Königliche Hoheit mit großem Herz
Carl Herzog von Württemberg war mehr als der Chef des Adelshauses. Am Dienstag ist der Unternehmer und Mäzen im Alter von 85 Jahren gestorben. In Altshausen hängen die Flaggen auf halbmast.
ALTSHAUSEN – Von der Öffentlichkeit und dem Tagesgeschäft hatte Carl Herzog von Württemberg sich bereits seit einigen Jahren zurückgezogen. Gesundheitliche Probleme zwangen den 85-Jährigen dazu, zu schaffen machte ihm auch der schwere Verlust durch den Unfalltod seines Sohnes Friedrich vor etwas mehr als vier Jahren. In den frühen Morgenstunden des 7. Juni ist der Chef des Hauses Württemberg in der Oberschwabenklinik in Ravensburg im Kreise seiner Familie gestorben.
Bodenständig, tiefgläubig und nobel – so beschreibt Martin Herzog den Verstorbenen. Seit 1975 pflegte der ehemalige Oberbürgermeister von Friedrichshafen eine enge Freundschaft zu Herzog Carl. „Er hat seinen Titel als Verpflichtung wahrgenommen. Ihm war bewusst, welche Erwartungen auf ihm ruhten. Mit bemerkenswertem Stil hat er sie erfüllt. Er war für mich ein absolutes Vorbild“, sagt Martin Herzog. Noch vor rund zwei Wochen stattete er seinem Freund einen Besuch ab. „Wir hatten ein schönes Gespräch und ließen alte Zeiten aufleben“, erinnert sich der 85-Jährige. Offen hätten die Jahrgänger auch über den Tod gesprochen. „Wir wussten wohl, dass der Tag kommt, ohne zu wissen, wann es so weit sein wird“, sagt Martin Herzog. Doch einig seien sich beide gewesen, dass sie leisten wollten, was ihnen abverlangt wird.
Bereits seit Jahren kämpfte Carl Herzog von Württemberg mit gesundheitlichen Problemen, war aufgrund von Atemnot auf ein Sauerstoffgerät angewiesen. Zur Erholung zog es ihn oft ins österreichische Hinterstoder. „Von dort kehrte er Anfang vergangener Woche geschwächt nach Altshausen zurück. Sein Körper war von langer Krankheit gezeichnet“, teilte sein persönlicher Referent Joachim Butz mit. Auf ärztlichen Rat hin begab sich der 85Jährige für eine gründliche Untersuchung in die Oberschwabenklinik, wo er fünf Tage später im Beisein seiner Angehörigen verstarb. Er hinterlässt seine Ehefrau, Diane Herzogin von Württemberg, fünf Kinder, 16 Enkelkinder und ein Urenkelkind. Von seinen einst sechs Geschwistern leben noch zwei Schwestern.
Carl Herzog von Württemberg stammte aus der katholischen Linie eines der ältesten früher regierenden Adelshäuser im deutschsprachigen Raum. Bis zur Auflösung der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg herrschte das Adelsgeschlecht über große Gebiete Südwestdeutschlands. 1918 dankte König Wilhelm II. ab und nahm den Titel eines Herzogs zu Württemberg an. Formal korrekt wäre die Anrede „Königliche Hoheit“. Doch Herzog Carl selbst sagte einmal im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Das ist etwas steif. Es ist mir am liebsten, wenn man mich einfach Herzog Carl nennt.“
Geboren wurde Herzog Carl am 1. August 1936 in Friedrichshafen. Nach dem Abitur in Riedlingen studierte er Jura an der Eberhard Karls Universität Tübingen und trat 1959 in die Hofkammer des Hauses Württemberg, die private Vermögensverwaltung des Hauses, ein. Im Juli 1960 heiratete er Prinzessin Diane von Frankreich, Tochter von Graf Henri von Paris. Das Paar hatte sechs Kinder.
Seit 1975 war er Chef des Hauses Württemberg und zog damit der Tradition folgend in das Schloss in Altshausen im Kreis Ravensburg.
An der Spitze der Hofkammer hatte sich der Herzog als Modernisierer einen Namen gemacht. Sie umfasst nicht nur Weinanbau und Forstwirtschaft, sondern auch Firmenbeteiligungen und Immobilien. Seine Stellung nutzte der Unternehmer für Engagement auch in gesellschaftlichen, sozialen und karitativen Bereichen. Dafür wurde er 1986 von Ministerpräsident Lothar Späth mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. 1997 verlieh Bundespräsident Roman Herzog ihm das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, überreicht wurde es von Ministerpräsident Erwin Teufel. Im Jahr 2017 wurde Herzog Carl von Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Große Staufermedaille in Gold des Landes Baden-Württemberg verliehen.
