Soko „Zug“soll Unfallursache ermitteln
Bahn plante angeblich Sanierungsarbeiten an den Gleisen – Keine Vermissten mehr
GARMISCH-PARTENKIRCHEN (dpa) - Unter den vier beim Zugunglück von Garmisch-Partenkirchen getöteten Frauen sind auch zwei Mütter aus der Ukraine, die mit ihren Kindern nach Bayern geflüchtet waren. Das fünfte Todesopfer sei ein 14-Jähriger aus der Region, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Pfingstmontag. Eine Person schwebe weiterhin in Lebensgefahr.
Herrmann sagte weiter, die Unfallursache werde „mit dem Schwerpunkt in Richtung technische Defekte gesucht“. Fahrgestelle von Waggons seien bereits sichergestellt worden, „und es wird im Moment auch überlegt, inwieweit einzelne Schienen oder Schwellen sichergestellt werden müssen. Auf jeden Fall werden die im Moment peinlichst genau untersucht und vermessen“, sagte der Minister.
Nach einem Bericht der Zeitung „Die Welt“plante die Deutsche Bahn auf der Unglücksstrecke in Kürze Sanierungsarbeiten an den Gleisen. Demnach sollten vom 25. Juni bis 9. Juli zwischen Oberau und GarmischPartenkirchen eine nächtliche Gleislageberichtigung und Schienenerneuerungen
stattfinden. Die Deutsche Bahn habe auf Fragen der „Welt“dazu mitgeteilt, aufgrund der laufenden Ermittlungen könne sie sich hierzu derzeit nicht äußern.
Der letzte umgestürzte Waggon wurde am Montag von Kränen geborgen und für den Abtransport zerlegt. Die Kirchen hatten für den Abend zu einem ökumenischen Gebet in die Pfarrkirche Maria Himmelfahrt eingeladen.
Der DB-Regionalexpress nach München war am Freitagmittag kurz nach der Abfahrt auf der eingleisigen Strecke mit rund 140 Fahrgästen direkt neben einer Bundesstraße entgleist. Dabei kamen vier Frauen im Alter von 32, 39, 70 und nach bisherigen Erkenntnissen 51 Jahren sowie der 14-jährige Junge ums Leben. 40 Menschen wurden verletzt.
Eine Frau war auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Die drei anderen Frauen und der Junge konnten erst am Samstag unter den umgestürzten Waggons geborgen werden. Weil die Verletzten mit Rettungshubschraubern und Rettungswagen in mehrere Krankenhäuser, auch in Österreich, gebracht wurden, hatten bis Samstagmittag noch sieben Menschen als vermisst gegolten. Laut Herrmann waren am Montag noch mehrere Verletzte im Krankenhaus.
Drei Straßenkräne und ein aus Wanne-Eickel herangebrachter Schienenkran mit 250 Tonnen Hebeleistung legten die drei über eine Böschung herabgestürzten Doppelstock-Waggons so, dass sie von Baggern mit Scherenarmen halbiert werden konnten. Die Waggonhälften wurden dann auf Tiefladern in eine nahe Kiesgrube gefahren. Starker Regen erschwerte die Arbeiten am Freitag und am Sonntag.
Die Ermittlungen zur Unfallursache führt eine Soko „Zug“unter Leitung der Staatsanwaltschaft München II. Die Ermittler werden von Sachverständigen vor Ort unterstützt. Auch die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) ist beteiligt, wie eine Bahnsprecherin sagte.
Der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) hatte gesagt, den Experten vor Ort zufolge sei ein technischer Defekt „die wahrscheinlichste Ursache“. An dem Unglück sei kein anderes Fahrzeug beteiligt gewesen. Der Zugführer wurde vernommen. Was er gesagt hat, teilte die Polizei nicht mit.
Die Strecke ist nach Angaben eines Bahnsprechers mit elektronischen Stellwerken und moderner Sicherungstechnik ausgerüstet. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der mit Bahnchef Richard Lutz den Unglücksort am Samstag besucht hatte, versprach eine umfangreiche Aufarbeitung.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte seine Bestürzung mitgeteilt und Polizei und Rettungskräften gedankt. An mehreren Stellen rund um die abgesperrte Unglücksstelle hatten trauernde Bürger Blumen niedergelegt und Kerzen aufgestellt.
Die Begutachtung und Instandsetzung der Bahnstrecke könne erst nach Abschluss der Bergungsarbeiten beginnen, eine Prognose zur Freigabe der Strecke sei nicht möglich, teilte die DB mit. Ersatzbusse seien im Einsatz, aber von nicht zwingend erforderlichen Zugfahrten im Bereich Garmisch-Partenkirchen – Murnau werde abgeraten.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hatte am Samstag an der Unglücksstelle von einem „Stich ins Herz“gesprochen. In dem Regionalzug waren am letzten Schultag vor den Pfingstferien auch viele Schulkinder gewesen. Erst im Februar waren in Schäftlarn südlich von München zwei S-Bahnen auf eingleisiger Strecke frontal zusammengestoßen, ein Fahrgast war ums Leben gekommen, 18 Menschen waren verletzt worden.