kann, sei fraglich. „Wenn wir in 30 Jahren die Flächen der Landwirtschaft für den Ackerbau zurückgeben wollen, könnte die Beweidung schädlich sein für die Qualität des Bodens“, gibt Engelhardt zu bedenken. Ehe man das also mache, brauche es eine klare Stellungnahme des Landwirtschaftsamts zu solchen Plänen.
Insgesamt investiert das Unternehmen rund 30 Millionen Euro in das Projekt, das von zahlreichen Investoren finanziert wird. Alle Anteile sind verkauft – etwa die Hälfte an private Kleinanleger, der Rest an eine ortsansässige Bank und eine Investoren-Gesellschaft.
Die rund 69 000 Photovoltaik-Module sollen bei einer Gesamtleistung von 37,2 Megawatt pro Jahr etwa 42 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren. Das deckt den Bedarf von etwa 12 000 Haushalten. Die Anleger dürfen laut Engelhardt mit einem jährlichen Gesamtertrag von 2,3 Millionen Euro rechnen. Dank der jüngsten Strompreisentwicklung – die produzierte Energie wird über einen großen Händler an der Strombörse verkauft – scheint das über einen Zeitraum von 30 Jahren angelegte Geschäft für die Anleger äußerst attraktiv. Und das nicht nur finanziell, auch gibt es den Investoren das gute Gefühl, einen Beitrag für die nachhaltige Stromgewinnung und damit für den Klimaschutz geleistet zu haben.
Dass Kritiker dem den enormen Verbrauch von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen entgegenhalten, ist Joachim Engelhardt bewusst – und er bestreitet das Dilemma auch gar nicht: „Es sind viele gute Böden. Diese für Sonnenenergie zu nutzen, war aber nicht unsere Idee, sondern die der Politik, die viele Flächen über einen Sonderflächennutzungsplan für Photovoltaikanlagen vorgesehen hat. Wir haben daraufhin versucht, Landwirte für unsere Projekte zu gewinnen.“Das fiel nicht allzu schwer, denn auch Landwirten wirft dieses Geschäft oft mehr Gewinn ab als die herkömmliche Bewirtschaftung. Dass solche Anlagen nun fast wie Pilze aus dem Boden schießen, ist für Engelhardt kein Wunder: „Meine Kollegen aus der Branche belegen alles, was irgendwie geht. Aber Freiland ist keine Dauerlösung.“
Ziel müsse vielmehr sein, „alle Dächer zu belegen, die wir haben und zukünftig bauen, damit wir weniger landwirtschaftliche Flächen brauchen“. Um das zu realisieren, sei freilich auch die Politik gefordert, die es mitzuverantworten habe, dass die Rentabilität der auf den Dächern produzierten Energie in den Keller gegangen sei. „Darüber hinaus müssen die Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Und man muss den Netzbetreibern, welche die Einspeisung des Stroms durch ihre Bedingungen erschweren, die Macht, welche sie im letzten Jahrzehnt durch ihre Lobbyisten über die Politik erwirkt haben, wieder nehmen.“Nur dann seien Dächer attraktiver als Ackerflächen.