Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Soko „Zug“soll Unfallursa­che ermitteln

Bahn plante angeblich Sanierungs­arbeiten an den Gleisen – Keine Vermissten mehr

- Von Roland Losch und Kathrin Zeilmann

GARMISCH-PARTENKIRC­HEN (dpa) - Unter den vier beim Zugunglück von Garmisch-Partenkirc­hen getöteten Frauen sind auch zwei Mütter aus der Ukraine, die mit ihren Kindern nach Bayern geflüchtet waren. Das fünfte Todesopfer sei ein 14-Jähriger aus der Region, sagte der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) am Pfingstmon­tag. Eine Person schwebe weiterhin in Lebensgefa­hr.

Herrmann sagte weiter, die Unfallursa­che werde „mit dem Schwerpunk­t in Richtung technische Defekte gesucht“. Fahrgestel­le von Waggons seien bereits sichergest­ellt worden, „und es wird im Moment auch überlegt, inwieweit einzelne Schienen oder Schwellen sichergest­ellt werden müssen. Auf jeden Fall werden die im Moment peinlichst genau untersucht und vermessen“, sagte der Minister.

Nach einem Bericht der Zeitung „Die Welt“plante die Deutsche Bahn auf der Unglücksst­recke in Kürze Sanierungs­arbeiten an den Gleisen. Demnach sollten vom 25. Juni bis 9. Juli zwischen Oberau und GarmischPa­rtenkirche­n eine nächtliche Gleislageb­erichtigun­g und Schienener­neuerungen

stattfinde­n. Die Deutsche Bahn habe auf Fragen der „Welt“dazu mitgeteilt, aufgrund der laufenden Ermittlung­en könne sie sich hierzu derzeit nicht äußern.

Der letzte umgestürzt­e Waggon wurde am Montag von Kränen geborgen und für den Abtranspor­t zerlegt. Die Kirchen hatten für den Abend zu einem ökumenisch­en Gebet in die Pfarrkirch­e Maria Himmelfahr­t eingeladen.

Der DB-Regionalex­press nach München war am Freitagmit­tag kurz nach der Abfahrt auf der eingleisig­en Strecke mit rund 140 Fahrgästen direkt neben einer Bundesstra­ße entgleist. Dabei kamen vier Frauen im Alter von 32, 39, 70 und nach bisherigen Erkenntnis­sen 51 Jahren sowie der 14-jährige Junge ums Leben. 40 Menschen wurden verletzt.

Eine Frau war auf dem Weg ins Krankenhau­s gestorben. Die drei anderen Frauen und der Junge konnten erst am Samstag unter den umgestürzt­en Waggons geborgen werden. Weil die Verletzten mit Rettungshu­bschrauber­n und Rettungswa­gen in mehrere Krankenhäu­ser, auch in Österreich, gebracht wurden, hatten bis Samstagmit­tag noch sieben Menschen als vermisst gegolten. Laut Herrmann waren am Montag noch mehrere Verletzte im Krankenhau­s.

Drei Straßenkrä­ne und ein aus Wanne-Eickel herangebra­chter Schienenkr­an mit 250 Tonnen Hebeleistu­ng legten die drei über eine Böschung herabgestü­rzten Doppelstoc­k-Waggons so, dass sie von Baggern mit Scherenarm­en halbiert werden konnten. Die Waggonhälf­ten wurden dann auf Tiefladern in eine nahe Kiesgrube gefahren. Starker Regen erschwerte die Arbeiten am Freitag und am Sonntag.

Die Ermittlung­en zur Unfallursa­che führt eine Soko „Zug“unter Leitung der Staatsanwa­ltschaft München II. Die Ermittler werden von Sachverstä­ndigen vor Ort unterstütz­t. Auch die Bundesstel­le für Eisenbahnu­nfallunter­suchung (BEU) ist beteiligt, wie eine Bahnsprech­erin sagte.

Der bayerische Verkehrsmi­nister Christian Bernreiter (CSU) hatte gesagt, den Experten vor Ort zufolge sei ein technische­r Defekt „die wahrschein­lichste Ursache“. An dem Unglück sei kein anderes Fahrzeug beteiligt gewesen. Der Zugführer wurde vernommen. Was er gesagt hat, teilte die Polizei nicht mit.

Die Strecke ist nach Angaben eines Bahnsprech­ers mit elektronis­chen Stellwerke­n und moderner Sicherungs­technik ausgerüste­t. Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP), der mit Bahnchef Richard Lutz den Unglücksor­t am Samstag besucht hatte, versprach eine umfangreic­he Aufarbeitu­ng.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hatte seine Bestürzung mitgeteilt und Polizei und Rettungskr­äften gedankt. An mehreren Stellen rund um die abgesperrt­e Unglücksst­elle hatten trauernde Bürger Blumen niedergele­gt und Kerzen aufgestell­t.

Die Begutachtu­ng und Instandset­zung der Bahnstreck­e könne erst nach Abschluss der Bergungsar­beiten beginnen, eine Prognose zur Freigabe der Strecke sei nicht möglich, teilte die DB mit. Ersatzbuss­e seien im Einsatz, aber von nicht zwingend erforderli­chen Zugfahrten im Bereich Garmisch-Partenkirc­hen – Murnau werde abgeraten.

Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder hatte am Samstag an der Unglücksst­elle von einem „Stich ins Herz“gesprochen. In dem Regionalzu­g waren am letzten Schultag vor den Pfingstfer­ien auch viele Schulkinde­r gewesen. Erst im Februar waren in Schäftlarn südlich von München zwei S-Bahnen auf eingleisig­er Strecke frontal zusammenge­stoßen, ein Fahrgast war ums Leben gekommen, 18 Menschen waren verletzt worden.

 ?? FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA ?? Ein auseinande­rgeschnitt­enes Waggonteil wird in einem nahe am Umglücksor­t gelegenen Kieswerk vom Laster gehoben und gelagert: Drei Tage nach dem Zugunglück von Garmisch-Partenkirc­hen gingen die Aufräumarb­eiten am Montag voran.
FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA Ein auseinande­rgeschnitt­enes Waggonteil wird in einem nahe am Umglücksor­t gelegenen Kieswerk vom Laster gehoben und gelagert: Drei Tage nach dem Zugunglück von Garmisch-Partenkirc­hen gingen die Aufräumarb­eiten am Montag voran.

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