Das Theater Ulm geht in die Gotteshäuser
Eine solche Verbindung zwischen den Kirchen und dem Theater gab es bisher noch nicht
ULM - Der Vorverkauf am Theater Ulm für Hugo von Hofmannsthals populäres Spiel „Jedermann“und für das zweite große Ballettwerk dieser Spielzeit hat bereits begonnen. Manch einer mag sich verwundert die Augen reiben: Die beiden Werke finden nicht im Großen Haus des Theaters statt, sondern in den renommiertesten Kirchen der Stadt – im Ulmer Münster die getanzte „Messa di Gloria“Puccinis und in der Wiblinger Basilika „Jedermann“. Das Theater geht in die Gotteshäuser.
Für beide Kirchen, sowohl für die Martinsbasilika in Wiblingen als auch fürs Münster, passiert da gerade ein Novum: Nie wurde in der frühklassizistischen Basilika mit ihrer mehr als tausendjährigen Geschichte Theater gespielt, und dass im Münster eine opulente Messe getanzt wird, ist mindestens ebenso ungewöhnlich. Über die Kooperationen zwischen Theater und beiden Konfessionen sind aber alle Beteiligten glücklich, bieten doch die Gotteshäuser einerseits eine großartige Bühne, gerade wenn es um existenzielle Inhalte geht. Besonders sensibel muss man natürlich mit der Würde der Bauwerke umgehen, wie Chefdramaturg Christian Katzschmann sagt – aber gerade die beiden Gemeinden sehen in der Öffnung für die Kultur eine Chance, dass auch eher Kirchenferne in die Aufführungen kommen und sich interessieren.
Am 11. Juni hat „Jedermann“in Wiblingen Premiere. Geplant war die Aufführung unterm Kreuz der Basilika bereits für das vergangene Jahr, doch hatte Corona einen Strich durch die Planungen gemacht. Die war aus einer Begegnung zwischen dem Theaterintendanten Kay Metzger und Dekan Ulrich Kloos entstanden. Kloos nämlich liebt die Lebensweisheit und existenzielle Tiefe, die Literatur eröffnen kann, mindestens seit er am Gymnasium im DeutschLeistungskurs und in der TheaterAG war. Kay Metzger inszeniert den „Jedermann“, das Spiel vom Leben eines reichen Mannes, der sich – plötzlich konfrontiert mit seiner Sterblichkeit – am Ende Gott zuwendet. Markus Hottgenroth wird die Hauptrolle spielen, Anne Simmering die Buhlschaft. Am 24. Juni gibt es in St. Michael zu den Wengen einen Vis-à-vis-Gottesdienst zum „Jedermann“.
Anders im Ulmer Münster am 16. Juli: Hier ist die Kooperation zwischen Theater und Kirche besonders eng, die Uraufführung von Reiner Feistels neuer Ballettchoreografie „Messa di Gloria“wird – gespielt vom Philharmonischen Orchester und gesungen vom Motettenchor des Münsters unter Leitung von Friedemann Johannes Wieland – das Schwörkonzert zum Auftakt des Schwörwochenendes sein. Auch dieser Uraufführung gingen Begegnungen und begeisterte Impulse voraus. Reiner Feistel ließ sich von der 1880 in Lucca uraufgeführten PucciniMesse zu einer Bewegungskomposition inspirieren, die die Teile der katholischen Messe ernst nimmt und sie interpretiert.
Dass die Uraufführung im dichten Zeitplan der Musik am Münster letztlich zum Schwörkonzert wurde, liegt auch daran, dass der Kirchenraum für die Compagnie des Theaters eigentlich nur im Sommer nutzbar ist – die Temperaturen in Frühjahr und Herbst lägen zu niedrig für Tanz, erklärt Wieland. Für die Aufführung, die an den Abenden vom 19. bis 22. Juli wiederholt wird und für die jeweils etwa 600 Karten zur Verfügung stehen, werden etwa zehn Bänke mit einer Plattform fürs Ballett überbaut. In dieser Größenordnung und in einem solchen Konzept jedenfalls habe es Derartiges noch nie gegeben, berichtet Wieland über die Uraufführung, die auch eine Feier des Lebens nach der Phase der pandemiebedingten Isolation sein soll.