Die Bahn muss Antworten geben
Mit veränderten Wagenreihungen, ausgefallenen Anzeigen für die Sitzplatzreservierung und Klimaanlagen, die bei 20 Grad Außentemperatur kaputtgingen, begann vor einigen Jahren der Niedergang der Bahn. Man konnte diese Pannen noch als Folkore abtun. Denn die Züge kamen wenigstens ans Ziel.
Heute aber ist es ernster: Ausfälle in Stellwerken oder Störungen im Betriebsablauf sorgen oft dafür, dass die Bahn ihre Fahrgäste einfach stehen lässt. Die Züge fahren dann nicht mehr. Nun ein Zugunglück mit fünf Toten. Kann es sein, dass alle Pannen, Ausfälle und Unglücke miteinander zusammenhängen? In Garmisch-Partenkirchen ist auf das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen zu warten. Fest steht aber: Verlotterte Infrastruktur an Gleisen, Bahnhöfen, Loks und Wagen, die seit der Privatisierung 1994 nur notdürftig instandgehalten werden, bremsen die Bahn aus. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In der Schweiz wurden 2020 pro Kopf rund 440 Euro in die Schieneninfrastruktur investiert. In Deutschland waren es 88 Euro.
Die grundlegenden Mängel will Bahnchef Richard Lutz angehen. Die Bahn hat den Sanierungs- und Investitionsstaus im gesamten Netz auf knapp 60 Milliarden Euro beziffert. Doch wie der Konzern die Auflösung des Staus bezahlen soll, ist offen.
Der Bund als Eigentümer wird die Bahn als Teil der Daseinsvorsorge definieren und ausstatten müssen: Nötig wird ein eigenes Sondervermögen – finanziert mit neuen Schulden.
Offen ist ebenso, wie der Konzern „unter rollendem Rad“, also im Alltag, die Mammutaufgabe der Generalsanierung erledigen und gleichzeitig über 7,3 Millionen Kunden deutschlandweit pro Tag transportieren will. Menschen müssen trotz der Baustellen pünktlich zur Arbeit kommen, wollen in den Urlaub fahren. Schon das erste Wochenende, an dem Hunderttausende das Neun-Euro-Ticket nutzten, brachte die Bahn an ihre Grenzen. Das Ziel der Koalition, eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen zu erreichen, erscheint unrealistisch.
Bahnchef Lutz muss sich erklären: Andernfalls verliert die Bahn nicht nur Fahrgäste, sondern auch Vertrauen.