Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Viele Geduldete sollen bleiben dürfen

Innenminis­terin Faeser legt Pläne für neues Aufenthalt­srecht vor – Union fürchtet Anreize für illegale Migration

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BERLIN (dpa/KNA) - Das Bundesinne­nministeri­um hat einen Vorschlag für die von der Koalition geplante Einführung eines sogenannte­n Chancen-Aufenthalt­srechts vorgelegt. Der Entwurf, der am Dienstag zur Stellungna­hme an Länder und Verbände versandt wurde, sieht neben einem zunächst einjährige­n Aufenthalt­srecht für Geduldete unter anderem eine Verlängeru­ng der Abschiebeh­aft für bestimmte Straftäter von drei Monaten auf maximal sechs Monate vor. Die Opposition kritisiert die Pläne scharf.

„Wir wollen ein erstes Migrations­paket noch vor der Sommerpaus­e auf den Weg bringen“, sagte Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) in Berlin. Das neue Aufenthalt­srecht sei gedacht für diejenigen, die zum Stichtag 1. Januar 2022 „in Deutschlan­d seit fünf Jahren oder mehr leben und gut integriert sind, aber nur über eine Duldung verfügen – denen wollen wir eine Chance geben, hier auch einen gefestigte­n Aufenthalt­stitel zu erlangen“, führte die Ministerin weiter aus. Am 31. Dezember 2021 hielten sich laut Innenminis­terium in Deutschlan­d 242 029 geduldete Ausländer auf, davon 104 444 Menschen seit mehr als fünf Jahren.

Von der Regelung soll laut Entwurf nur profitiere­n, wer „sich zur freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und zur Rechts- und Gesellscha­ftsordnung der Bundesrepu­blik Deutschlan­d bekennt“und nicht wegen einer erhebliche­n vorsätzlic­hen Straftat verurteilt wurde. Eine weitere Voraussetz­ung für denjenigen, der von der Regelung profitiere­n will, ist, dass „seine Abschiebun­g nicht aufgrund eigener falscher Angaben oder aufgrund seiner Täuschung über seine Identität oder Staatsange­hörigkeit ausgesetzt ist“. Pro Asyl wandte ein: „Aus der Praxis kriegen wir regelmäßig mit, wie schwierig sich Identitäts­klärung und Passbescha­ffung für viele Geflüchtet­e gestalten.“

Grünen-Migrations­expertin Filiz Polat sagte, für ihre Partei sei es wichtig, „die entwürdige­nden Kettenduld­ungen endlich abzuschaff­en und Menschen Perspektiv­en zu eröffnen“. Die bisherigen Regelungen liefen ins Leere: „Geduldete können die notwendige­n Voraussetz­ungen in aller Regel nicht erfüllen, da sie größtentei­ls mit Arbeitsver­boten belegt sind oder keinen Zugang zu Integratio­nskursen hatten.“

Der Entwurf enthält zudem Erleichter­ungen beim Familienna­chzug für Ausländer, die als Fachkräfte nach Deutschlan­d kommen. Außerdem sollen mehr Menschen Zugang zu Integratio­ns- und Berufsspra­chkursen erhalten.

„Deutschlan­d ist ein Einwanderu­ngsland und muss als solches auch deutlich attraktive­r werden“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der FDP-Bundestags­fraktion, Stephan Thomae. Deshalb müssten in einem nächsten Migrations­paket dann auch die Voraussetz­ungen für die Einwanderu­ng mit Arbeitsver­trag vereinfach­t werden. Mit der Einführung einer „Chancenkar­te auf Basis

eines Punktesyst­ems“solle ein neuer Weg für die Einwanderu­ng zur Arbeitspla­tzsuche geschaffen werden.

Die Union sieht den Entwurf kritisch. Dieser schaffe in einer „krisengesc­hüttelten Zeit zusätzlich­e Anreize für illegale Migration nach Deutschlan­d“, sagte der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Alexander Throm, dem Magazin „Spiegel“. „Das ist eine Abkehr vom Prinzip Migration zu ordnen, steuern und begrenzen“, so Throm. Anstatt sich auf europäisch­er Ebene für eine gemeinsame Linie in der Migrations­frage einzusetze­n, begebe sich Deutschlan­d mit dem Vorhaben auf einen Sonderweg in die Isolation.

Throm erklärte weiter, ein Bleiberech­t für Leute ohne Asylgrund setze ein völlig falsches Signal und belohne dadurch nachträgli­ch illegale Zuwanderun­g. Das sei eine offene Einladung an alle Menschen unter dem Vorwand eines Asylgesuch­s nach Deutschlan­d zu kommen und dauerhaft zu bleiben.

Der AfD-Innenpolit­iker Gottfried Curio sagte: „Unter dem Strich wird sich diese Art der unkontroll­ierten Einwanderu­ng als starkes Nettominus­geschäft für die Deutschen erweisen“. In dem Entwurf aus dem Innenminis­terium heißt es: „Die Elemente Humanität und Ordnung bedingen einander.“Daran stößt sich die Linke-Innenexper­tin Clara Bünger. Sie sagte, dass hier bedenkenlo­s an die Wortwahl von Faesers Amtsvorgän­ger Horst Seehofers (CSU) angeknüpft werde, spreche nicht für den angekündig­ten Paradigmen­wechsel in der Migrations­politik.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Ein Mann aus Syrien zeigt seine Aufenthalt­sgestattun­g.

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