Süden verliert an Wirtschaftsdynamik
Wirtschaftsschwache Regionen im Westen und Norden Deutschlands profitieren einer IW-Studie zufolge in der Corona-Pandemie
KÖLN - Der seit Jahren wirtschaftlich dominante Süden Deutschlands droht an Dynamik zu verlieren. Das legen die Ergebnisse des Regionalrankings des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nahe. In der Auswertung sind die IW-Ökonomen um Hanno Kempermann der Frage nachgegangen, wie sich die Corona-Pandemie auf die wirtschaftliche Entwicklung der 400 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland ausgewirkt hat. Demnach haben sich in den Jahren der Corona-Pandemie einige strukturschwache Regionen im Westen und Norden Deutschlands ungewöhnlich gut entwickelt. Städte wie Wuppertal, Dortmund und Kiel gehörten traditionell zu den wirtschaftlich schwächsten – seien bei der aktuellen Auswertung aber in der Spitzengruppe der besonders dynamischen Regionen, teilte das IW am Montag in Köln mit.
Für sein Ranking berücksichtigt das Institut Daten zur Wirtschaftsstruktur, zum Arbeitsmarkt und zur Lebensqualität. Die erfolgreichste
Wirtschaftsregion Deutschland ist dabei unverändert der Großraum München mit hoher Kaufkraft und geringer Arbeitslosigkeit. Unter den Top 20 der 400 deutschen Kreise und kreisfreien Städte finden sich insgesamt 13 aus Bayern. Auch Baden-Württemberg punktet mit vorderen Notierungen: der Landkreis Biberach etwa mit Platz 15, der Bodenseekreis mit Platz 38 und der Landkreis Ravensburg mit Platz 54.
Doch in das Ranking ist Bewegung gekommen. Neben dem aktuellen Wirtschaftsniveau der Regionen hat das IW auch die Dynamik der regionalen Wirtschaftsdaten angeschaut. Dabei habe es seit der letzten Auswertung deutliche Veränderungen gegeben. „Regionen, die vor zwei Jahren noch auf den hinteren Plätzen landeten, führen heute das Dynamikranking an“, sagte Studienautor Hanno Kempermann. So komme etwa das Ruhrgebiet weiter nach oben. Süddeutsche Regionen, die neben einem hohen Wirtschaftsniveau üblicherweise auch von einer stark dynamischen Regionalentwicklung geprägt waren, schnitten deutlich schlechter ab. Dies liegt häufig an den coronabedingten Gewerbesteuerausfällen – insbesondere in industriell geprägten Regionen.
Vor allem Kreise und Städte, in denen die Industrie, aber auch die Tourismusund Veranstaltungsbranche oder der Einzelhandel stark seien, hätten aktuell zu kämpfen, schrieb das IW. Andere Kommunen, die schon in den vergangenen Jahren ihren Fokus auf die Weiterentwicklung der regionalen Wirtschaft gelegt hätten, gehören zu den Profiteuren. So habe Kiel – beim Regionalranking vor zwei Jahren noch unter den Schlusslichtern – auf eine Verbesserung der Lebensqualität gesetzt und so am Standort die lokale Gewerbeentwicklung ankurbeln können. Wuppertal und Dortmund profitierten unter anderem davon, dass es den Städten gelungen sei, für junge Menschen attraktiver zu werden. Dazu beigetragen habe auch ein besonders starker Rückgang der privaten Überschuldung.