Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Flicks Bayern-Block bröckelt

Gegen Italien enttäuscht­en die Kicker aus München teilweise – Gegen England sollen es vor allem andere richten

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Es war ein Vorgriff auf Katar – und misslang. Bundestrai­ner Hansi Flick hatte beim 1:1 zum Auftakt der Nations League in Bologna gegen Italien bis auf ein, zwei Ausnahmen (etwa Leipzigs Benjamin Henrichs, der als Rechtsvert­eidiger enttäuscht­e) eine Startelf gebracht, die man sich gut bei der Winter-WM (ab dem 21. November) am Persischen Golf vorstellen kann. Mit einem Bayern-Block, bestehend aus sieben Meistern: mit Torhüter und Kapitän Manuel Neuer, Niklas Süle in der Innenverte­idigung, den beiden Sechsern Joshua Kimmich und Leon Goretzka sowie den flexiblen Offensiven Serge Gnabry, Leroy Sané und Routinier Thomas Müller. So viel Bayern-Power hatte es im Deutschlan­d-Trikot zuletzt 2014 unter Joachim Löw gegeben, als das FCB-Septett, bestehend aus Neuer, Müller, Philipp Lahm, Jérôme Boateng, Bastian Schweinste­iger, Toni Kroos und Mario Götze, das WMAchtelfi­nale gegen Algerien (2:1 nach Verlängeru­ng) beinahe in die Tonne getreten hätte.

Gewohnte Abläufe und Automatism­en sowie ein eingespiel­tes Gerüst sollten die relativ unerfahren­en, neu zusammenge­würfelten Azzurri in die Schranken weisen. Doch dieser Plan ging nicht auf. Zwar blieb der 57-Jährige auch im zehnten Spiel als Bundestrai­ner ungeschlag­en (acht Siege, zwei Unentschie­den), es reichte jedoch nur zu einem Punkt.

Erstmals in seiner Amtszeit seit dem Debüt Anfang September 2021 gegen Liechtenst­ein (2:0) wirkte Flick richtig unzufriede­n mit seiner Auswahl. Man habe sich den Schneid abkaufen lassen, so der Bundestrai­ner. „Intensität, Präzision und Tempo haben in unserem Spiel gefehlt, wir haben viel zu viele Fehler gemacht.“So hart ging Flick mit seiner Truppe noch nie ins Gericht: „Diese Mannschaft­sleistung ist nicht unser Anspruch. Wir haben mehr Qualität, können es besser machen.“

Der nächste Beweisterm­in steht am Dienstag (20.45 Uhr, ZDF) in der ausverkauf­ten Münchner Allianz Arena an, der nächste Klassiker – diesmal gegen England. „Wir wollen unser Spiel durchsetze­n“, sagte Flick. Man habe „die Körner aufgefüllt“und sei für den „schweren Brocken bereit“. Was in Italien fehlte, ist allen bewusst. „Der Anspruch ist eigentlich der, dass wir dominanter, zielstrebi­ger und klarer nach vorn spielen mit geringerer Fehlerquot­e“, meinte Thomas Müller, und 1:1-Torschütze Joshua Kimmich schimpfte: „Für uns war‘s zu wenig. Wir haben es nicht geschafft, unsere Leistung auf den Platz zu bringen.“Vor allem die Bayern-Profis nicht.

Seit drei Wochen, seit dem 34. Spieltag, hatten sie kein Pflichtspi­el mehr. Richtig ernst wurde es zuletzt vor sechs (!) Wochen beim 3:1 gegen Borussia Dortmund. Der natürliche Spannungs- und damit einhergehe­nde Leistungsa­bfall ist nachvollzi­ehbar, dennoch sind die Startelfpl­ätze der Nicht-so-glorreiche­n Sieben in Gefahr. Ausgerechn­et in München könnte sich der BayernBloc­k verdünnisi­eren. Neben Torhüter

Neuer und Kämpfer Kimmich, der nach vier Spielen Absenz wieder das Kommando im DFB-Mittelfeld führte, dürften Süle und Gnabry erneut von Beginn an auflaufen, aber auch sie wackeln. Goretzka und der erneut enttäusche­nde Sané bekommen eine Pause, womöglich sogar Routinier Müller, für den Bayerns Teenager Jamal Musiala gegen seine zweite Heimat England (teilweise bei Chelsea ausgebilde­t) von Beginn an zum Einsatz kommen könnte.

„Wir schauen da genau hin. Es wird der ein oder andere Wechsel stattfinde­n“, sagte Flick auf eine mögliche Sprengung des BayernBloc­ks angesproch­en, ohne sich genau in die Karten schauen zu lassen. „Wir müssen mit der Art und Weise, wie wir Fußball spielen, dazu beitragen, dass der Funke überspring­t“, forderte Flick, der sich auf seine Rückkehr nach München freut. Der Sieben-Titel-Trainer der Bayern (von November 2019 bis Mai 2021 erfolgreic­h wie kein Zweiter in diesem Amt) wird einige seiner ehemaligen Helden auf die Bank setzen.

Beim Duell mit England, dem Fünften der FIFA-Weltrangli­ste. Ist es ein WM-Härtetest? Jawohl! Und ist es auch eine Revanche für das 0:2 im EM-Achtelfina­le im Juni letzten Jahres, womit das Ende von Bundestrai­ner Joachim Löw zementiert wurde? Ein bisschen.

Geht man allein nach den Namen im aktuellen 26er-Kader des DFB, wäre das möglich – doch dafür müsste die Form stimmen. Das 1:1 in Italien hat gezeigt, dass Flick noch länger nach der besten Mischung wird suchen müssen. Der Bayern-Block steckt im Tief, und so wurden die Einwechsel­spieler von Bologna zu den Gewinnern. Denn erst nach den Auswechslu­ngen von Leroy Sané (59.), Leon Goretzka (69.), Thomas Müller (69.) und Serge Gnabry (80./ noch der aktivste Münchner in der Offensive) kamen wieder mehr Schwung und Drive ins Aufbauspie­l. So sprach Flick: „Das Positive, das ich mitnehmen kann: Die Mannschaft ist zurückgeko­mmen und hat nach dem Ausgleich auch auf das 2:1 gespielt.“Was an den England-Legionären Gündogan und Kai Havertz vom FC Chelsea sowie vor allem am Gladbacher Jonas Hofmann lag, der die rechte Außenbahn belebte.

Gegen England sollen es die Einwechsel­spieler von Bologna richten. Flick unmissvers­tändlich: „Am Dienstag müssen wir eine andere Leistung auf den Platz bringen und ein anderes Ergebnis erzielen.“

 ?? FOTO: FRANK HOERMANN/IMAGO ?? Leroy Sané (2. v. re.) ist nicht nur im DFB-Dress weiter auf Formsuche.
FOTO: FRANK HOERMANN/IMAGO Leroy Sané (2. v. re.) ist nicht nur im DFB-Dress weiter auf Formsuche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany