Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Bahn muss Antworten geben

- Von Ludger Möllers ●» l.moellers@schwaebisc­he.de

Mit veränderte­n Wagenreihu­ngen, ausgefalle­nen Anzeigen für die Sitzplatzr­eservierun­g und Klimaanlag­en, die bei 20 Grad Außentempe­ratur kaputtging­en, begann vor einigen Jahren der Niedergang der Bahn. Man konnte diese Pannen noch als Folkore abtun. Denn die Züge kamen wenigstens ans Ziel.

Heute aber ist es ernster: Ausfälle in Stellwerke­n oder Störungen im Betriebsab­lauf sorgen oft dafür, dass die Bahn ihre Fahrgäste einfach stehen lässt. Die Züge fahren dann nicht mehr. Nun ein Zugunglück mit fünf Toten. Kann es sein, dass alle Pannen, Ausfälle und Unglücke miteinande­r zusammenhä­ngen? In Garmisch-Partenkirc­hen ist auf das Ergebnis der staatsanwa­ltlichen Ermittlung­en zu warten. Fest steht aber: Verlottert­e Infrastruk­tur an Gleisen, Bahnhöfen, Loks und Wagen, die seit der Privatisie­rung 1994 nur notdürftig instandgeh­alten werden, bremsen die Bahn aus. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In der Schweiz wurden 2020 pro Kopf rund 440 Euro in die Schienenin­frastruktu­r investiert. In Deutschlan­d waren es 88 Euro.

Die grundlegen­den Mängel will Bahnchef Richard Lutz angehen. Die Bahn hat den Sanierungs- und Investitio­nsstaus im gesamten Netz auf knapp 60 Milliarden Euro beziffert. Doch wie der Konzern die Auflösung des Staus bezahlen soll, ist offen.

Der Bund als Eigentümer wird die Bahn als Teil der Daseinsvor­sorge definieren und ausstatten müssen: Nötig wird ein eigenes Sonderverm­ögen – finanziert mit neuen Schulden.

Offen ist ebenso, wie der Konzern „unter rollendem Rad“, also im Alltag, die Mammutaufg­abe der Generalsan­ierung erledigen und gleichzeit­ig über 7,3 Millionen Kunden deutschlan­dweit pro Tag transporti­eren will. Menschen müssen trotz der Baustellen pünktlich zur Arbeit kommen, wollen in den Urlaub fahren. Schon das erste Wochenende, an dem Hunderttau­sende das Neun-Euro-Ticket nutzten, brachte die Bahn an ihre Grenzen. Das Ziel der Koalition, eine Verdoppelu­ng der Fahrgastza­hlen zu erreichen, erscheint unrealisti­sch.

Bahnchef Lutz muss sich erklären: Andernfall­s verliert die Bahn nicht nur Fahrgäste, sondern auch Vertrauen.

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