Seine Großzügigkeit erstreckte sich nicht nur auf das ganze Bundesland, vor allem auch für die Belange direkt vor seiner Haustür des Schlosses in Altshausen hatte Herzog Carl stets ein offenes Ohr. „Er lebte nie abgeschottet im Schloss, sondern mitten in der Gesellschaft“, sagt Kurt König, der von 1987 bis 2015 Bürgermeister in Altshausen war. Man habe spüren können, dass er sich in der Gemeinde zu Hause fühlte. Auch bei Festen im Ort mischte er sich gerne unter die Menschen. „Und er war sich auch nicht zu schade, sich selbst eine Rote an der Bude zu holen“, sagt König. Dabei habe er sich für die Belange der Einzelnen stets interessiert und sei auch mit jedem ins Gespräch gekommen. Durch seine Herzlichkeit sei er von den Altshausern sehr geschätzt worden. Weht die Fahne auf dem Dach des Schlosses, wissen die Bürger, dass der Herzog zu Hause ist. Seit Dienstagmorgen steht sie auf halbmast, auch auf dem Marktplatz, am Rathaus und an der Schlosskirche hängt Trauerflor. Minutenlang
läuteten die Kirchenglocken, sodass sich die Nachricht vom Tod rasch im Dorf verbreitete. „Es ist ein Einschnitt für Altshausen. Er hatte immer ein offenes Ohr für die Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen“, sagt König.
Seit sieben Jahren ist Patrick Bauser Bürgermeister in Altshausen und hat Herzog Carl seitdem ebenso volksnah und großzügig wie sein Vorgänger erlebt. „Er ist immer auf dem Boden geblieben und interessierte sich auch für die alltäglichen Dinge in der Gemeinde“, sagt Bauser. Wertschätzung habe er auch besonders gegenüber den Mitarbeitern im Schloss gezeigt. Benötigte ein Verein mal finanzielle Unterstützung,
so war auf den Herzog Verlass. Doch auch die Gemeinde profitierte von der Großzügigkeit. So baute er Wohnungen im Ort aus, als 2015 Flüchtlinge kamen. Über zwei Jahre lang zahlte der Herzog zudem eine zusätzliche Halbtagsstelle zur sozialen Betreuung der Menschen. „Das machte er alles, ohne ein großes Aufsehen zu fordern oder überhaupt der Öffentlichkeit bekannt zu geben“, sagte Bauser.
Traditionell lud Herzog Carl im Januar zum Neujahrsempfang ins Schloss. Nicht nur Prominenz etwa aus Wirtschaft und Politik war vertreten, sondern auch die gewöhnlichen Bürger. Die Reden von Herzog Carl zeichneten sich durch eine klare Haltung aus, gerne mit pointierten Bemerkungen zum Zeitgeschehen in der Welt, aber auch im Land und in der Gemeinde.
Zu den letzten öffentlichen Auftritten des Herzogs gehörte ein kleiner Festakt anlässlich seines 85. Geburtstags am 1. August 2021. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte nur ein kleiner Kreis an geladenen Gratulanten in den Altshauser Schlosshof kommen. Auch damals zeigte er sich von seiner großzügigen Seite: Über die Aktion Herzenssache spendete er 50 000 Euro an die Opfer der Flut in Rheinland-Pfalz.
Der Titel als Chef des Hauses Württemberg geht mit dem Tod von Herzog Carl testamentarisch an seinen Enkel Herzog Wilhelm über. Dessen Vater war im Mai 2018 bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Der 27-Jährige ist seit Jahresanfang zurück von einem Arbeitsaufenthalt in Dubai und lebt in einer Wohnung am Schloss. Er soll aber weiterhin noch berufliche Erfahrungen sammeln dürfen. Das Tagesgeschäft der Hofkammer in Friedrichshafen hatte Herzog Carl bereits Anfang 2020 an seinen Sohn Michael übergeben, der diese mit Hofkammerpräsident Henrik M. Lingenhölin leitet.
Im Altshauser Schloss und der Gemeinde bleiben die Fahnen vorerst mit Trauerflor auf halbmast. Ein Termin für das Requiem steht noch nicht fest. „Das liegt auch an der Ferienzeit und dem bevorstehenden Feiertag“, sagt Joachim Butz, persönlicher Referent des verstorbenen Herzogs. Unter anderem müssten noch Termine abgestimmt werden. Es ist wieder mit mehreren Tausend Gästen zu rechnen. Ende Mai 2018 kamen rund 2000 Trauergäste nach Altshausen – darunter König Philipp und Königin Mathilde von Belgien –, um von Herzog Friedrich Abschied zu nehmen.
Im Interview zu seinem 80. Geburtstag sagte Herzog Carl, dass er gerne auf sein bisheriges Leben zurückblicke. „Ich habe ein schönes Leben gehabt und konnte sehr viel erreichen für das Land, das unseren Namen trägt. Glücksmomente sind für mich, wenn ich sehe, dass ein Elternverein für krebskranke Kinder, den ich mitgegründet habe, weiter wächst. Das freut mich sehr. Diese innerliche Freude bedeutet mehr als Lob von außen. Solche Dinge habe ich aus innerer Überzeugung getan, aber ich finde, da muss man gar nicht groß drüber reden.“Der damalige Wunsch des tiefgläubigen Katholiken war, dass der Herrgott ihm noch ein paar Jahre schenke. Immerhin fast sechs sind es geworden.